Der urbane Stress hinterlässt Spuren im Gebiss
Dabei haben die Autoren teilweise sehr deutliche regionale Unterschiede im Inanspruchnahmeverhalten festgestellt. Über die Ursachen gäben die Zahlen keine Auskunft - darüber ließe sich bestenfalls spekulieren, so der Vorstandsvorsitzende der Barmer , Prof. Dr. Christoph Straub, bei der Präsentation des Zahngesundheitsatlas in Berlin.
Das Tempo des Lebens in der Großstadt hinterlässt offensichtlich Spuren im Gebiss. Das legen jedenfalls Zahlen nahe, die die Barmer in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der TU Dresden erhoben hat. Besonders bei der Schienentherapie zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen Stadt und Land. So erhielten in den Großstädten Berlin und Hamburg mit 3,7 Prozent weit mehr als doppelt so viele Versicherte eine Therapie mit Aufbissschienen als beispielsweise im Flächenland Thüringen. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 2,6 Prozent.
Ost-West-Unterschiede bei der Inanspruchnahme
Die Ergebnisse des aktuellen Zahngesundheitsatlas machten grundsätzlich zwei Tendenzen deutlich. Zum einen gebe es in vielen Versorgungsbereichen der Zahnmedizin Ost-West-Unterschiede. Zum anderen scheine ein Stadt-Land-Gefälle vorzuliegen. Der Unterschied zwischen den östlichen und westlichen Bundesländern zeige sich besonders bei dem Anteil der Bevölkerung, der zum Zahnarzt geht. Die Sachsen sind hier den Ergebnissen zufolge Spitzenreiter (77,1 Prozent), die Saarländer hingegen Schlusslicht (65,2 Prozent). „Die Gründe für die Unterschiede kennen wir nicht. Möglich wären tradierte Inanspruchnahmemuster, verschiedene Präventionsaffinitäten und ein unterschiedlicher Stellenwert des Bonussystems“, betonte Studienautor Prof. Dr. Michael Walter von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der TU Dresden.
Zahnersatz: je nach Region zwischen 1.274 Euro und 1.877 Euro
Besonders eklatant seien laut den Studienergebnissen die Ost-West-Unterschiede bei neuem Zahnersatz. Im Jahr 2017 lagen die Gesamtkosten je versorgtem Versicherten in den östlichen Flächenländern mit 1.274 Euro bis 1.379 Euro deutlich unter dem Bundesschnitt von 1.524 Euro. Am teuersten war der Zahnersatz in Niedersachsen mit 1.877 Euro. Auch bei der Kostenverteilung fielen die Unterschiede massiv aus. Der vom Patienten zu tragende Eigenanteil lag beim Zahnersatz in den östlichen Flächenländern mit 47,7 Prozent bis 50,2 Prozent deutlich unter Bayern und Baden-Württemberg. Dort trugen Patientinnen und Patienten mit ihrem Eigenanteil 66 beziehungsweise 66,7 Prozent der Kosten. Eine Ursache für hohe Kosten dürfte die verstärkte Wahl von aufwendigem, ästhetisch ansprechenderem und somit meist teurerem Zahnersatz sein, sagte Straub.
Stadt-Land-Unterschiede bei Zahnkronen und Kieferorthopädie
Der Barmer-Zahngesundheitsatlas zeigt zudem deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land. So bekamen 9,0 Prozent der Berliner und 8,7 Prozent der Hamburger im Jahr 2017 einen neuen Zahnersatz. Im Saarland waren es lediglich 6,4 Prozent und in Bayern und Rheinland-Pfalz jeweils 6,9 Prozent. Bundesweit traf dies auf 7,4 Prozent zu. „Dass vor allem die Versicherten in den Stadtstaaten häufiger Zahnersatz bekommen, könnte zum einen am leichteren Zugang zur Versorgung bei einer vergleichsweise hohen Zahnarztdichte liegen. Zum anderen könnten höhere ästhetische Ansprüche eine Erklärung sein“, sagte Walter. Bei der Kieferorthopädie zeigt der Altas, dass die Inanspruchnahme bei den unter 20-Jährigen in Flächenländern etwas geringer ausfällt als im Bundesdurchschnitt. Dies könne unter anderem an den räumlich weiteren Wegen zum Kieferorthopäden liegen.
Barmer will Diskussion anstoßen
„Wir wollen mit dem Atlas zur Zahngesundheit Transparenz schaffen und eine Diskussion über die bundesweiten Versorgungsunterschiede, Kosten und Nutzen anstoßen. Viele Ergebnisse aus dem Atlas lassen sich nicht zahnmedizinisch erklären. Zahnärzteschaft, Krankenkassen und Politik in Bund und Ländern sollten gemeinsam die Ursachen dieser Unterschiede diskutieren, um bundesweit einheitlich hohe Standards bei Beratung und Versorgung sicherzustellen“, sagte Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer.