Ein CAM-System zur Herstellung von Gerüsten aus Zirkonoxid
Auf Grund ungenügender mechanischer Festigkeit konnten vollkeramische Brücken bisher nur bei geringer Belastung und nur im Frontzahngebiet eingesetzt werden. Sie galten als bruchgefährdet. Die infiltrationskeramischen Systeme erreichten bisher die höchsten Biegefestigkeiten für Brückengerüste. Nach anfänglichen klinischen Erfolgen stellte sich heraus, dass glasinfiltrierte Aluminia-Gerüste den Kaukräften im Seitenzahnbereich kaum Stand hielten, außer die Verbindungsstellen wurden deutlich überdimensioniert. Klinische Erfahrung sowie Frakturanalysen zeigten, dass diese Verbinder (connectors) zwischen Krone und Pontics, ausgehend von der Gingivaseite, stark bruchgefährdet waren. Aus diesen Gründen wurde der Einsatz von noch bruchzäherer Hochleistungskeramik für den Indikationsbereich „Seitenzahngebiet“ gefordert.
Auf Grund der physikalischen Eigenschaften von Zirkonoxid (Tabelle I) und der ersten klinischen Erfahrung mit Titandistanzhülsen wurde versucht, das zahnärztliche Indikationsspektrum dieses Materials ins Seitenzahngebiet zu erweitern. Zirkonoxid hat eine weiße Grundfarbe – eine gute Ausgangslage, um ästhetisch hochwertige Resultate zu erzielen. Trotz der für Hochleistungskeramiken typischen dichten Sinterung weisen die Zirkonoxidgerüste eine genügend hohe Transluzenz auf, um einen harmonischen Übergang von der Rekonstruktion zum Zahn zu ermöglichen. Auch der Forderung nach bestmöglicher Biokompatibilität konnte Zirkonoxid entsprechen. Die Biegefestigkeit und Bruchzähigkeit von Zirkonoxid übertrifft alle bisher getesteten Dentalkeramikmaterialien. Die Tabelle I zeigt die Materialeigenschaften von verschiedenen Dentalkeramiken im Vergleich. Bezüglich Ermüdungsverhalten berichteten Autoren, dass die Dauerfestigkeit von Zirkonoxid die Werte von glasinfiltrierter Keramik um das Dreifache übertraf.
Die labortechnische Verarbeitung von Zirkonoxidkeramik zu individuell hergestellten Rekonstruktionen war bisher problematisch. Die herkömmlichen Sinter- und Presstechniken sind auf Grund der thermischen Schrumpfung des Materials ungeeignet, und die Bearbeitung industriell hergestellter dichtgesinterter Zirkonoxidrohlinge ist wegen der großen Härte zeitaufwändig.
Ein neuartiges experimentelles Verarbeitungsverfahren, der DCM-Prozess (Direct Ceramic Machining Process; ETH-Zürich), kommerziell eingeführt als cercon® smart ceramics (Degussa Dental), sollte deshalb einerseits die Bearbeitungszeit verkürzen und andererseits die Werkzeuge schonen. Dieses Verfahren basiert auf der Bearbeitung von Zirkonoxid im weicheren, vorgesinterten Zustand.
Laboruntersuchungen von derart hergestellten dreigliedrigen Testbrücken ergaben eine zirka 1,5-mal höhere Tragfähigkeit im Vergleich zu glasinfiltrierten Aluminiumoxidkeramikgerüsten. Zusätzlich zeigten die Resultate dieser Vorversuche, dass die Verbinder für Brückengerüste, für einen allfälligen klinischen Einsatz im Seitenzahngebiet, um neun mm2 liegen sollten. Verbinder dieser Ausmaße erlauben feine und ästhetische Rekonstruktionen.
Klinische Untersuchungen
Ziel dieser Arbeit war, in einer klinischen Studie etwa 20 mit dem „cercon®-System“ hergestellte Zirkonoxidbrücken bei Patienten einzusetzen und nach mindestens zwölf Monaten Tragzeit zu untersuchen.
Material und Methoden
22 Seitenzahnbrücken mit Zirkonoxigerüst wurden mit dem cercon®-Verfahren hergestellt und bei Patienten eingesetzt. Das verwendete Keramikmaterial war ZrO2-TZP (tetragonal zirconia polycrystals), stabilisiert mit drei Molprozent Yttriumoxid. Das Verblendmaterial war eine experimentelle, für Zirkonoxid entwickelte Verblendkeramik.
Tetragonal stabilisiertes Zirkonoxid besitzt die höchste Biegefestigkeit und Zähigkeit von allen hier aufgeführten Werkstoffsystemen. Patienten mit der typischen Indikation für eine Seitenzahnbrücke (Zahnlücke mit parodontal möglichst gesunden Nachbarzähnen) wurden für die Studie ausgewählt. Bei der Indikationsstellung wurden dieselben Kriterien angewandt, die auch für eine Versorgung mit einer konventionellen metallkeramischen Brücke gelten. Die Rahmenbedingungen der klinischen Untersuchungen wurden durch eine Ethikkommission gutgeheißen (informed consent, Helsinki 1989). Die experimentellen Zirkonoxidbrücken wurden den Patienten zu einem deutlich tieferen Preis angeboten, mit einer umfassenden Garantie im Falle eines Misserfolgs.
Die technische Herstellung der TZP-Gerüste
Ziel des Verfahrens sollte es sein, vollkeramischen Zahnersatz auch bei mehrgliedrigen Zahnbrücken im Seitenzahngebiet herzustellen.
Hierfür erscheint tetragonales Zirkonoxid (TZP) eine mögliche Lösung aufzuzeigen. Es weist eine höhere Biegefestigkeit und Riss-Zähigkeit als alle kommerziell erhältlichen Dentalkeramiken auf. Leider ist auf Grund seiner überragenden mechanischen Werkstoffeigenschaften die konventionelle Hartbearbeitbarkeit von dichtem TZP sehr zeit- und kostenaufwändig [5].
Hier wird ein neues Verfahren, das „Direct Ceramic Machining (DCM)“ vorgestellt, welches vollkeramischen Zahnersatz wie Kronen und mehrgliedrige Zahnbrücken mit einem Grundgerüst aus Zirkonoxid auch für den Seitenzahnbereich ermöglicht (Abbildung 2) [6-8]. Aus einem einfach zu bearbeitenden, sehr homogenen, porösen keramischen Rohling wird die Form des Grundgerüstes vergrößert herausgefräst und anschließend dicht gebrannt. Dies erlaubt, die Schrumpfung während des Brandes zu kompensieren. Auf Grund der isotropen Schwindung kann – abgesehen von der Aufpassarbeit – auf eine anschließende Hartbearbeitung vollständig verzichtet werden.
Resultate
Eingesetzt wurden 22 Brücken; 21 dreigliedrige und eine viergliedrige. Insgesamt wurden 25 Prämolaren sowie 19 Molaren überkront. Von den total 23 Zwischengliedern entfielen elf auf einzelne Molaren, zehn auf einzelne Prämolaren sowie zwei auf ein Doppelprämolaren-Zwischenglied. Alle im Rahmen der Studie eingesetzten Brücken, insbesondere alle Zwischenglieder, waren durch Antagonisten belastet, 21-mal im Normalbiss und einmal im Kreuzbiss.
Alle 22 Brücken blieben während der Beobachtungszeit von durchschnittlich 385 Tagen (307 bis 488 Tage) intakt. Es trat kein Gerüstbruch auf. Weder Rissbildung noch Absplitterungen der Verblendkeramik konnten festgestellt werden. Der Randspalt war bei einigen Brücken tastbar, ohne sich aber während der Beobachtungszeit verändert zu haben. Randverfärbungen oder Karies wurden nicht festgestellt. An einem Prämolaren waren ein Vitalitätsverlust, eine periapikale Aufhellung sowie eine Fistelbildung nach bukkal zu verzeichnen. Die parodontalen Sondierungstiefen verhielten sich klinisch unauffällig. Alle Patienten waren mit ihren Rekonstruktionen sehr zufrieden.
Zusammenfassung
Zusammenfassend schien diese einjährige klinische Untersuchung darauf hinzudeuten, dass mit dem vollkeramischen cercon®-Verfahren die klassischen Kronen- und Brückenprothetischen Indikationen abgedeckt werden könnten. Im Rahmen dieser Forschung wurde noch kein klinischer Misserfolg festgestellt. Die erste eingesetzte Brücke war beim Verfassen dieser Arbeit zwei Jahre inkorporiert und ebenfalls noch in situ ohne Frakturen. Der Indikationsbereich erstreckte sich von Einzelkronen über die drei- und mehrgliedrige Brücke mit zwei oder mehreren verbleibenden Pfeilerzähnen. Der Vorteil gegenüber der konventionellen Metallkeramiktechnik lag eindeutig in der verbesserten Ästhetik und der Biokompatibilität des Gerüstmaterials, welches mit der Transluzenz und grazilen Verbindern ein ausgezeichnetes Aussehen ermöglichte.
Professor Dr. Peter SchärerZentrum für Zahn-, Mund undKieferheilkunde der Universität ZürichPlattenstrasse 11, CH-8028 Zürich
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Materialeigenschaften
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Material
Typ
Biegefestigkeit
Zähigkeit
\n
in MPa
in MPa m1/2
\n
Zirkonoxid2
dicht, gesintert
900
9
\n
InCeram®
glasinfiltriertes Al2O3
4,63
\n
Aluminia
(slip casting)
4191
2,484
\n
Vita Celay
glasinfiltriertes Al2O3
\n
Aluminia1
industriell gefertigte blanks
547
3,55
\n
Dicor MGC1
Glaskeramik
220
2,02
\n
IPS Empress1
leuzitverstärkte Glaskeramik
182
1,77
\n
Omega1
Feldspatkeramik
85
0,99
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