BMG-Eckpunktepapier zur Gesundheitskarte

Elektro-Anamnese

Mit seinem „Eckpunktepapier für eine elektronische Gesundheitskarte“ hat sich das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im vergangenen Monat weit aus dem Fenster gelehnt. Und sich damit im „Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen“ (ATG) direkt eine Abfuhr geholt. Kritisiert wird von den Vertretern der Selbstverwaltung vor allem, dass das Papier eine umfassende zentrale Speicherung von Patientendaten vorsieht.

Für das BMG stellt die elektronische Gesundheitskarte einen „für den Patienten wichtigen Speicher seiner persönlichen Gesundheitsdaten“ dar. Wichtiger erscheint aber der zweite Grund, dass nämlich die Karte eine „Kommunikationsschnittstelle zwischen verschiedenen Telematikanwendungen im Gesundheitswesen“ bietet, mit deren Hilfe die „unterschiedlichen Träger auf ambulanter, stationärer und rehabilitativer Ebene“ verzahnt werden sollen.

Die Ziele sind hoch gesteckt. Eine qualitative Verbesserung der medizinischen Behandlung versprechen sich die Planer vom BMG besonders in Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit. Die Eigenverantwortung der Patienten soll mit der Karte gestärkt werden. Außerdem soll die Elektrokarte die Arbeitsprozesse im Gesundheitswesen optimieren und einen Beitrag zu „Wirtschaftlichkeit und Leistungstransparenz“ leisten.

Freiwilliges Angebot

Generell ist die Gesundheitskarte „als freiwilliges Angebot an die Versicherten“ gedacht. Und nicht nur das: „patientenfreundlich“ soll sie sein. Was die Inhalte der elektronischen Gesundheitskarte und ihre Aufteilung betrifft, so legt das BMG ein ausgesprochenes „Schubladendenken“ an den Tag: Insgesamt neun Unterrubriken – so genannte „Fächer“ – sollen auf dem Mikrochip Platz finden.

Arzneimittelfach: Hier sollen alle Verordnungen und dispensierten Arzneimittel eingetragen werden. Eingegeben werden die Daten vom Arzt oder Apotheker.

Notfallinformationen: Im Wesentlichen soll dieser Bereich aus den Angaben des europäischen Notfallausweises bestehen: Adresse, chronische Organleiden, Allergien, Herzerkrankungen, Asthma.

Operationen, die sich auf den aktuellen Gesundheitsstatus auswirken, sowie Impfungen und Röntgenuntersuchungen.

Blind- oder Tresorfach: Wie der Name schon sagt, sollen hier Arzneimittel eingegeben werden, die ein Patient vor Ärzten oder Apothekern geheim halten möchte – etwa Viagra, Methadon oder die Anti-Baby-Pille. Da diese Infos bei einer Behandlung natürlich wichtig sind, um Wechselwirkungen zu prüfen, kann es allerdings keinen wirklichen Leseschutz geben.

Elektronisches Rezept: Dieser Bereich soll das Papierrezept ersetzen. Explizit verweist das BMG-Papier darauf, dass das elektronische Rezept geeignet sein müsse, „beim E-Commerce und beim Versandhandel mit Arzneimitteln eingesetzt zu werden“.

Elektronischer Arztbrief: Medizinische Befunde, Diagnosen und Therapieempfehlungen sollen hierüber weitervermittelt werden. Der Einsatz soll sich dabei auf Arztbriefe bei Überweisungen, Einweisungen oder Krankenhausentlassungen konzentrieren.

Verweis- oder Pointerfunktion: Dieses Fach ist eigentlich ein Schlüssel. Mit dem soll der Zugriff auf „patientenbezogene Spezialdaten“ ermöglicht werden, die sich auf Servern, also zentralen Rechnern, befinden. Dazu zählen etwa Röntgenaufnahmen oder Laborbefunde.

Patientenaufzeichnungen- oder Zusatzangabenfach: Hier sollen Patienten eigene Eintragungen vornehmen können, etwa Verlaufsprotokolle bei chronischen Krankheiten.

Versicherungsangaben: In diesem Fach finden sich die klassischen Daten der Krankenversicherungskarte. Außerdem sollen GKV-Versicherte ihren Zuzahlungsstatus oder Auslandsversicherungen speichern können.

Dass es nicht bei der Erfassung von Daten auf dem Chip bleiben wird, deutet sich schon jetzt im Eckpunktepapier an. Vielmehr schwebt dem BMG vor, die Karte an „derzeit in der Diskussion befindliche Serveranwendungen“ anzubinden. Sprich: Die Behandlungsdaten sollen auf zentralen Rechnern landen, in einem globalen, überall verfügbaren, digitalen Patientendaten- Aktenschrank. Die Karte soll, so das Eckpunktepapier, „Verweise zu elektronischen Patientenakten und die technische Anbindung an andere Informationssysteme ermöglichen“.

Genau hier setzt die gemeinsame Kritik aller übrigen ATG-Teilnehmer ein. Die zentrale Speicherung von Patientendaten, wie sie für mehrere der genannten „Fächer“ vorgesehen ist, wird abgelehnt. Auch eine „Rückschlussfähigkeit“ von Patientendaten muss nach Meinung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung auf jeden Fall verhindert werden. Die weiteren Aktivitäten des BMG sollen kritisch beobachtet werden; unter anderem dadurch, dass weiterhin am ATG und seinen Veranstaltungen teilgenommen wird.

Das BMG plant derweil bereits, „Modellversuche“ für die elektronische Gesundheitskarte zu starten – mit 10 000 Versicherten, 100 Arztpraxen, 60 Apotheken und drei Krankenhäusern. 

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