Das „Phänomen“ Harald Schmidt
„Sie sind manchmal schwer zu greifen,“ stellte Harald Schmidts Laudator Helmut Ahrens, Mitglied des kürenden Kuratoriums, vor übervollem Saal im ausführlichen „Talk“ mit Deutschlands größtem „Talker“ fest. Doch obwohl „Dirty Harry“ – wie ihn seine Fans gern bezeichnen – ständig auswich, parierte, brillierte und mental posierte, gelang es Ahrens trotzdem, dem aus allen Teilen der Republik angereisten Publikum deutlich zu machen, warum Harald Schmidt verdienter Preisträger des am 12. Juli im Mainzer Erbacher Hof verliehenen Preises der Kammer Rheinland-Pfalz war.
In der Laudatio würdigte Ahrens die Leistung des Schauspielers, Kabarettisten und „Künstlers in der Publizistik“ Harald Schmidt als „Spiegel des Alltags, als surrealistisches Theater entlang der Wirklichkeit“. Die Harald-Schmidt-Show sei längst „allabendliche Familienfeier der Nation, die ab und zu zur Kindergeburtstagsfeier wird“.
„Kurz vor dem Nobelpreis“
Seine Nennung in einem Atemzug mit Publizisten wie Theodor Fontane oder Alfred Kerr entlockte dem 1,94 Meter großen Schmidt verschmitzt die Antwort: „Man könnte meinen, wir stünden kurz vor dem Nobelpreis.“ Er sei nur „Conferencier“ und lebe von dem „Selbsthass“ seiner Mitmenschen, der noch dazu „von der Industrie bezahlt wird“. Die Erklärung für seinen Erfolg überlässt der sich gern als „Hypochonder“ gerierende Fernsehmacher lieber anderen: „Ich mache einfach etwas, was ich lustig finde – und das kommt an.“ Und zum Privatleben des Harald Schmidt: „Wenn es einem egal ist, was die Boulevard-Presse über einen schreibt, dann wird es richtig komfortabel.“ Einfach sei das Prominentendasein trotzdem nicht: „Manchmal weiß ich nicht mehr, wer Harald Schmidt ist, und wer die Kunstfigur.“
Derartig wohl gesetztem Understatement ließ Kammerpräsident Dr. Otto W. Müller in seiner Begrüßung keinen Raum. Harald Schmidt vereine „völlig heterogene Bildungsschichten in einer Zuschauergruppe“ und habe es geschafft, Unterhaltung zur Vermittlung von Wissen zu nutzen. Dieser Hildegard-von-Bingen-Preisträger sei laut Berliner Tagesspiegel der „Mann, durch den die Zeit hindurchgeht“. Er sei ein „Phänomen“, so der Zahnärztekammer-Präsident, „das sich unserer Erklärung entzieht“. Schmidt erhalte den Publizistik-Preis der Zahnärztekammer, weil es ihm gelinge, „Gebildete und weniger Gebildete im Medium Fernsehen durch Unterhaltung zu vereinen“.
„Politiker bringen’s nicht“
Auch der Rheinland-Pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck – er nahm nicht ohne Stolz zur Kenntnis, dass die Zahnärztekammer seines Landes „die Herausforderung angenommen hat, einen publizistischen Preis zu vergeben“ – konstatierte dem Preisträger, er mache Mut auf die Hoffnung, „dass es möglich ist, Fernsehen zu schauen, ohne dass einem dabei die Haare zu Berge stehen und nicht nur Klamauk geboten wird“. Insbesondere Politiker könnten nur ahnen, „wie schwer es ist, gute Satire zu machen, ohne anschließend darüber zu stolpern“. Schmidt antwortete im nachfolgenden Interview mit Ahrens auf seine Weise: Befragt, warum er keine Politiker in seine Show hole, antwortete er lapidar „Politiker bringen’s nicht.“ Und zum Fernsehen: „Ich schaue Fernsehen, um zu schimpfen.“
Der Chef der „Late Night Show“, der nach Walter Kannengießer, Helmut Markwort, Gabriele Krone-Schmalz, Johannes Gross, Peter Scholl-Latour, Joachim Fest, Joachim Kaiser und Sandra Maischberger 9. Träger des jährlich vergebenen Hildegard-von-Bingen-Preises ist, glänzte auch durch Menschliches: Mit den Worten „Preise soll man dahin zurückgeben, wo sie herkommen“ spendete er die zuerkannte Geldsumme an die Uni-Kinderklinik in Mainz.