Endodontie – Probleme und Lösungen
Bei der Einführung in die Veranstaltung durch Prof. Hannig und den Vorsitzenden der Ärztekammer des Saarlandes, Abteilung Zahnärzte, Sanitätsrat Dr. Wolfgang Weis, Saarbrücken, wurde deutlich, wie groß der Bedarf der hiesigen Zahnärzte ist, sich in der Region an der hiesigen Universität fortbilden zu können. Die Vorträge schlugen einen thematischen Bogen von der endodontischen Diagnostik und Notfallbehandlung über die einzelnen Teilschritte einer vollständigen Wurzelkanalbehandlung bis zur Einschätzung über Erfolg oder Misserfolg einer Wurzelkanalbehandlung und die abschließende restaurative Versorgung des Zahnes.
Notfallöffnung des Kanals
Professor Dr. Benjamin Briseño, Mainz, eröffnete die Vortragsrunde mit einem Beitrag zur endodontischen Diagnostik und Notfallbehandlung, deren oberstes Ziel es ist, den Patienten schnell und effizient die Schmerzen zu nehmen. Dennoch verwies er darauf, dass vor Beginn einer endodontischen Behandlung das weitere Schicksal des Zahnes bereits offen mit dem Patienten besprochen werden muss. Das bezieht zum Beispiel auch eine vorläufige prothetische Planung mit ein. Im Bereich der endodontischen Diagnostik arbeiten wir heute noch immer mit den bewährten Hilfsmitteln wie Temperatur- und Perkussionstests sowie Röntgen. Transillumination kann unterstützend zum Auffinden von Vertikalfrakturen und auch obliterierten Wurzelkanälen eingesetzt werden.
Überzählige Wurzeln Finden
Privatdozent Dr. Rudolf Beer, Witten-Herdecke, beleuchtete die Bedeutung einer exakten Zugangskavität zum Wurzelkanalsystem mit dem Ziel, alle vorhandenen Kanäle zu finden und einen geraden Zugang für die Aufbereitungsinstrumente zu schaffen. In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass aufgrund des häufigen Auftretens routinemäßig nach dem mesiopalatinalen Kanal in Oberkiefermolaren sowie einem zweiten Kanal in den distalen Wurzeln der Unterkiefermolaren, in Unterkieferfrontund -eckzähnen und in beiden Oberkieferprämolaren gesucht werden muss. Hilfreich bei der Kanalsuche ist der Einsatz von Ultraschall- aktivierten Instrumenten.
Medikamentöse Einlagebehandlungen
Nutzen, Risiken und Grenzen medikamentöser Einlagebehandlungen strich Privatdozentin Dr. Claudia Barthel, Berlin, in ihrem Vortrag heraus. Anhand ausgesuchter Studien beleuchtete sie einerseits die antibakterielle Wirksamkeit und andererseits die Gewebeverträglichkeit und andere mögliche unerwünschte Wirkungen der zur Verfügung stehenden Medikamente und Spüllösungen. Damit konnte sie den Kollegen mit klaren Empfehlungen hilfreiche Tipps geben. Letztlich ist die Zahl der sinnvoll einsetzbaren Mittel klein: Spülungen werden mit größeren Mengen gewebelösendem Natriumhypochlorit und abschließend mit Chlorhexidin durchgeführt. Das Medikament der Wahl für die Einlage ist und bleibt Kalziumhydroxid, vorzugsweise in pastöser Form. In wenigen Sonderfällen der Notfalltherapie kann auch ein Antibiotikum- Corticoid-Gemisch zum Einsatz kommen.
Arbeitslänge richtig wählen
Dr. Dirk Hör, St. Wendel, sensibilisierte in seinem Vortrag zunächst die Kollegen noch einmal deutlich für das Problem der Bestimmung der richtigen Arbeitslänge. Anschließend erläuterte er die Funktionsweise der inzwischen sehr weit entwickelten Geräte für die endometrische Längenbestimmung, die eine optimale Annäherung an die apikale Konstriktion ermöglichen. Somit sind wir in der modernen Endodontie bei der Bestimmung der Arbeitslänge nicht mehr nur auf zahnärztliches Fingerspitzengefühl und „mittelwertkorrigierte“ Röntgenaufnahmen angewiesen.
Privatdozent Dr. Ove Peters, Zürich, führte das Auditorium in die maschinelle Wurzelkanalaufbereitung mit flexiblen Nickel-Titan- Instrumenten, die heute fast ausschließlich vollrotierend in step-down- Technik eingesetzt werden, ein. Vorteile liegen neben der schnelleren Aufbereitung vor allem darin, dass auch bei deutlich gekrümmten Kanälen weniger Aufbereitungsfehler stattfinden und weniger Debris nach apikal transportiert wird. Prinzipiell ist ein möglichst gerader Zugang zu den Kanälen nötig, um die Instrumente nicht unnötig zu überlasten. Mit einem feinen Handinstrument wird zunächst ein Gleitweg für die nicht schneidende Instrumentenspitze in die Tiefe des Kanals geschaffen. Die Anwendung von drehmomentgesteuerten Motoren oder Handstücken ist zu empfehlen, um das Risiko einer Instrumentenfraktur zu reduzieren.
Wurzelfüllmaterialien
In seinem Beitrag unter dem Titel „Wurzelfüllung – Ist das, was man in den Kanal einfüllt weniger wichtig als das, was man herausholt?“ überprüfte Professor Dr. Edgar Schäfer, Münster, die zahlreichen Wurzelfüllmaterialien auf Nutzen und Risiken hin. Guttapercha ist als Kernmaterial für alle Wurzelfüllungen unabhängig von der angewendeten Fülltechnik unumstritten und sollte mindestens 90 Prozent einer Wurzelfüllung ausmachen.
Die auf dem Markt erhältlichen Sealer unterscheiden sich vor allem hinsichtlich ihrer Dichtigkeit, Löslichkeit und Haftfestigkeit am Dentin. Einige sind weniger gewebeverträglich als andere oder enthalten medikamentöse Zusätze von fragwürdigem Nutzen.
Prof. Schäfer stellte in diesem Zusammenhang noch einmal klar, dass eine gute Wurzelfüllung keine Schwächen der Aufbereitung und Desinfektion kompensieren kann. Letztlich konnte die Gruppe der empfehlenswerten Sealer auf Präparate auf Epoxydharz- oder Polysiloxanbasis und mit Einschränkung ein Diketon für die Einstift-Wurzelfüllung begrenzt werden.
Ob und wann man eine endodontische Behandlung als erfolgreich betrachten kann, war Thema des Vortrags von Professor Dr. Cengiz Coçkapan, Gießen. Allgemein werden die Erfolgsraten bei zuvor vitalen Zähnen mit 95 Prozent und bei zuvor devitalen oder beherdeten Zähnen mit 80 bis 85 Prozent angegeben. Häufigster technischer Grund für Misserfolge ist die unvollständige Aufbereitung und Abfüllung von Kanälen, gefolgt von der Überfüllung, die vor allem nach Revisionen problematisch ist. Biologisch findet sich bei Misserfolgen besonders häufig E. faecalis im Kanal, ein Bakterium, das nicht durch Kalziumhydroxid zu eliminieren ist. Um unnötige Misserfolge zu vermeiden, sollte man versuchen, in möglichst wenigen Sitzungen die Behandlung abzuschließen und beim provisorischen Verschluss auf absolute Dichtigkeit und Stabilität für die Dauer des Einsatzes achten.
Wurzelspitze und ihre OP
Professor Dr. Dr. Wolfgang Spitzer, Homburg/ Saar, kam die Aufgabe zu, die immer seltener auftretenden chirurgisch zu behandelnden Fälle zu beleuchten, wobei er ganz deutlich den Einsatz des Chirurgen hinter den des Endodontologen stellte. Er grenzte die Indikationen für die unterschiedlichen chirurgischen Zugänge zur Wurzelspitzenregion gegeneinander ab und stellte die modernen Hilfsmittel für endochirurgische Eingriffe, wie Ultraschall-Präparationsinstrumente, Mikroskop und Lupenbrille mit Fiberoptik vor.
Abschließend zeigte Dr. Frank Nothdurft, Homburg/Saar, in seinem Vortrag über die postendodontische Versorgung, wann im Zeitalter der Adhäsivtechnik überhaupt noch Wurzelstifte eingesetzt werden. Er stellte den Vorteil zahnfarbener Wurzelstifte gegenüber konventionellen Metallstiften heraus und präsentierte eine Studie, die zurzeit in der Abteilung für zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde durchgeführt wird, um die klinische Erfolgsrate konventionell zementierter Zirkonoxidstifte zu ermitteln.
Dieses Symposium war ein gelungener Auftakt für weitere Fortbildungstage dieser Art. Sie sollen zukünftig immer im Wechsel mit dem Saarländischen Zahnärztetag stattfinden. Am 18. September 2004 wird sich das Symposium dem Thema „Moderne Konzepte zur Versorgung von Einzelzahnlücken“ widmen.
Korrespondenzadresse:
Dr. Karin HuberUniversitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten,Abt. für Zahnerhaltung und Parodontologie,Gebäude 7366421 Homburgkarin.huber@uniklinik-saarland.de