Für alle Fälle
Kinder zeichnen sich durch Neugier aus, wollen alles ausprobieren, jeden Stuhl erklimmen, geschlossene Schubladen inspizieren. Doch bei gutem Trost sind blaue Flecken und Kratzer schnell vergessen, Tränen rasch getrocknet. Trifft der Ball die Scheibe, lässt sich der Schaden beheben. Anders, wenn der Sprößling unters Auto kommt oder nach einer Hirnhautentzündung mit einer Behinderung leben muss.
Vorgesorgt, abgefedert
Eine gute Vorsorge mit der richtigen Versicherung federt wenigstens in finanzieller Hinsicht die Folgen ab. Die Statistik zeigt zwar, das Risiko ist gering, dass ein Kind aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls schwer behindert wird: Von 6,6 Millionen schwer behinderten Menschen waren nur 0,02 Prozent Kinder im Alter unter vier Jahren und 1,6 Prozent 15 bis 18 Jahre jung. Dennoch bricht für Eltern und Kinder im Einzelfall die Welt zusammen. Jede Hilfe zählt.
Oft genug entscheidet die finanzielle Situation darüber, wie optimistisch Eltern und Kind dann noch in die Zukunft blicken. Bleibt eine dauernde Behinderung, vielleicht sogar lebenslang, benötigt die Familie fachliche Unterstützung und Betreuung. Insbesondere, wenn das Kind später keinen Beruf ausüben kann und einer lebenslangen finanziellen Unterstützung bedarf.
Schutz bei Invalidität
Eine Kinderinvaliditätsversicherung bietet gegen diese Risiken ausreichenden Schutz. Sie zahlt bei Krankheit und bei Unfall.
Die Vertreter der Assekuranz verkaufen gern eine Unfallpolice, weil die Schadensquote für die Versicherer deutlich günstiger ist und die Beiträge für die Eltern ebenfalls deutlich niedriger sind als für eine Invaliditätsversicherung. Allerdings zahlt diese nur, wenn das Kind bleibende Schäden aufgrund eines Unfalls davonträgt. Dieses Risiko aber ist das geringere.
Wichtiger ist die Absicherung gegen schwere Krankheitsfolgen. Die Invaliditätsversicherung zahlt eine lebenslange Rente, auch dann noch, wenn die Eltern nicht mehr für ihr Kind sorgen. Die gesetzliche Versorgung dagegen reicht bei weitem nicht für den angemessenen Lebensunterhalt eines behinderten Kindes.
Die Versicherungsgesellschaften zahlen nur, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Und in diesen unterscheiden sie sich – zum Teil erheblich! So nehmen einige die eigene Gliedertaxe der Unfallversicherung als Basis. Dabei handelt es sich um eine Skala, die den Grad der körperlichen Beeinträchtigung zeigt. Die meisten richten sich danach, wie die Versorgungsämter die Behinderung einschätzen. Die Werte beginnen bei 20 und steigern sich Schrittweise um je zehn Grad. 50 Grad der Behinderung(GdB) gelten als schwer. Ab dieser Grenze zahlen die meisten Versicherer.
Leider fällt es oft schwer, eine Behinderung einzuordnen. So gilt der Verlust eines Armes oder eines Beins als 100 GdB. Diabetes mellitus hingegen zählt bei Erwachsenen 40 GdB, bei Kindern 50, weil die Insulingabe schwieriger einzustellen ist.
Angeborene Krankheiten schließen die meisten Versicherer aus. Deshalb versichern sie erst ab dem ersten Lebensjahr, die Höchstgrenze liegt bei 18 Jahren. Nur die Westfälische Provinzial, die im Vergleich bei „Finanztest“ (12/2003) als zweitbester Anbieter abgeschnitten hat, beendet die Versicherung, sobald der Kunde 27 Jahre alt wird. Manche Versicherer schließen bestimmte Krankheiten aus und zahlen zum Beispiel nur bei Infektionskrankheiten. Ein querschnittgelähmtes Kind, das zur Schule gehen kann, bekäme dann keinen Cent.
Die Gesellschaften bieten an, entweder eine lebenslange Rente, eine einmalige Summe oder eine Kombination aus beidem zu zahlen. Für welche Form sich die Eltern entscheiden, sollten sie sich gut überlegen. Eine einmalige Summe reicht oft nicht bis ans Lebensende. Eine lebenslange Rente wird möglicherweise eingestellt, wenn die Krankheit im Laufe der Jahre verschwindet. Eine Kombination erweist sich vielleicht als günstiger: Dann steht zu Beginn eine größere Summe für eventuelle Umbauten oder Anschaffungen zur Verfügung und es bleiben genügend Reserven für eine Rente übrig.
Beim Abschluss des Vertrages fragt die Versicherung detailliert nach der Gesundheit von Sohn oder Tochter. Die Eltern sollten sich mit ihren Antworten strikt an die Wahrheit halten. Wer verschweigt oder beschönigt, riskiert seinen Anspruch auf Leistungen.
Die jährlichen Kosten für eine solche Versicherung liegen zum Beispiel für Mädchen und Jungen im Alter von ein bis vier Jahren bei der R+V bei 459 Euro. Die Westfälische Provinzial verlangt bis zum 18. Lebensjahr für Jungen 381 Euro und für Mädchen 332 Euro pro Jahr, danach erhöht sich der Beitrag um 20 Prozent.
Berufsunfähigkeit im Programm
Wenig hilfreich ist der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für Kinder. Diese Variante bietet die Axa-Versicherung auch über die Deutsche Ärzteversicherung an. Die Gesellschaft definiert nicht klar, ab welcher Behinderung sie zahlt. Es gilt eine Art Schulunfähigkeitsklausel. Außerdem zahlt sie die Rente nur bis zum 65 Lebensjahr – üblich ist eine lebenslange Rente. Zurzeit überarbeitet Axa das Angebot.
Für den Unfall
Preiswerter als die Invaliditätsversicherung gibt es den Unfallschutz. In diesem Fall deckt die Versicherung alle körperlichen Schäden ab, die ausschließlich durch einen Unfall verursacht worden sind. Kinder gelten als gefährdet, sobald sie sich auf zwei Beinen fortbewegen. Steigen sie aufs Fahrrad oder aufs Moped um, nimmt das Risiko sprunghaft zu. Zwar genießen Schüler automatisch einen Unfallschutz, doch der gilt nur auf dem Schulweg – wenn er ohne Umweg oder Pause eingehalten wird – und in der Schule. Aber die meisten Unfälle passieren in der hierbei nicht mitversicherten Freizeit. Deshalb lohnt sich der Abschluss einer Unfallpolice. Gute Anbieter, wie Asstel, NV, Baden-Badener, Europa oder Ostangler, sichern diese Risiken gegen einen Jahresbeitrag von weniger als 100 Euro ab. Beim Abschluss des Vertrages lohnt es sich darauf zu achten, welche Sportarten ausgeschlossen sind – das kann zum Beispiel Reiten, Bergsport oder Tauchen sein. Wird das Kind bei einem Unfall verletzt, zahlt die Versicherung abhängig vom Grad der Verletzung einmalig eine größere Summe.
Geld sparen Kunden, die auf Schnickschnack verzichten. Dazu gehören Krankentagegeld, Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld, Schmerzensgeld oder eine Kurkostenbeihilfe. Diese Schmankerl heben nur den Beitrag an.
Misstrauen lohnt sich auch bei dem Angebot einer Rückzahlung des Beitrags, falls kein Unfall passiert: Kaum eine Versicherung rückt die einmal kassierten Beiträge wieder heraus. In Wirklichkeit verbergen sich hinter einem solchen Angebot zwei Versicherungen: der Invaliditätsschutz und eine Kapitallebensversicherung. Für den Versicherten bedeutet dies, dass sein eigentliches Ansinnen – der Unfallschutz – zu kurz kommt. Der größte Teil des erhöhten Beitrags fließt in die Lebensversicherung. Zum einen lohnt sich die nur bei einer sehr langen Laufzeit, zum anderen darf der Kunde die ausgezahlten Überschüsse dann natürlich versteuern …
Die Stiftung Warentest empfiehlt den Abschluss eines Progressionstarifs. Wer also einen Vertrag über eine Grundsumme von 100 000 Euro abschließt, bekommt im Ernstfall je nach dem Grad der Behinderung ein Vielfaches dieses Betrags. Bei einer 100-prozentigen Invalidität sollten es 350 000 oder besser 500 000 Euro sein. Diese Summe wird fällig, falls der Kunde erblindet oder beide Hände nicht mehr gebrauchen kann.
Unfall und Rente gekoppelt
Als Ergänzung zur Unfallversicherung oder als zusätzlicher Schutz eignet sich eine Unfallrentenversicherung besonders für Kinder, die keine Invaliditätsversicherung haben. Nur so lässt sich die lebenslange finanzielle Versorgung sichern, falls das Kind bei einem Unfall eine bleibende Behinderung davonträgt.
Viele Gesellschaften bieten die beiden Produkte sowohl getrennt als auch als Kombination an. Günstige Angebote machen die Ostangler Versicherung, die Europa, die Baden-Badener, Cosmos direkt oder die WGV Schwäbische Allgemeine. Die Bedingungen entsprechen oft denen für die Unfallversicherung.
Zu den wichtigen Punkten, die bei der Entscheidung für oder gegen eine Versicherung eine Rolle spielen, gehört die Bewertung der verschiedenen Behinderungen. Viele Gesellschaften halten sich an die Musterbedingungen für die Unfallversicherung (Details hierzu siehe Kasten), andere stellen eigene Skalen auf. Stellt die Versicherung einen Grad der Behinderung von mindestens 50 fest, zahlt sie ab dem Zeitpunkt des Unfalls eine lebenslange Rente – unabhängig davon, ob der Betroffene später einen Beruf ausüben kann oder nicht. Die Rentenzahlung stoppt erst dann, wenn bei der alle drei Jahre fälligen ärztlichen Untersuchung eine Verbesserung der Behinderung auf weniger als 50 GdB festgestellt wird.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei Vertragsabschluss: gleich eine ausreichend hohe Rente vereinbaren – mindestens 1 000 Euro im Monat. Ein zudem möglicher Inflationsausgleich ist dann nicht so wichtig.
Haften – aber sicher
Der Schutz von Leib und Leben des Kindes steht selbstverständlich an erster Stelle. Eine Familienhaftpflichtversicherung gehört unbedingt zum Rundumschutz für den Nachwuchs dazu. Denn manchmal ist es angebracht, die Sprösslinge vor sich selber zu schützen, wenn sie kraftvoll durch die Gegend toben, ihnen die Kristallschüssel der Patentante aus der Hand rutscht und in tausend Stücke zerspringt oder bei den ersten Testfahrten mit dem neuen Fahrrad der Wagen des Nachbarn im Weg steht. Dann sind der Ärger groß und die Kosten hoch.
Die Haftplichtversicherung ersetzt die Ausgaben für Reparaturen und Ersatzleistungen. Vorausgesetzt, Mutter und Vater sind ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen. Hat der Nachwuchs das siebte Lebensjahr noch nicht erreicht, haben der Nachbar und die Tante in den Beispielen Pech gehabt. An die Kinder und an die Eltern haben sie keine Ansprüche: Bis zum siebten Lebensjahr haften Kinder nicht. Manche Versicherer zahlen aber auch dann, um des lieben Friedens willen. Verfügen die Eltern bereits über eine Police, sind die Kinder bis zum Abschluss der Ausbildung automatisch mit eingeschlossen. Wer dagegen als Single eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, sollte die Vertragsbedingungen prüfen. Denn darin ist Nachwuchs nicht immer inbegriffen.
Entdeckt die Tochter ihre Freude an Pferden, zeigt sich vielleicht der Großvater großzügig und schenkt ein Pony. Oder die Eltern erlauben den lang ersehnten Hund. Auch diese Risiken erfordern eine zusätzliche Absicherung.
Vor der Behandlung
Automatisch mitversichert ist der Nachwuchs in der gesetzlichen Krankenversicherung der Eltern. Wollen sie ihrem Sprössling etwas Gutes tun, schließen sie ein private Zusatzversicherung ab. Damit haben Eltern zum Beispiel die freie Wahl, in welcher Spezialklinik sie Sohn oder Tochter behandeln lassen wollen. Benötigen Kinder eine Brille, lohnt sich der Abschluss ebenfalls. Der Verschleiß der Sehhilfen steigt kongruent mit den Aktivitäten der Kleinen. Die privaten Versicherer zahlen Brillen und Kontaktlinsen zum großen Teil. Außerdem ersetzen sie die Kosten für den Heilpraktiker. Das freut besonders jene Eltern, die ihren Kindern gern chemische Keulen ersparen wollen. Außerdem gilt auch für kleine Privatpatienten: Sie bekommen schneller einen Termin beim Arzt und müssen sich nicht über lange Wartezeiten quälen.
Ausgaben für die Ausbildung
Wird ein Kind geboren, denken Eltern und vor allem auch Großeltern gleich in die Zukunft. Viele schließen schon kurz nach der Geburt eine Ausbildungsversicherung ab. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um eine Lebensversicherung mit einem festen Auszahlungstermin, zum Beispiel der 18. Geburtstag. Eltern oder Verwandte zahlen regelmäßig die Beiträge. Stirbt der Beitragszahler während der Laufzeit des Vertrages, springt die Versicherung ein und übernimmt die Prämien. Das Geld gibt es erst zum vereinbarten Zeitpunkt. Einen Teil des gesparten Kapitals zehren Abschlusskosten, Provision und Todesfallschutz auf. Zinsen gibt es dafür auch nicht. Deshalb lohnt es sich alle Mal, vor dem Abschluss einer Ausbildungsversicherung über bessere Alternativen, zum Beispiel einen Sparplan für Fonds oder – die noch kostengünstigere Variante – für Bundeswertpapiere, nachzudenken.
Was können Eltern sonst noch tun, um ihre Kinder rundum zu schützen? Absolut notwendig ist der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung des Hauptverdieners in der Familie. Nur dann ist die Versorgung gesichert, wenn Vater oder Mutter ihren Beruf wegen einer Krankheit oder den Folgen eines Unfalls aufgeben müssen. Jüngere Zahnärzte dürfen sich von der Höhe des Beitrags nicht abschrecken lassen.
Ernährer versichert, Zukunft gesichert
Weder die preisgünstigere Unfallnoch die Erwerbsunfähigkeitsversicherung kämen als Alternative in Frage. Erstere zahlt nur für Behinderungen aufgrund eines Unfalls und die zweite nur bei einer 100-prozentigen Behinderung. Allerdings tun beide Elternteile gut daran, eine Risikolebensversicherung abzuschließen. So sorgen sie gegen relativ niedrige Beiträge dafür, dass die Kinder im Katastrophenfall nicht auch ein finanzielles Desaster erleben.
Marlene Endruweit