Der Reiz der Herausforderung
Die gesundheitspolitische Situation im Gesundheitswesen stellt alle Beteiligten vor immer größere Herausforderungen. Veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen erfordern, dass auch Zahnärzte ihre Praxis verstärkt nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien führen.
Dem Zahnarzt wird zum Beispiel inzwischen als Unternehmer einiges abverlangt. Wachsende Anforderungen von Patienten an die Servicekompetenz des Praxispersonals sowie die zunehmende Delegation definierter Aufgabenfelder des Praxischefs an das Team verlangen eine effiziente Organisation. Das stellt seine Persönlichkeit in ein Spannungsfeld von Herausforderungen, die zum Teil außerhalb seiner spezifischen Ausbildung angesiedelt sind: tagtäglich das Team motivieren, ständig ein Auge auf Organisation und Abläufe haben, Vertrauen schaffen durch einen fairen und verantwortungsbewussten Umgang mit den Patienten und nicht zuletzt glaubwürdig kommunizieren.
Bleiben die einzelnen Anforderungen noch erfüllbar, so können sie doch in der Masse den Zahnarzt rasch überrollen und sich zu massiven Schwierigkeiten ausweiten. Entschlossenheit und Erfahrung bei der Problemlösung helfen, diese im Vorfeld zu erkennen und erfolgreich zu meistern.
Drei Wege – zwei ins Chaos, einer zum Erfolg
Im Umgang mit Problemen gibt es drei Grundeinstellungen.
• Die Devise „Probleme sind Chancen, an denen ich wachsen kann. Wenn ich kontinuierlich und zielstrebig an einer Lösung arbeite, werde ich das Problem in den Griff bekommen und mein Ziel erreichen!“, ist die eine.
• Oder der Betroffene sieht sich als – ebenso unschuldiges wie passives – Opfer und klagt: „Es läuft schlechter. Daran kann ich aber nichts ändern.“
• Oder der Betreffende denkt: „Es gibt kein Problem! Alles läuft bestens!“ Weil er das Problem ignoriert, sprechen Fachleute hier von „Problemblindheit“.
Diese Übersicht lässt es schon erahnen – einzig die erstgenannte Einstellung eignet sich dazu, Probleme zu lösen. So denken die Erfolgreichen.
Der erste Wink
Unzufriedenheit und Not gelten allgemein als der Beginn von Veränderungen. Unzufriedenheit verstärkt sich, wenn weitere Konflikte hinzukommen oder das Ziel wiederholt verfehlt wurde. Sie weitet sich erst durch Dauerhaftigkeit und Häufigkeit zu einem greifbaren Problem aus. Da Probleme immer auch Chancen zur Veränderung darstellen, kann Unzufriedenheit hier als (ein erster) Indikator angesehen werden – sei es nun die eigene zum Beispiel mit der Arbeitsüberlastung oder die eines unmotivierten Teams oder unzufriedener Patienten mit dem eigenen Verhalten. Dann allerdings ist es höchste Zeit, aktiv und entschlossen zu handeln.
Um als Zahnarzt erfolgreich arbeiten zu können, braucht der Praxischef motivierte und „eigenverantwortlich“ arbeitende Mitarbeiter. Entsprechend qualifiziertes Personal dauerhaft an die Praxis zu binden, stellt jedoch gleichzeitig eine große Herausforderung dar. Beständige Eigenverantwortung und -initiative der Mitarbeiterinnen sind nur zu realisieren, wenn sie ständig weitergebildet und somit auf neue Aufgaben vorbereitet werden. Mitarbeiterentwicklung und Praxiserfolg gehen also Hand in Hand. Denn ob es sich um die Patientenkommunikation in Form von Beratungsgesprächen, das Anbieten und die Durchführung der Prophylaxe oder den serviceorientierten Umgang mit dem Patienten am Telefon handelt – durch regelmäßiges Hinzulernen werden aus Mitarbeiterinnen wertvolle Teamkräfte, die motiviert ihrer Arbeit nachgehen. Aufgabe des Zahnarztes als Chef ist es, die einzelnen Mitarbeiterinnen zu fordern und zu fördern.
Willkür erzeugt Chaos
Zugleich fordert der Praxisbetrieb den Zahnarzt als Berater, Dienstleister, Controller. Zwar kann er einzelne dieser Aufgaben an kompetente Mitarbeiterinnen übertragen, sollte diese jedoch hin und wieder kontrollieren, um sich von der Effizienz zu überzeugen.
Ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Eigencontrolling erfordert dagegen die Behandlung der Patienten, die der Zahnarzt nicht delegieren kann. Ein weit verbreiteter Fehler ist es, Behandlungen, deren Notwendigkeit erst im Verlauf des Untersuchungstermins erkannt wird, noch „eben mal schnell“ innerhalb dieses Termins durchzuführen. Das erspart zwar diesem Patienten einen zweiten Behandlungstermin, programmiert jedoch für den weiteren Tagesplan Nöte vor: die Wartezeiten für die nächsten Patienten verschieben sich, der moralische Druck für die Rezeptionistin und der zeitliche für alle Beteiligten wächst – und mit diesem die Unzufriedenheit. Einmal Willkür – und sei sie noch so gut gemeint – stürzt alle ins Chaos …
Erfahrene Organisatoren raten, den eigenen Biorhythmus als Grundlage für das Bestellsystem und damit auch für den Praxisablauf zu wählen, um die maximale Motivation und Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Und sich daran zu halten.
Vertrauen und Kommunikation
Für eine dauerhafte erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Patienten ist eine solide Vertrauensbasis unab- dingbar. Diese kann nur geschaffen werden, wenn es der Praxis gelingt, den Patienten durch gelebte Werte emotional von ihrer fachlichen und menschlichen Kompetenz zu überzeugen. Umfassende Beratung, die sich an den Wünschen und Bedürfnissen des Patienten orientiert, genügend Zeit für die Beratung und Behandlung des Patienten sowie absolute Transparenz bei der Abrechnung zahnärztlicher Leistungen sind die Grundlagen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. Angesichts negativer Medienberichte über unlautere Geschäftspraktiken einzelner Kollegen, die den gesamten Berufsstand in Misskredit bringen, ist jeder Zahnarztpraxis eine glaubwürdige Presseund Öffentlichkeitsarbeit zu empfehlen, die sachlich über die Praxisphilosophie, ihr Team und ihre Arbeit informiert.
Der Ariadnefaden …
Diese Darstellung der aktuellen Herausforderungen für den Zahnarzt ist freilich recht skizzenhaft und bedarf im Einzelfall einer konkreten Erforschung. Folgende Leitfragen erweisen sich hierbei als nützlich:
• Womit bin ich/sind andere unzufrieden?
• Wo gab es in der Vergangenheit wiederholt Probleme?
• Wo könnten künftig Probleme auftreten?
• Was soll anders werden?
• Wie könnte ich die aktuelle Situation verbessern?
Die Vergangenheit und die Zukunft in die Problemfindung mit einzubeziehen erweist sich strategisch als äußerst wertvoll: Wer aus vergangenen Problemen lernt, wird schneller zu einer Lösung gelangen. Wer mit Weitblick für die Zukunft nach Problemen Ausschau hält (ohne sich eine rein problemorientierte Sichtweise anzueignen, die der Motivation abträglich ist!) kann Probleme meistern, bevor sie entstehen.
… zur Vision
Bei der Lösung von Problemen entwickeln Visionen und Ziele ein unglaubliches motivatorisches Potenzial. Sind die Leitfragen zur Problemfindung beantwortet, fällt es leicht, die Ziele zu benennen. Mögliche Ziele des Zahnarztes könnten sein:
• den betriebswirtschaftlichen Gewinn steigern
• mehr zufriedene Patienten
• ein motiviertes, „eigenverantwortlich“ arbeitendes Praxisteam
• berufliche Selbstverwirklichung
• mehr Freizeit.
Damit das Ziel auch erreicht werden kann, sollte er es realistisch, messbar, positiv formulieren – und mit einem Termin versehen. Das gewährleistet, dass an dem bestimmten Zeitpunkt kontrolliert werden kann, wie nahe das Ziel gerückt ist.
Der Ursache auf der Spur
Im nächsten Schritt sollte der aktuelle ISTZustand ermittelt werden – idealerweise durch eine komplette Analyse der externen und internen Praxisdaten, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten. Auf diesem Ergebnis kann der Lösungsansatz fußen. Hilfreich für den Zahnarzt ist es hier, eine eigene Checkliste der Veränderungsmöglichkeiten zu erstellen, die folgende Handlungsfelder für seine Praxis umfasst:
• Ausstattung
• Team
• Beratung
• Bestellsystem
• Kommunikation nach außen, etwa PR.
Oftmals ergibt die Auswertung des IST-Zustandes bereits erste Lösungsansätze. Wird zum Beispiel im Vergleich zu anderen Praxen eine ungewöhnlich große Zurückhaltung der Patienten bei zuzahlungspflichtigen Leistungen deutlich, kann es sich lohnen die Mitarbeiterinnen vermehrt für Beratungsgespräche zu schulen.
Der Zahnarzt kommt nicht umhin, sich den aktuellen ökonomischen Herausforderungen zu stellen. Dabei wäre völliges Ignorieren ebenso abträglich wie die reine Orientierung auf das Problem aus Sicht des Opfers nach dem Motto „Die anderen sind verantwortlich“. Erfolg hat der Zahnarzt, der sein gesamtes kreatives und produktives Potenzial dazu nutzt, sein Potenzial zur Problemlösung zu aktivieren, neue Wege zu entwickeln. Und diese konsequent beschreitet. Er braucht dafür eine Auszeit – und sei es nur eine „Stille Stunde“ pro Woche – um sich die nötigen Freiräume zu schaffen. Nur auf diese Weise wird er langfristig in der Lage sein, sich zudem mit den zwischenmenschlichen und betriebswirtschaftlichen Herausforderungen in der Praxis zu befassen.
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