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Diabetes - mikrovaskuläre Komplikationen

Diabetiker sind in erster Linie durch Komplikationen der Stoffwechselerkrankung gefährdet. Denn die Hyperglykämie beeinträchtigt die Gefäße in erheblichem Maße. Neben den makrovaskulären Komplikationen treten auch mikrovaskuläre Schäden auf, die zur Erblindung führen und Amputationen sowie die Notwendigkeit einer Dialyse nach sich ziehen können.

Dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel gefährden nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Blutgefäße. Daher kommt es bei Diabetikern in der Folge häufig zu Veränderungen im Bereich der Augen, der Nerven und der Nieren und damit zur diabetischen Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie. Diese Folgeerkrankungen des Diabetes gehen mit einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität der Betroffenen einher, bei entsprechend schwerer Ausprägung auch mit einer deutlich erhöhten Mortalität. Diese durch eine strikte Blutzuckereinstellung abzuwenden, ist eines der zentralen Ziele der modernen Diabetestherapie.

Retinopathie

Eine der häufigsten mikrovaskulären Folgeerkrankungen des Diabetes ist die Retinopathie. Bei den Typ 2-Diabetikern leiden bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung zehn bis 15 Prozent an dieser Augenschädigung. Generell gilt, dass nach etwa fünfjähriger Diabetesdauer 20 bis 25 Prozent der Diabetiker betroffen sind. Nach 15- bis 20- jähriger Diabeteserkrankung hat jeder zweite Typ 2-Diabetiker eine Retinopathie, wobei fünf bis zehn Prozent der Patienten an der proliferativen Krankheitsform leiden.

Wie ernst die Krankheitskomplikation zu nehmen ist, zeigt die Tatsache, dass die diabetische Retinopathie die häufigste Ursache für Erblindungen im Erwachsenenalter darstellt. Weltweit leiden den Schätzungen zufolge rund 50 Millionen Menschen an dieser Erkrankung.

Verschiedene Krankheitsformen

Je nach Netzhautbefund werden verschiedene Krankheitsformen unterschieden, und zwar die nicht proliferative Form, bei der es zu Gefäßveränderungen in der Netzhaut kommt und die proliferative Form, bei der auch Gefäßneubildungen zu beobachten sind.

Die nicht proliferative diabetische Retinopathie

Charakteristisch für die nicht proliferative diabetische Retinopathie sind die Bildung von Mikroaneurysmen der Netzhautgefäße sowie intraretinale Blutungen. Es kommt ferner zu Ablagerungen in der Netzhaut und zu einer eingeschränkten Durchblutung. Im Bereich der Venen treten perlschnurartige Wandveränderungen auf. Sind nur einzelne Mikroaneurysmen zu sehen, so liegt ein mildes Krankheitsstadium vor. Bei zunehmender Zahl der Gefäßanomalien und Auftreten intraretinaler Blutungen ist von einem moderaten und schließlich von einem schweren Krankheitsstadium auszugehen.

Die proliferative Retinopathie

Typisch für die proliferative Retinopathie ist die Neovaskularisation, mit der der Organismus offenbar der schlechten Durchblutungssituation entgegenzuwirken versucht. Durch die Gefäßneubildungen und einsprossende Bindegewebszellen können sich aber Traktionen bilden, und es wird Netzhautablösungen Vorschub geleistet.

Risikofaktoren der Retinopathie

Gefördert wird die diabetische Retinopathie durch eine Hyperglykämie. Denn ein dauerhaft erhöhter Blutzucker provoziert zellbiochemische Veränderungen, die schließlich zu Netzhautschädigungen führen. Umgekehrt kann eine strikte Blutzuckereinstellung die Gefahr von Augenhintergrundveränderungen erheblich mindern. Ein weiterer Risikofaktor ist eine Hypertonie, wobei wahrscheinlich vor allem der systolische Bluthochdruck die Entstehung von Augenhintergrundveränderungen triggert, während ein hoher diastolischer Blutdruck eher für deren Progression verantwortlich zeichnet. Nicht eindeutig gesichert ist, ob auch andere Risikofaktoren für makrovaskuläre Folgeschäden, wie eine Dyslipoproteinämie oder Nikotinabusus, die Entwicklung mikrovaskulärer Komplikationen fördern.

Makulopathie

Neben der diabetischen Retinopathie droht Diabetikern auch die diabetische Makulopathie, eine Störung im Bereich der Macula lutea, dem gelben Fleck, in dem Ödeme, das so genannte Makulaödem, auftreten. Es beruht auf Störungen der Blut-Retina-Schranke und einer erhöhten Gefäßpermeabilität. Durch das Makulaödem resultiert eine Verdickung der Netzhaut um die Fovea centralis, die Region des schärfsten Sehens. Es kommt darüber hinaus zu Ablagerungen und nicht zuletzt auch dadurch bedingt zu Visuseinschränkungen vor allem im zentralen Gesichtsfeld.

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen

Sowohl die diabetische Retinopathie wie auch das Makulaödem verlaufen oftmals viele Jahre klinisch stumm. Erst im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Beeinträchtigung des Sehvermögens, zum fortschreitenden Sehverlust und bei zwei Prozent der Patienten schließlich zur Erblindung.

Regelmäßige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen sind deshalb bei Diabetikern unerlässlich, um eine frühzeitige Diagnosestellung zu sichern und durch entsprechende therapeutische Maßnahmen, wie eine besonders strikte Blutdruckeinstellung der Progression der Veränderungen, und damit letztlich der Erblindung, entgegenzuwirken. Ferner kann eine Laserbehandlung zur Koagulation von Gefäßveränderungen indiziert sein. Bei fortgeschrittener Retinopathie wird nicht selten eine Entfernung des Glaskörpers vorgenommen. Die Vitrektomie kann notwendig werden bei Einblutungen in den Glaskörper oder bei einer Netzhautablösung.

Unabhängig davon arbeiten Forscher an der Entwicklung von Wirkstoffen, die durch Hemmung von Schlüsselenzymen, wie der Proteinkinase C, den Zusammenbruch der Blut-Retina-Schranke und auch die retinale Neovaskularisation verhindern sollen.

Neuropathie

Etwa jeder dritte Diabetiker entwickelt im Verlauf seiner Erkrankung eine Schädigung des Nervensystems, die diabetische Neuropathie, wobei jedoch die konkreten Grundlagen der Schädigung noch nicht genau bekannt sind. Diskutiert werden immunologische Ursachen und die Bildung von Autoantikörpern, inflammatorische Prozesse sowie ein gestörter Neurotrophismus durch einen Mangel des Nerven-Wachstumsfaktors (Nerve Growth Factor).

Periphere Neuropathie

Die häufigste Form der diabetischen Neuropathie ist die symmetrische sensomotorische periphere Polyneuropathie. Typische Beschwerden der Patienten sind sensible Störungen, wie Missempfindungen, Kribbeln, Brennen, Taubheitsgefühle sowie Krämpfe und Schmerzen in den Füßen und Beinen. Es kommt ferner zu Parästhesien sowie zu einem eingeschränkten Schmerzund Temperaturempfinden im Bereich der Zehen und später der Füße sowie der Beine, sowie zu Störungen der Schweißregulation, damit zu einer trockenen Haut und zu Hyperkeratosen sowie Ulzerationen bei Druckbelastung.

Als erhebliche Gefahr gilt die Entwicklung eines „diabetischen Fußes“ als weitere Diabeteskomplikation. Sie ist besonders gefürchtet, da die Ulzerationen in aller Regel schlecht abheilen. So zeichnet der diabetische Fuß in Deutschland jährlich für rund 28 000 Amputationen im Bereich der unteren Extremität bei Diabetikern verantwortlich.

Diagnostizieren lässt sich die periphere Neuropathie mittels einer neurologischen Untersuchung sowie mit verschiedenen Testverfahren, die die Schmerzempfindlichkeit (wie Berührung mit einem Zahnstocher) überprüfen, die Berührungsempfindlichkeit (Berühren mit einem Wattebausch) sowie die Vibrationsempfindlichkeit (Berühren mit einer aktivierten Stimmgabel) und die Temperaturempfindlichkeit.

Autonome Neuropathie

Neben der peripheren Polyneuropathie können nervale Schädigungen auch im Bereich des autonomen Nervensystems auftreten und mit Störungen in verschiedenen Organen einher gehen. Besonders häufig ist der kardiovaskuläre Bereich betroffen, wobei es zu Veränderungen der Herzfrequenz kommt und die Herzschlagfolge nur unzureichend an Belastungssituationen angepasst wird. Durch das eingeschränkte Schmerzerleben drohen außerdem stumme Myokardischämien, und ein stummer Myokardinfarkt ist nicht selten.

Auch das gastrointestinale System ist nicht selten in Mitleidenschaft gezogen. Es droht dann eine verminderte Peristaltik sowie eine gastroösophageale Refluxkrankheit, eine Gastroparese und schließlich die Obstipation. Dadurch, dass die Nahrung infolge der Gastroparese oft stundenlang im Magen liegen bleibt, wird auch die medikamentöse Diabeteseinstellung nicht unerheblich beeinträchtigt. Hypoglykämien, die unter Umständen vom Patienten aber kaum bemerkt werden, sind nicht selten, gerade dann, wenn auch das Hormonsystem von der Neuropathie betroffen ist. Dann fehlen oftmals typische Symptome der Hypoglykämie, wie Schweißausbrüche oder innere Unruhe.

Tritt die autonome Neuropathie im Urogenitaltrakt auf, so sind Blasenentleerungsstörungen und erektile Dysfunktion nicht selten die Folge.

Limitierte Therapiemöglichkeiten

Die Behandlungsmöglichkeiten der diabetischen Neuropathie sind limitiert, was mit ein Grund für Forderungen nach einer vorsorglich strikten Blutzuckereinstellung mit möglichst normnahen Blutzuckerwerten ist. Treten Auffälligkeiten auf, so muss die Diabeteseinstellung intensiviert werden, denn eine strikte Blutzuckerkontrolle gilt zumindest bei der autonomen Neuropathie praktisch als einzige wirkungsvolle Therapieoption und zugleich als beste Prophylaxe.

Bei der sensomotorischen peripheren Neuropathie ist ferner eine symptomatische Behandlung indiziert, wobei Analgetika und auch andere Wirkstoffe, wie Antiepileptika und auch Antidepressiva, zum Einsatz kommen. So kann beispielsweise der Wirkstoff Duloxetin, ein Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, der bei der Behandlung der Depression und der Belastungsinkontinenz eingesetzt wird, Studien zufolge auch bei der diabetischen Neuropathie indiziert sein.

Hilfreich ist zusätzlich ein Behandlungsversuch mit Alpha-Liponsäure. Speziell bei der Schmerztherapie sind oft gute Ergebnisse durch den Wirkstoff Pregabalin zu erzielen, der sich in der Behandlung der Epilepsie bewährt hat. Außerdem sind gute Effekte durch Verfahren der physikalischen Therapie beschrieben, zum Beispiel durch eine Balneotherapie oder eine Elektrostimulation.

Ähnlich wie bei der diabetischen Retinopathie spielt auch bei der Pathogenese der diabetischen Neuropathie wahrscheinlich die Aktivierung bestimmter Isoformen des Enzyms Proteinkinase C eine wesentliche Rolle. Auch bei dieser Folgekomplikation des Diabetes wird deshalb nach neuen Behandlungsmöglichkeiten durch Hemmstoffe des Enzyms gesucht. Es gibt erste Hinweise, dass sich mit solchen Inhibitoren, wie dem Wirkstoff Ruboxistaurin, die weitere Progression stoppen und möglicherweise sogar eine Erholung der geschädigten Nerven induzieren lässt.

Dem diabetischen Fuß entgegenwirken

Davon unabhängig muss bei bereits manifester Neuropathie alles daran gesetzt werden, das Auftreten von Ulzerationen im Sinne eines diabetischen Fußes zu verhindern. Die Gefahr für eine solche Komplikation, die oft auf dem Boden einer sensiblen, motorischen und autonomen Polyneuropathie entsteht, steigt erheblich, wenn gleichzeitig eine periphere arterielle Durchblutungsstörung vorliegt, was allerdings bei vielen Diabetikern der Fall ist. Die tägliche Kontrolle der Füße sowie regelmäßige Fußinspektionen durch den behandelnden Arzt sind deshalb ein Muss für jeden Diabetiker mit peripherer Neuropathie.

Es gibt gute Möglichkeiten, dem diabetischen Fuß vorzubeugen. Wichtig ist, dass Verletzungen und druckbedingte Schädigungen möglichst verhindert werden. Diabetiker sollten deshalb nicht barfuß gehen und größte Sorgfalt auf die Wahl gut passenden Schuhwerks legen. Auch das Geschmeidighalten der Fußhaut ist ein wichtiger Faktor, der mit Ölbädern und entsprechenden Salben erreicht werden kann.

Nephropathie

Neben den Augen und den Nerven sind vor allem die Nieren durch mikrovaskuläre Veränderungen beim Diabetes mellitus gefährdet. Typ-1-Diabetiker und ebenso Typ 2-Diabetiker, bei denen sich die Stoffwechselerkrankung bereits in vergleichsweise jungen Jahren manifestiert, entwickeln in vier von zehn Fällen Nierenschäden, die diabetische Nephropathie. Bei fortschreitender Erkrankung droht ihnen das terminale Nierenversagen, wobei der Diabetes mellitus die häufigste Ursache für die Notwendigkeit einer Dialysebehandlung ist.

Klinisches Zeichen der Nephropathie ist die Proteinausscheidung über die Nieren. Sie lässt sich durch Schnelltests leicht nachweisen. Bei einer Proteinausscheidung über 20 mg/l Albumin liegt eine Mikroalbuminurie vor. In diesem Fall ist von einer beginnenden Nephropathie auszugehen. Liegt die Proteinausscheidung bei mehr als 200mg/l, so handelt es sich um eine Makroalbuminurie und eine manifeste diabetische Nephropathie mit nicht mehr reversiblen Nierenschädigungen. Eine Nephropathie gilt dann als nachgewiesen, wenn nach pathologischem Screeningtest zweimal im Abstand von zwei bis vier Wochen eindeutig erhöhte Albuminausscheidungen im 24-Stunden-Urin dokumentiert wurden.

Strikte Blutzucker- und Blutdruckkontrolle

Ebenso wie bei der diabetischen Retinopathie ist das Fortschreiten der Nephropathie unmittelbar von der Qualität der Blutzuckereinstellung und auch von der Blutdruckeinstellung abhängig. Es sind deshalb regelmäßige Kontrolluntersuchungen nicht nur hinsichtlich des Blutzuckers, sondern auch beim Blutdruck und bei der Proteinausscheidung indiziert.

Zeigen sich Auffälligkeiten bei der Nierenfunktion, so ist eine noch konsequentere Einstellung des Blutzuckers und des Blutdrucks erforderlich: Es ist dabei entsprechend der derzeitigen Empfehlungen der Fachgesellschaften ein HbA1c-Werte unter 6,5 Prozent anzustreben und ein Blutdruckwert unter 130/80 mmHg. Das entspricht einer sogar deutlich strengeren Blutdruckeinstellung als sie in den aktuellen Therapierichtlinien bei Hypertonikern gefordert wird. Für bestimmte Antihypertensiva, wie die ACE-Hemmer und die Angiotensin-IIAntagonisten, wurden zudem blutdruckunabhängige nephroprotektive Effekte beschrieben, weshalb diese Substanzen zum Teil auch bereits bei Diabetikern ohne erhöhten Blutdruck zur Vorbeugung der diabetischen Nephropathie verordnet werden. Lässt sich mit allgemeinen Maßnahmen und einer strikten Blutzucker- und Blutdruckkontrolle die Nierenfunktion nicht erhalten, so droht bei der diabetischen Nephropathie als ultima ratio die Dialysebehandlung oder letztendlich die Nierentransplantation.

Die Autorin der Rubrik „Repetitorium“ist gerne bereit, Fragen zu ihren Beiträgenzu beantworten

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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