Ingolstadt: Heilkunde in allen Facetten
Schon das Gebäude selbst steht für eine wichtige Entwicklung der Medizingeschichte Europas: Als 1472 in Ingolstadt die erste bayerische Landesuniversität gegründet wurde, lehrte man die Medizin noch aus Büchern. Erst Renaissance und Aufklärung brachten das Experiment und einen breiteren Fächerkatalog in Forschung und Lehre, so dass im frühen 18. Jahrhundert ein neues Lehrgebäude errichtet werden musste, das heutige Museum. Mitsamt seinem Garten für die Heilpflanzen hat sich das Gebäude bis heute den Charme einer Orangerie bewahrt. Damals stand das lichtdurchflutete „Theatrum anatomicum“ im Mittelpunkt, um das sich unter anderem das „Laboratorium chymicum“ oder das „Collegium experimentale physicum“ als eher dunkle Räume gruppierten. Auch ein „Observatorium“ oder eine „Specula astronomica“ fehlten nicht. Nach einer wechselvollen Geschichte, in deren Verlauf die „Alte Anatomie“ nach ihren repräsentativen Anfängen sogar als Bauernhof genutzt wurde, zeigt sich das Gebäude heute wieder im alten Glanz.
Mit einer reichen Sammlung von Gegenständen zur Heilkunde verschiedener Kulturkreise und zu den diversen Spezialgebieten lockt es den Besucher. So wird die Geschichte der Medizin von der Antike bis zur Gegenwart mit Objekten, Amputationssägen, Kugelbohrern und Brenneisen aus den einstigen Hochkulturen Ägypten, China, Rom und Griechenland dem Besucher nahegebracht.
Spezielle Disziplinen
Gewisse Spezialdisziplinen, wie die Augen-, Frauen-, Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, sowie die Homöophatie werden genauer dargestellt. Der Zahnheilkunde ist dabei im Vergleich zur Medizin zwar nur relativ wenig Raum gewidmet, doch technische Neuerungen, zum Beispiel die sich aus dem Spinnrad entwickelte Tretbohrmaschine, und andere Produkte sind im Museum zu sehen. Eine große Kollektion an Instrumenten zur Zahnhygiene, Kariesbehandlung, Chirurgie und Beispiele für die frühe Prothetik sind ausgestellt. So auch der so genannte „Überwurf“, ein Instrument aus Eisen und Weichholz bestehend, zum Zähneziehen. Auch der Eindruck einer Zahnarztpraxis des 19. Jahrhunderts wird mittels eines kleinen Ensembles aus altem Zahnarztstuhl, Bohrmaschine und Schrank vermittelt. Nicht fehlen darf die Heilige Apollonia, die Schutzpatronin der Zahnärzte. Hier im Museum ist die barocke Darstellung mit Marterwerkzeug und Märtyrer-Palme zu bewundern.
Auch lohnt es sich, das barocke Deckenfresko im ehemaligen anatomischen Hörsaal genauer zu betrachten, denn in ihm sind die Lehrmittel der Anatomie sowie Bildtafeln als auch Präparate zu sehen.
Dr. Wibke Knöner
Tiergartenstraße 29, 30559 Hannover
Die Autorin ist Mitglied im Arbeitskreis Geschichte der Zahnheilkunde der DGZMK, einem freiwilligen Zusammenschluss von Zahnärzten und Wissenschaftlern, die sich mit der Geschichte der Zahnheilkunde beschäftigen. Weitere Interessenten sind willkommen.
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