Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
als „eine der schöneren Nächte” bezeichnete Horst Seehofer jene Juli-Nacht 2003, in der er nach einer Marathonsitzung zusammen mit Ulla Schmidt und den Grünen Eckpunkte einer neuen Gesundheitsreform auf den Tisch legte. Was damals als der große Wurf verkauft wurde, hat keine drei Jahre gehalten. Diesmal musste sich Kanzlerin Angela Merkel mit Kurt Beck und Edmund Stoiber eine – wohl nicht so schöne – zehnstündige Nacht um die Ohren schlagen, um am Morgen des 3. Juli wiederum mit Eckpunkten zur Gesundheitsreform aufzuwarten. Was als wirklicher Durchbruch und grundlegende Reform angekündigt war, entpuppt sich nun als Reförmchen auf kleinstem politischen Koalitions-Nenner.
Von einem versprochenen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen sind die Pläne weit entfernt. Man wird mit Sorge betrachten müssen, welche Auswirkungen das Ganze auf alle Beteiligten im Gesundheitswesen haben wird. Zurzeit fehlen klare Konzepte und nachhaltige Lösungen. Es scheint sich abzuzeichnen, dass durch noch mehr Elemente von Verstaatlichung der Entmündigung der Patienten und ihrer Behandler Vorschub geleistet wird.
Das steht ganz im Gegensatz zu den Ansätzen der letzten Jahre, den Patienten und seine Belange verstärkt in den Mittelpunkt zu stellen. Shared Decision Making beziehungsweise Partizipative Entscheidungsfindung sind Konzepte, um einen echten Paradigmenwechsel in der Arzt-/Patientenbeziehung einzuleiten. Das Ganze geht aus von der Idee eines mündigen, kompetenten und eigenverantwortlich entscheidenden Patienten, der in partnerschaftlichem Verhältnis zu seinem Arzt steht. Eine Chance, eine neue Rolle und ein neuer Weg für beide Seiten. Vor allem in der Zahnmedizin sind die Weichen hin zu mehr Wahlfreiheit und einem souveränen Arzt-/Patientenverhältnis gestellt worden.
Die geplante Reform wird sich nicht zuletzt auch daran messen lassen müssen, inwieweit diese Errungenschaften Bestand haben oder gar ausgebaut werden können. Dann wird sich zeigen, ob das zähe Ringen in der Nacht zum 3. Juli auch ein Durchbruch war.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele PrchalaChefin vom Dienst