Ziel verfehlt
Für sie ändert der Kompromiss der Gesundheitsminister wenig, kritisiert die Bundesärztekammer (BÄK): die rund eine Million Beschäftigten in der Gastronomiebranche. Ihnen bleibe durch die Ausnahmeregelung auch nach dem Nichtraucherschutzgipfel im Februar das Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz verwehrt. Ein absolutes Verbot soll nach dem Willen der Ländervertreter nur in Diskos, Theatern, Kinos, Museen, Bildungsund Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie öffentlichen Verwaltungsgebäuden gelten. Nicht genug, findet BÄKPräsident, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe.
Potenziell tödlich
In Deutschland greift jeder Dritte regelmäßig zur Kippe. Jährlich sterben nach Angaben der Deutschen Krebshilfe 140 000 Menschen an den Folgen des Rauchens; 3 300 Tode gehen auf das Konto des Passivrauchens. Zahlen, die für Hoppe ein konsequentes Tabakverbot nicht nur in öffentlichen Räumen, sondern auch in Restaurants, Bars und Kneipen unverzichtbar machen. „Passivrauchen ist potenziell tödlich. Wer jetzt noch zögert, ein konsequentes Rauchverbot zu erlassen, handelt grob fahrlässig“, warnt der Ärztepräsident in einer Pressemitteilung.
Dabei ließe sich die Gesundheitsgefahr, die von dem krebserregenden Tabakqualm ausgeht, mit einem Schlag ausschalten, heißt es in dem Statement weiter. Der Bund müsste dafür nur die Arbeitsstättenverordnung ändern. Diese schützt momentan nur Beschäftigte, die nicht in „Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr“ tätig sind. Für Hoppe ein Widerspruch, denn seiner Meinung nach ist „der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz unteilbar“.
Über eine Änderung der Verordnung sprachen auch die Minister in Hannover. Nach ihrem Treffen gaben sie einen entsprechenden Antrag beim Bund in Arbeit. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt kündigte bereits eine Erweiterung an. Demnach sollen Arbeitgeber, soweit erforderlich, für ihre Betriebe ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot erlassen können. Ob damit die Gesundheitsgefahr für den Ober im Restaurant um die Ecke gebannt ist, bleibt fraglich. Schließlich scheiterte schon die freiwillige Selbstverpflichtung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, genügend Nichtraucherplätze anzubieten. Nur elf Prozent der insgesamt 240 000 Speiselokale sorgten laut einer Studie der Verbraucherzentralen dafür.
Inkonsequente Lösung
Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) empfindet den Länderkompromiss zum Nichtraucherschutz in seiner jetzigen Form als inkonsequent. „Die beschlossenen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Mitarbeiter in der Gastronomie angemessen zu schützen“, sagte BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich. Ohnehin genügten Verbote nicht, um die Gefahren des Tabakkonsums für die allgemeine und speziell die Mundgesundheit zu reduzieren, fügte erhinzu. Um wirkliche Fortschritte zu erzielen, müsse mehr im Bereich der Raucherentwöhnung getan werden, mahnte Oesterreich. Die BZÄK leiste ihren Beitrag dazu: „Wir entwickeln momentan in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum Informationsbroschüren, die den Zahnärzten dabei helfen sollen, sich noch intensiver in die Raucherentwöhnung einzuschalten.“ Auch für Patienten sind zusätzliche Informationsangebote geplant.
Schlusslicht in Europa
Im europäischen Vergleich gehört Deutschland zu den Schlusslichtern, was den Nichtraucherschutz angeht. Die Reaktion von EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou auf die Entscheidung der Bundesländer fiel gemischt aus. „Ein komplettes Rauchverbot ohne Ausnahmen ist die Lösung, die den effektivsten Gesundheitsschutz bietet, die meisten Anhänger hat und am einfachsten durchzusetzen ist“, erklärte er in der „Bild am Sonntag“. Gleichzeitig, betonte Kyprianou, habe er Verständnis dafür, „dass manche Mitgliedstaaten lieber schrittweise vorgehen. Dies ist in Ordnung, so lange wir das Ziel im Auge behalten, ein rauchfreies Europa zu schaffen.“
Andere Staaten sind Deutschland auf diesem Weg weit voraus: Irland erließ zum Beispiel schon im Jahr 2004 ein weitreichendes Rauchverbot. Strenge Regeln herrschen auch in Italien. Dort müssen Wirte mit empfindlichen Geldstrafen rechnen, wenn sie Zigaretten und Co in ihrem Lokal erlauben. Schlimmstenfalls können sie sogar ihre Konzession verlieren.