Der „Clinical Prosthodontic Educators Workshop
Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe statt. Junge Ausbilder im Fach Prothetik und erfahrene Referenten kamen in Karlsruhe zusammen, um über den aktuellen Stand der evidenzbasierten zahnärztlichen Therapieplanung zu diskutieren. Die Einladung war von Prof. Zarb, Toronto, und Prof. Heners (†), Karlsruhe, ausgesprochen worden. Prof. Zarb leitet eine der wichtigsten internationalen Fachzeitschriften für Prothetik, das International Journal of Prosthodontics, die diesen Workshop zusammen mit der Akademie Karlsruhe ausrichtete.
So kommt die Wissenschaft in der Lehre an
Eine internationale Zeitschrift soll nach der Vorstellung von Prof. Zarb ein lebendiges Forum sein, in dem nicht nur neue Erkenntnisse verkündet werden, sondern auch die Anwendung wissenschaftlicher Feststellungen in Lehre und Praxis diskutiert wird. So entstand der Plan, Wissenschaftler des Editorial Boards und junge prothetische Ausbilder aus aller Welt zu einem gemeinsamen Projekt zu vereinen. Als Prof. Michael Heners aus Karlsruhe sich im November 2005 zu Gastvorlesungen in Toronto aufhielt, wurde das Vorhaben beschlossen. Als Ort der Veranstaltung kam nur die Akademie Karlsruhe in Frage, da hier das professionelle Know-how für die Durchführung eines internationalen Workshops vorhanden war.
Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis
15 Referenten und 40 Teilnehmer aus allen Kontinenten der Erde folgten der Einladung nach Karlsruhe. Insgesamt waren 24 Nationen vertreten, deren Flaggen vom 30. Oktober bis zum 1. November den Innenhof der Akademie schmückten. Kern des Workshop-Programms war die Diskussion von ausgesuchten komplexen prothetischen Entscheidungsfällen, die in kleinen Gruppen und unter Leitung von zwei erfahrenen Tutoren am Nachmittag besprochen wurden. Der Vormittag war der Theorie gewidmet. Es wurde über diejenigen Themen referiert, die für die Lösung des am Nachmittag zu besprechenden Planungsfalles von besonderer Bedeutung waren. Der erste Planfall war durch starke Abrasion und signifikante Änderung der vertikalen Dimension gekennzeichnet. Die Referenten hatten somit die Aufgabe, die „Evidenzlage“ der Themenfelder „Ätiologie und Folgen der Abrasion“, „Änderung der vertikalen Dimension“ und „Prothetische Restauration in Abrasionsfällen“ darzustellen. Auch die Endodontische Therapie und ihre Ergebnisse in prothetischen Behandlungsfällen standen auf der Themenliste.
Die besondere Note des Workshops war zweifelsohne seine Internationalität. Die Referenten des ersten Vormittags waren John Hobkirk, London, Sree Koka, Rochester, Shane White, Los Angeles, Ignace Naert, Leuven, Nico Creugers, Nijmegen, und Franco Bassi, Turin. Es ist klar, dass hier keine nationale Schule den Ton angeben konnte. Referenten wie auch Teilnehmer mussten auf Kollegen aus anderen Teilen der Erde reagieren und das eigene Wissen in Bezug auf die Praxis in anderen Erdteilen einschätzen und bewerten.
Der zweite Tag war dem Themenfeld partieller Zahnersatz gewidmet, das wiederum von Referenten aus aller Welt besprochen wurde: Steven Eckert, Rochester, Pierre de Grandmont, Montreal, Aaron Fenton, Toronto, Nicola Zitzmann, Basel, Regina Mericske-Stern, Bern und George Zarb, Toronto.
Bindeglied zur klinischen Realität
Vorträge allein bieten kaum Gelegenheit zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch. Deswegen lag der Schwerpunkt des Workshops auf den Diskussionen am Nachmittag. Jeweils sechs Teilnehmer und zwei Tutoren bildeten eine Arbeitsgruppe, die Optionen der Prothetischen Therapie erarbeiten und in Bezug auf die gegebene wissenschaftliche Ausgangslage werten sollten. Jeder Gruppe war ein Beobachter zugeordnet, der im Anschluss an die Gruppenarbeit dem Plenum über die Ergebnisse Bericht erstattete.
Die Tutoren hatten großen Respekt vor den Gruppen, da die Teilnehmer selbst über eine außerordentlich reiche Erfahrung im Hinblick auf Behandlung und Lehre verfügten. In jeder der Gruppen waren mindestens drei Erdteile vertreten, so dass auch hier keine besondere „Schule“ dominieren konnte. Der Planungsfall wurde „global“ diskutiert, was den besonderen Reiz der Gruppen ausmachte. Ein Konsens für eine Planungsoption konnte in den Gruppen zumeist nicht gefunden werden. Dennoch kam in den Gruppen zum Ausdruck, dass bestimmte klinische Probleme überall auf der Welt ähnlich eingeschätzt werden, zum Beispiel der Einsatz von Implantaten, während andere sehr unterschiedlich bewertet werden, wie der Einsatz von herausnehmbarem Zahnersatz bei Abrasionsfällen.
Ein Dauerbrenner in allen Diskussionen war die Bedeutung der wissenschaftlichen Evidenz und der Einfluss erfahrungsbasierten Wissens auf die Therapieentscheidung. Es erwies sich, dass die wissenschaftliche Basis einer Therapieentscheidung in viele Einzelfeststellungen zerfällt und die eigene Erfahrung zur zusammenführenden Betrachtung wissenschaftlicher Einzeldaten unabdingbar ist.
Welches Fundament bietet Wissenschaft für die Praxis
Diese Frage wurde am dritten Tag des Workshops behandelt. In drei Referaten wurden die methodischen Werkzeuge der klinischen Forschung dargestellt und kritisch beleuchtet. Asbjörn Jokstat aus Toronto übernahm die Aufgabe, die in der evidenzbasierten Medizin favorisierten Methoden darzustellen, die prospektive Studie und den systematischen Review. Aus Karlsruhe kam ein Beitrag zum Nutzen der Beobachtung von Fallverläufen. Winfried Walther stellte dar, dass wissenschaftliche Informationen über zahnärztliche Handlungsroutinen wie auch über innovative Therapieverfahren von der Dokumentation zahnärztlicher Behandlung abhängen. Qualitative Verfahren als Erkenntnisquelle für die Bearbeitung von Versorgungsproblemen wurden von Michael McEntee aus Vancouver dargestellt. Die Referate machten deutlich, dass dogmatische Bewertungen von wissenschaftlichen Methoden keinen Sinn machen. Der Wert einer Methodik muss vielmehr in Bezug auf das bearbeitete Problem eingeschätzt werden.
In zwei Jahren folgt die Fortsetzung
Das Echo der Teilnehmer auf den Workshop war außerordentlich positiv. Alle wünschen eine Fortsetzung in zwei Jahren. Eine bedeutsame Rolle spielte hier sicher auch die überzeugende Gastfreundschaft, die die Teilnehmer erfuhren. Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Dr. Weitkamp kam eigens nach Karlsruhe, um den Gästen anlässlich des festlichen Abschlussessens seine Referenz zu erweisen. Auch der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Prothetik und Werkstoffkunde, Prof. Biffar aus Greifswald, scheute den weiten Weg nicht und feierte mit den Kollegen aus aller Welt den Beginn einer neuen Idee des internationalen Gedankenaustausches.
Prof. Dr. Winfried WaltherAkademie für ZahnärztlicheFortbildung KarlsruheStellvertretender DirektorSophienstraße 4176133 KarlsruheWinfried_Walther@azfk.de