Private Krankenversicherung

Der Altbestand sieht alt aus

Das Wechselbad eines PKV-Altbeständlers: Vom freien Unbedürftigen zum Außenseiter der Sozialeuphorie, zum gescholtenen "Besserverdiener", zum freiwilligen GKV-Subventionierer, der aber als Rosinen pickender Solidaritätsverweigerer verteufelt und schließlich zum gesetzlich gezwungenen Zahler von Defiziten einer verrückt gewordenen Politik wird, mit denen er seine von ihm gewählte und über Jahrzehnte funktionierende Privatvorsorge selbst zerstört - eine tolle Karriere!

 Auf und Ab ging es im Leben eines privat Krankenversicherten, der heute mit siebzig Jahren gesundheitspolitisch als "Altbestand" der PKV geführt und behandelt wird. In den frühen Sechzigerjahren, als er nach dem Studium sein erstes Geld verdiente, hieß es noch, die gesetzliche Krankenversicherung, GKV, sei nur für die Bedürftigen da, die anderen könnten selbst für sich vorsorgen. Weil er gleich gut verdiente und nicht bedürftig war, versicherte sich der junge Mann mit Ehefrau und bald auch Kindern in der PKV - froh darüber, wie sein Berufsleben auch seine Vorsorge selbst in die Hand nehmen zu können.

Langsam aber wandelte sich die sozialpolitische Ideologie. Trotz Wirtschaftswunder und sozialer Marktwirtschaft hat die Politik den Kreis der Bedürftigen immer weiter ausgedehnt und die Leistungen rasant erweitert. Mit dem Wohlstand kam der Wohlfahrtsstaat, immer mehr wurden von der Versicherungspflicht erfasst, auch wenn sie das überhaupt nicht nötig hatten. Die GKV wurde daher auch gegenüber der PKV wirtschaftlich und ideologisch immer bedeutender und sogar attraktiver.

Weil die Ehefrau berufstätig wurde, wurde sie pflichtversichert und nahm die Kinder mit in die GKV. Der Ehemann wollte und durfte bei seiner PKV bleiben, war aber nun ein Außenseiter, jedoch viel umworben von der GKV. Er durfte sich von der erweiterten Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreien lassen und schloss eine private Lebensversicherung ab. Als er allerdings Jahre später seine Freiberuflichkeit aufgab, wurde er als Angestellter versicherungspflichtig und musste die private Vorsorge widerwillig und mit Verlust wieder aufgeben, denn beides zugleich war zu teuer.

Die gewachsene GKV war inzwischen aber auch viel teurer geworden, so dass seine PKV auch beitragsmäßig attraktiver wurde; zusammen mit der ersatzkassenversicherten Ehefrau war der Aufwand jetzt ganz schön gewachsen. Weil die Privatversicherung jetzt günstiger dastand als bisher, veränderte der Konkurrenzneid das Image des PKV-Versicherten, er wurde zunehmend als "Rosinenpicker" einer mangelnden Solidarität bezichtigt. Unerhört, dass er brav das volle kalkulierte Risiko allein getragen hatte, ohne jede staatliche Unterstützung, dass er nicht das ganze Wachstumstheater der Gesundheitspolitik bis hin zum Bauchtanz als Kassenleistung mitfinanziert hatte. Auch dass er mit seinen Privathonoraren für Ärzte und Krankenhäuser der GKV noch Lasten abgenommen hatte, wurde für ihn zum Nachteil ausgelegt. Es war ja unerhört, sich als ein "Besserverdienender" zu erlauben, den Ärzten höhere Honorare zu bezahlen, als die Sozialpolitik dies für die Kassen in der GKV erlaubte und bestimmte.

Heute schließlich ein neuer Gesinnungswandel: Es sollen nun die letzten (und meist ärmsten) bisher nicht Versicherten zwangsweise erfasst werden; aber nicht wie früher als besonders Bedürftige in der GKV, sondern in einem neuen Billigtarif der PKV. Und weil die Rechnung dort nicht aufgehen kann, müssen dann alle die zusätzlich blechen, die als Privatversicherte bisher brav ihr persönliches Risiko finanziert haben. Was für die Bedürftigen an Beitrag fehlt, müssen die anderen Privatversicherten bezahlen. Das Motto solcher Politik: Wenn wir die PKV schon nicht gleich ganz abschaffen, dann ignorieren wir wenigstens deren Geschäftsgrundlage. Die betroffenen Altbestände der PKV sollen bloß still sein, sie waren lange genug nicht richtig sozial. Jetzt sollen sie nicht mehr freiwillig die GKV subventionieren, sondern gezwungen die Defizite bezahlen.

Für den Fall aber, dass die "Altbestände" die auf diese Weise steigenden Beiträge ihrer PKV nicht mehr bezahlen können, dürfen sie gegen alle bisherigen Regeln der PKV aus ihrer alten Versicherung wechseln, auch in den neuen defizitären "Basistarif"; sie erhalten dort weniger Leistungen und verstärken zugleich das von den restlichen Altversicherten zu tragende Defizit, ruinieren also sukzessive die restliche PKV.

Es ist für die Privatversicherten künftig ganz einfach: Entweder man zahlt die wachsenden Defizite mit erhöhtem Beitrag, oder man wechselt vom "Altbestand" in den "Basistarif", schädigt seinen eigenen Leistungsanspruch und belastet zugleich die Beiträge der Verbleibenden umso mehr - man ist immer der Dumme. Der Altbestand der PKV sieht wirklich alt aus.

Hartmut FrielJägerhofstr. 17242119 Wuppertal

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