Immobilien in der Zwangsversteigerung

Auf Schnäppchenjagd

Die Zahl der Zwangsversteigerungen stagniert derzeit auf hohem Niveau. Darunter befinden sich viele verlockende Angebote. Doch um wirklich ein Schnäppchen zu machen, sollten Bieter gut vorbereitet in die Auktion gehen

Freitagmorgen, 10 Uhr in Saal 18 des Amtsgerichts zu Köln. Zur Versteigerung gelangen ein Zweifamilienwohnhaus und zwei unbebaute Grundstücke in einem rechtsrheinisch gelegenen Stadtteil. Der Verkehrswert der beiden Grundstücke (334 und 369 Quadratmeter groß) beträgt jeweils 100 000 Euro, der für das Wohnhaus liegt bei 470 000 Euro. Die Rechtspflegerin rattert die Beschreibung und die Versteigerungskonditionen herunter. Anwesend sind der Vertreter der kreditgebenden Bank, der Zwangsverwalter und rund 30 Zuschauer, von denen die meisten nur der Neugierde halber teilnehmen.

Zehn Minuten nach zehn startet die Rechtspflegerin die Versteigerung. Es ist der zweite Versuch, für diese Immobilien einen Käufer zu finden. Der bisherige Inhaber wartet gespannt in der letzten Reihe. Für ihn wäre es wahrscheinlich eine Erlösung, wenn er mit dem Verkauf die Ansprüche der Bank endlich befriedigen könnte. Mindestens 30 Minuten lang haben die Interessenten nun Gelegenheit, ihr Gebot bei der Rechtspflegerin abzugeben. Anders als bei anderen Auktionen ruft hier niemand seine Gebote in den Raum. Vielmehr bittet die Auktionatorin die Bieter nach vorn. Sie müssen ihre Ausweise vorzeigen, eine Sicherheitszahlung in Höhe von zehn Prozent des Verkehrswertes nachweisen und ein Gebot bei ihr abgeben.

Auf ein Schätzchen spekuliert

Die meisten im Saal hoffen auf ein Schnäppchen und dass sie mit ihrem Gebot deutlich unter dem von einem Gutachter ermittelten Schätzwert bleiben können.

Gelegenheiten, Grundstücke, Ein- und Mehrfamilienhäuser, Eigentumswohnungen und auch gewerbliche Gebäude günstig zu ersteigern, gibt es derzeit in Deutschland viele. Allein im letzten Jahr standen 91 036 Objekte zur Wahl. Das ermittelte die Ratinger Agetra GmbH. In diesem Jahr dürfte die Zahl ähnlich hoch ausfallen. Während in Nordrhein-Westfalen und in Städten wie Berlin, Bremen und Hamburg weniger Immobilien zwangsveräußert werden, steigt die Zahl der Termine in den neuen Bundesländern. Den größten Teil der Immobilien machen Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen aus.

Nicht alle Objekte enden als Schnäppchen. Je attraktiver das Objekt und seine Lage sind, desto mehr nähert sich der Zuschlag dem tatsächlichen Verkehrswert. Auch bei scheinbar weniger begehrten Objekten weiß niemand im Voraus, bei welchem Preis der Zuschlag erfolgt. Gibt es zwei Interessenten, kann es passieren, dass sie sich gegenseitig hochjubeln. Banken, die Häuser aus einer Insolvenz verkaufen wollen, taktieren oft, indem sie heimlich mitbieten lassen, um so den Preis in die Höhe zu treiben. Das machen sie besonders gerne dann, wenn das Objekt zum zweiten Mal angeboten wird. Beim ersten Mal dürfen die Gläubiger, wenn das höchste Gebot bei weniger als 70 Prozent des Verkehrswertes liegt, die Versteigerung sozusagen ungeschehen machen.

Zurückhaltung bleibt angesagt

Im Kölner Auktionssaal bleibt es ruhig. Zwar füllen sich die Reihen mit Besuchern, die zuvor eine andere Versteigerung besucht haben. Die meisten von ihnen aber wollen sich erst einmal informieren, bevor sie bei einer anderen Gelegenheit selbst zuschlagen. Derweil wandert das Exposé von einem zum anderen. Jeder möchte die Objektdaten noch einmal genauer betrachten. Doch es gehört auch zur Taktik, sich während der ersten Viertelstunde ruhig zu verhalten und zu beobachten, wie die anderen Interessenten reagieren. Nur selten bekommt der den Zuschlag, der gleich zu Anfang ein hohes Gebot abgibt. Erst sehen, wie viel die anderen bieten und dann ein Gebot abgeben. Dabei sollte man aber immer einen kühlen Kopf bewahren. Im Saal des Amtsgerichts herrscht beileibe nicht die knisternde Atmosphäre, in der elegant gekleidet Menschen mit geheimen Zeichen ihre Gebote abgeben wie etwa bei einer Kunstauktion im Hause Sotheby’s. Dennoch kann es auch in der nüchternen Umgebung eines Gerichts zu Bietgefechten kommen, bei denen die Kontrahenten schnell ihr selbst gesetztes Limit aus den Augen verlieren können.

Doch bei den im Amtsgericht zur Versteigerung stehenden Objekten besteht dafür keine Gefahr. Am Ende bleibt das Wohnhaus auch dieses Mal unverkauft. Nur für die beiden unbebauten Grundstücke fällt der Hammer nach erstens, zweitens und drittens bei jeweils 70 000 Euro. Käufer ist die Stadt Köln. Sie muss jetzt die Grunderwerbssteuer zahlen sowie eine Gebühr. Maklercourtage und Notargebühren fallen nicht an.

Das Wohnhaus zu verkaufen gelang unter anderem wohl auch deshalb nicht, weil beide Wohnungen bewohnt waren. Gegen den Mieter des Obergeschosses lief sogar eine Räumungsklage. Keine guten Voraussetzungen für einen Versteigerung.

Der ewige Ladenhüter

Um festzustellen, ob es sich bei dem anvisierten Objekt wirklich um das Traumhaus handelt, sollten sich die potentiellen Käufer gründlich informieren. Aber auch über die Tücken einer Versteigerung wissen sie besser schon vor dem Termin Bescheid. Damit die Aktion ein Erfolg wird, gilt es folgende Punkte zu beachten:

• Termine für Zwangsversteigerungen hängen in den Schaukästen der Amtsgerichte und stehen in den Immobilienseiten der Tageszeitungen. Auch auf den Internetseiten der städtischen Justiz gibt es Informationen darüber. Die Argetra vertreibt einen Versteigerungskalender. Auf ihrer Webseite (http://www.argetra.de) und unter www.zwangsversteierung.de finden sich ebenfalls viele Informationen und bundesweite Termine.

• Interessenten sollten sich vor der Versteigerung auf jeden Fall gründlich über Häuser oder Wohnungen informieren. Dem Gericht liegt ein Gutachten vor. Es enthält neben Hinweisen auf Erträge, Bauschäden und -mängel auch den Verkehrswert. Der liegt häufig unter dem üblichen Marktwert. Auskünfte gibt das Gericht nur bei Nennung des Aktenzeichens. Wichtig ist vor allem der Inhalt des Grundbuchs. Ein Auszug daraus gehört zur Gerichtsakte, die Interessenten einsehen dürfen. Daraus ersehen sie, welche Belastungen noch auf dem Objekt liegen oder ob es ein eingetragenes Dauerwohnrecht gibt. Makler können Auskunft darüber geben, ob der Verkehrswert für das Objekt und die jeweilige Lage tatsächlich günstig sind.

• Experten raten dazu, das anvisierte Objekt unbedingt persönlich in Augenschein zu nehmen. Zur Besichtigung nimmt man am besten einen Architekten oder Handwerker mit, um gleich festzustellen wie hoch der Renovierungsaufwand ist. Um die Räumlichkeiten auch von innen zu sehen, benötigen Besucher die Erlaubnis des jeweiligen Besitzers. Er ist nicht verpflichtet, Interessenten hereinzulassen. Doch häufig hilft die Gläubigerbank bei der Vermittlung eines Termins.

• Wer sich für ein bestimmtes Objekt interessiert, sollte auch wegen der Finanzierung möglichst früh Kontakt zur Gläubigerbank aufnehmen. Auf Anfrage erfährt man vielleicht die Schmerzgrenze, ab der die Bank mit dem Zuschlag einverstanden ist. Die endgültige Bezahlung der Immobilie erwartet das Institut nach etwa vier bis sechs Wochen. Bis dahin muss die eigene Finanzierung stehen.

• Um an der Versteigerung teilzunehmen, ist eine Anmeldung nicht erforderlich. Bieter müssen sich ausweisen und eine Sicherheitsleistung in Höhe von zehn Prozent des Verkehrswertes hinterlegen. Die meisten Gerichte verlangen eine Überweisung an die Gerichtskasse, deren Bestätigung am Tag der Versteigerung vorliegen muss. Möglich sind auch eine Bürgschaftserklärung der Bank oder ein durch die Bundesbank bestätigter Scheck.

• Bevor es ernst wird, sollten Bieter einige Auktionen besuchen, um Erfahrungen zu sammeln. Dann sind ihnen die Abläufe vertraut und sie können sich voll auf das Geschehen konzentrieren. Es ist ratsam, sich vor der Auktion ein festes Limit zu setzen, dass auf keinen Fall überschritten werden darf. Denn manchmal entwickelt sich eine eigene Dynamik, der sich die Bieter dann kaum noch entziehen können.

• Kurz vor dem anberaumten Termin sorgt ein Anruf bei Gericht zur Terminbestätigung für Sicherheit. Denn manchmal wird eine Versteigerung kurzfristig abgesagt.

• Steht eine Immobilie zum ersten Mal zum Gebot, darf der Gläubiger die Auktion ungeschehen machen, wenn der Zuschlag bei weniger als 70 Prozent des Verkehrswertes erfolgt. Außerdem muss das niedrigste Gebot mindestens 50 Prozent des Verkehrswertes betragen. In einem zweiten Termin gibt es diese Grenzen nicht mehr. Doch manchmal treiben die Banken durch eigene Gebote den Preis in die Höhe.

• Alte Auktionshasen haben ihre eigenen Verhaltensregeln: Sie setzen sich ihr persönliches Limit oberhalb einer Schallgrenze. Das können zum Beispiel 409 000 Euro sein. Die meisten Konkurrenten werden bei 399 000 Euro aussteigen. Profis bieten in krummen Summen und ungleichen Bietschritten. So verbergen sie ihre Höchstgrenze und verwirren die Mitbieter. Verlassen einige Konkurrenten verärgert den Saal, ist man dem Ziel bereits ein Stück näher gerückt.

• Ist der Zuschlag erfolgt, muss der Sieger warten, bis der Gläubiger (in den meisten Fällen eine Bank) die Bestätigung erteilt.

Zur Kasse bitte

Der neue Eigentümer wird zur Kasse gebeten. Neben dem Kaufpreis fallen weitere Kosten an: Grunderwerbssteuer, eine Grundbuchgebühr in Höhe von 4,5 Prozent des Höchstgebots sowie eine Zuschlagsgebühr, die das Gericht kassiert. Für böse Überraschungen können bleibende Lasten sorgen. So stehen auf der Rechnung zum Beispiel nicht bezahlte Grundsteuern oder Erschließungskosten. Für die wird nun der neue Eigentümer herangezogen. Deshalb ist es sehr wichtig, sich vor dem Versteigerungstermin gründlich über nicht bezahlte Rechnungen zu informieren. In der Versteigerung werden sie nicht mehr berücksichtigt.

Dass sich Immobilien, die ersteigert werden, nicht immer als Schnäppchen erweisen, zeigen vor allem die sogenannten Teilungsversteigerungen. Dahinter stecken meistens Erbengemeinschaften oder in Scheidung lebende Ehepaare, die sich über Nutzung oder Verkauf der Immobilie nicht einig sind. Um sich gegenseitig zu schaden, treiben sie häufig den Preis in utopische Höhen. Auf dem freien Markt wäre ein solches Objekt dann wahrscheinlich günstiger gewesen. Ungemach bringen auch vermietete Wohnungen. Denn nicht immer kann der neue Besitzer dem Mieter wegen Eigenbedarf kündigen.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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