Chronopharmakologie

Bei der Medikamenteneinnahme auf die innere Uhr hören

Ein aktuelles Forschungsgebiet ist derzeit die Chronopharmakologie. Denn es wird zunehmend deutlich, dass die Frage, zu welcher Tageszeit ein bestimmtes Arzneimittel eingenommen wird, maßgeblich darüber entscheidet, ob es seine Wirkung optimal entfalten kann.

In unserem Körper ticken unzählige Uhren. Sie steuern den Schlaf-Wach-Rhythmus und damit unser soziales Leben sowie Hunger und Durst, die körperliche Aktivität und die Körpertemperatur. Doch auch vielfältige Organfunktionen, die Hormonsekretion sowie der Stoffwechsel unterliegen einer endogenen Rhythmik. Das hat weitreichende Konsequenzen, die sich auf unseren Alltag auswirken, aber auch auf die Entstehung von Krankheiten und auf deren Behandlung.

Der 24-Stunden-Rhythmus, dem viele Körperfunktionen unterliegen, wird über biologische Uhren, die so genannten inneren Uhren, gesteuert. „Er wird durch „Uhrengene“ angetrieben“, so Professor Dr. Dr. Björn Lemmer aus Heidelberg. Mehr als 20 Prozent der Gene werden nach seinen Worten rhythmisch reguliert, wobei die maßgeblich steuernde „Hauptuhr“ im zentralen Nervensystem am Boden des dritten Ventrikels in den Nuclei suprachiasmatici lokalisiert ist.

Sie tickt auch dann weiter, wenn die äußeren Zeitgeber wie etwa der Wechsel von Licht- und Dunkelheit wegfallen. Dann aber läuft die innere Uhr „frei“, wobei der 24-Stunden-Rhythmus nicht exakt, wohl aber annähernd eingehalten wird. Denn die Uhren im Körper gehen nicht „genau“, sie folgen von Natur aus einem 24,5-Stunden-Rhythmus und werden durch die äußeren Zeitgeber „synchronisiert“.

Wenn die Rhythmik aus dem Takt kommt

Die endogenen Rhythmen haben dabei weit mehr Auswirkungen auf unser Leben und auch auf Krankheitsbilder sowie deren Behandlung, als uns gemeinhin bewusst ist, berichtete Lemmer beim 8. Lundbeck-Dialog in Frankfurt. Dass es Assoziationen zwischen der Rhythmik und dem Auftreten von Krankheitssymptomen gibt, zeigt das Beispiel des Asthma bronchiale. Denn überproportional häufig tritt die Atemnot bei den Patienten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden auf. Doch je stärker sich die Tag-Nacht-Variabilität beim Asthma darstellt, desto schwerer ist in aller Regel das Krankheitsbild, referierte Lemmer. Die Beschwerde-Rhythmik kann somit Hinweise auf die Prognose für den Patienten geben.

Von „Dippern“ und „Non-Dippern“

Auch der Blutdruck des Menschen wird circadian gesteuert. Er ist in der Nacht deutlich niedriger als am Tage, ein Phänomen, das als „dippen“ bezeichnet wird. Bei vielen Hypertonikern ist diese Rhythmik aufgehoben und es kommt nicht mehr zum physiologischen Blutdruck-Dip, wobei die „Non-Dipper“ aus kardiovaskulärer Sicht als stärker gefährdet gelten als die „Dipper“.

Doch auch der Elektrolythaushalt, der pH-Wert wie auch die Nierenausscheidung folgen den Tagesrhythmen und letztlich wird jede Haut- und auch jede Schleimhautzelle in ihrer Funktion über endogene Zeitgeber gesteuert. „Da ticken unzählige Uhren im Körper“, betonte Lemmer in Frankfurt. Und weiter: „Der Mensch ist extrem in der Tageszeit synchronisiert“.

Einnahme immer zur richtigen Zeit

Deutliche Auswirkungen hat die endogene Rhythmik auf die medikamentöse Therapie, da Arzneimittel ihre Wirkung unter anderem abhängig davon entfalten, zu welcher Tageszeit sie eingenommen werden. Die Zusammenhänge werden laut Lemmer im Bereich der Chronopharmakologie näher erforscht, wobei konkret das Verhalten eines Arzneistoffes im Körper und seine Wirkung unter dem Aspekt der zeitlichen Strukturierung des Organismus analysiert werden. So wird die Pharmakokinetik von Medikamenten unter anderem durch die Magenentleerungszeit, die Durchblutung des Magen-Darm-Traktes und die renale Ausscheidung mitbestimmt, die ihrerseits wiederum durch innere Uhren reguliert werden.

Das aber kann man therapeutisch nutzen, indem man Medikamente zu bestimmten Tageszeiten einnimmt, zum Beispiel das blutdrucksenkende Mittel bei „Non-Dippern“ am Abend, um den natürlichen Tag-Nacht- Rhythmus des Blutdrucks wieder herzustellen. Auch ein Rheumamittel wird am besten abends eingenommen, um der morgendlichen Steifigkeit entgegen zu wirken. Solche Aspekte sollten nach Lemmer künftig noch besser erforscht und in die Behandlung miteinbezogen werden.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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