Koordinierungskonferenz in Frankfurt

Der Zahnarzt in Schlüsselfunktion

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Die Referenten für Alters- und Behindertenzahnheilkunde und für Präventive Zahnheilkunde der Länderkammern fanden zu einer gemeinsamen Koordinierungskonferenz in Frankfurt/M. zusammen. Schwerpunkte der Diskussionen waren die Themen Früherkennung von häuslicher Gewalt in der Familie sowie die zahnärztliche Betreuung von Senioren und Menschen mit Behinderungen. Bei all diesen Bereichen kommt dem Zahnarzt eine Schlüsselfunktion zu.

Eine prall gefüllte, inhaltsreiche Tagesordnung stand auf dem Programm der kombinierten BZÄK-Koordinierungskonferenz der Referenten für Alters- und Behindertenzahnheilkunde und für Präventive Zahnheilkunde der Landeszahnärztekammern am 27. März in Frankfurt. BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich (siehe dazu den Leitartikel in diesem Heft), Dr. Andreas Wagner, Vorstandsreferent für Behindertenzahnheilkunde und Dr. Michael Rumpf, Vorstandsreferent für Alterszahnheilkunde, hatten gemeinsam zu der Veranstaltung geladen, um einen ressortübergreifenden Meinungsaustausch der Kammerfachleute zu ermöglichen. Gastgebende Kammer war die LZK Hessen.

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Impulsreferat von Prof. Dr. Daphne Hahn, Fachbereich Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda (siehe dazu auch zm 8/2009, Seite 32), zur häuslichen Gewalt in der Familie. Hahn ging auf Möglichkeiten der Früherkennung und Handlungsoptionen für den Zahnarzt ein. Dabei formulierte sie folgende Kernaussagen:

• Häusliche Gewalt findet zwischen Erwachsenen statt, die in engen sozialen Beziehungen zueinander stehen oder standen.

• Jede dritte deutsche Frau (37 Prozent) habe in Studien angegeben, ab ihrem 16. Lebensjahr mindestens einmal körperliche Gewalt erlebt zu haben (2004).

• 88 bis 94 Prozent der betroffenen Frauen haben Verletzungen im Kopfbereich.

• Für den Zahnarzt stellt sich eine Vielzahl von Aufgaben, angefangen von der unmittelbaren Versorgung der Betroffenen, der Klärung der eigentlichen Verletzungsursachen oder -folgen, die dann auch gerichtsverwertbar genutzt werden können, bis hin zur Weiterleitung der Patientinnen an geeignete Unterstützungsangebote, um erneute Übergriffe zu verhindern.

Zahnärzte besäßen eine Schlüsselposition beim Erkennen häuslicher Gewalt, erklärte Hahn. Interventionsstandards seien Erkennen, gerichtsverwertbares Dokumentieren, Informieren und Weitervermitteln. Sie verwies weiterhin auf das Projekt „ZuGang“ der Hochschule Fulda, wo derzeit geeignete Dokumentationsbögen und Handlungsempfehlungen für die Zahnarztpraxis entwickelt werden.

Den Berufsstand sensibilisieren

Mit entsprechenden Projekten in einer Reihe von Kammerbereichen sollten die Zahnärzte sensibilisiert und eine entsprechende Dokumentation in die zahnärztliche Untersuchung einbezogen werden, so die Meinung der Konferenzteilnehmer. Sollten sich die Opfer häuslicher Gewalt entschließen, ihre Peiniger anzuzeigen, dann seien sie auch auf eine gerichtsverwertbare zahnärztliche Dokumentation angewiesen.

In einigen Kammerbereichen wie Hessen, Berlin und Schleswig-Holstein wird sich der Thematik bereits aktiv angenommen. In Mecklenburg-Vorpommern ist gemeinsam mit dem Institut für Gerichtsmedizin der Universität Greifswald ein forensischer Befundbogen für die Zahnarztpraxis erarbeitet worden, der eine gerichtsverwertbare Dokumentation erlaubt.

Prof. Dr. Thomas Hoffmann, Präsident der DGZMK, bot an, das Thema „Häusliche Gewalt und Zahnmedizin“ als interdisziplinäres Thema für den wissenschaftlichen Kongress des Deutschen Zahnärztetages 2010 dem DGZMK-Vorstand vorzuschlagen, was bei den Konferenzteilnehmern große Unterstützung fand.

Berufsethisches Handlungsfeld

Die Behindertenzahnheilkunde wurde von den Teilnehmern als wichtiges präventives und berufsethisches Handlungsfeld erachtet. Deshalb begrüßten sie es ausdrücklich, dass die Ausrichtung des Weltkongresses der International Association for Disability and Oral Health (IADH) im September 2014 in Berlin stattfinden soll. Die BZÄK hatte bereits beschlossen, für diese Veranstaltung die Schirmherrschaft zu übernehmen.

In der deutschen universitären Ausbildung sei im Vergleich zu anderen Ländern eine untergeordnete Bedeutung der Behindertenzahnheilkunde auszumachen, hieß es bei den Referenten. Hier bestehe mit Sicherheit Nachholbedarf.

Positiv wurde in der Konferenz die internationale Sportorganisation Special Olympics hervorgehoben, die in 170 Nationen über 2,5 Millionen Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit geistiger Behinderung erfasst. 1991 wurde Special Olympics in Deutschland gegründet. Alle zwei Jahre finden im Wechsel nationale Sommer- und Winterspiele statt. Parallel zu den Sportveranstaltungen wird seit 2004 das Healthy-Athletes-Programm für Betreuer und Athleten angeboten, welches Vorsorgeuntersuchungen in unterschiedlichen medizinischen Bereichen anbietet, die von ehrenamtlichen Ärzten und medizinischem Fachpersonal durchgeführt werden. Besonders erfolgreich ist dabei das Special Smiles-Programm (zahnärztliche Untersuchungen und Anleitung zur Zahnpflege). Die letzten Winterspiele fanden vor Kurzem in Inzell statt. Dort war auch die Bayerische Landeszahnärztekammer stark engagiert (siehe Bericht zm 7/2009, Seiten 28 bis 30). Die Kammer Baden-Württemberg war bei den Sommerspielen ebenfalls aktiv, Bremen beschäftigt sich derzeit bereits mit den Vorbereitungen für 2010.

Zum Themenkomplex Alterszahnheilkunde berieten die Kammerexperten über Projekte und Konzepte zur zahnärztlichen Betreuung pflegebedürftiger Menschen und tauschten Erfahrungen aus den Ländern aus. Einigkeit bestand darin, dass die Mundhygieneschulungen für die Pflegeberufe nicht dauerhaft ehrenamtlich vom zahnärztlichen Berufsstand erbracht werden könnten. Der Zahnarzt müsse immer erster Ansprechpartner für zahnmedizinische Fragen sein. Die Teilnehmer sprachen sich dafür aus, notwendige gerostomatologische Inhalte in die Aufstiegsfortbildungen zu integrieren. pr/BZÄK

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