Qualität aus der Ferne
Das Fazit der Organisatoren: Die Telemedizin hat ihre Position im Gesundheitswesen weiter gefestigt. „Ein Meilenstein in diesem Jahr war für uns eine im August veröffentlichte Umfrage der Bundesärztekammer. 87 Prozent der befragten Ärzte gaben an, dass die Bedeutung der Telemedizin ihrer Meinung nach zunehmen wird“, freute sich Wolfgang Loos, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DG Telemed), über das Ergebnis. Er will die Öffentlichkeit über die vielfältigen Möglichkeiten der Telemedizin informieren und die Zusammenarbeit der Akteure im Gesundheitswesen im Interesse einer optimalen Versorgung voranbringen.
Die Zukunftsaussichten bewertet Loos positiv und nennt als Beispiel die vor kurzem beschlossene Vergütung von Schlaganfall-Telekonsilien. „Krankenhäuser, die keine eigene neurologische Station haben, können sich per Videokonferenz mit einem Spezialisten beraten und der Facharzt kann die Leistung anschließend abrechnen. Das ist bundesweit das erste Mal, dass das möglich ist.“
Um Innovationen zu fördern, vergibt die DG Telemed jährlich den Karl Storz Innovationspreis Telemedizin. „Die Preisträger müssen eine neuartige und innovative Leistung auf den Weg gebracht haben“, erklärt Loos. „Wir zeichnen Projekte und Verfahren aus, die neue Arbeitswege implementieren und das Potenzial für eine flächendeckende Anwendung bieten. Darüber hinaus ist entscheidend, ob das Projekt auch finanzierbar ist, wenn etwaige Fördergelder auslaufen.“ In beiden Punkten – Innovation und Nachhaltigkeit – überzeugte die Jury das Projekt „Nachsorge blutgruppen-inkompatibel nierentransplantierter Patienten“ der Chirurgischen Universitätsklinik Freiburg.
Fortschrittliche Nachsorge
Im Jahr 2004 nahmen Chirurgen des Transplantationszentrums Freiburg die erste blutgruppen-inkompatible Lebendnieren-Transplantation Deutschlands vor. Mittlerweile haben sie mithilfe dieser Methode etwa 60 Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet eine neue Niere transplantiert. Seine Fortsetzung fand das neuartige Verfahren im vergangenen Juli durch den Start eines interdisziplinär angelegten Telemedizin- Projektes zur teleassistierten Nachsorge der Patienten.
Silvia Hils, Leiterin des Freiburger Transplant-Büros, erläutert das Projekt: „Die insgesamt 50 Patienten geben zuhause an einem interaktiven Terminal täglich ihre Daten ein. Wir haben einen Fragenkatalog erstellt, der ihren Gesundheitszustand überwacht und frühzeitig auf Infektionen oder Abstoßungsreaktionen hinweist.“ Wie geht es Ihnen, lautet eine der Fragen. Oder: Hat sich Ihr Zustand seit der letzten Konferenz verändert? Haben Sie Ihre Medikamente heute schon eingenommen? „Wird der Fragebogen nicht regelmäßig ausgefüllt, haken wir nach“, so Hils. Mitarbeiter des Transplantationszentrums werten die An- gaben drei Mal pro Woche aus. Bei alarmierenden Antworten wird zudem eine Warnmeldung verschickt, damit das Transplantationszentrum sofort gegensteuern und per Telefon oder Videokonferenz mit dem Patienten Kontakt aufnehmen kann.
Die Programmteilnehmer geben ihre Daten über einen Touchscreen-Monitor ein. Patienten, die diese Technik überfordert, können ihre Antworten mit einem Eingabestift auf ein verdrahtetes Blatt schreiben. „Das sieht so aus, als würden sie mit dem Kugelschreiber auf Papier schreiben. Die Daten werden umgewandelt und dann per Knopfdruck an uns geschickt“, erklärt Hils.
Das Klinikum knüpft viele Hoffnungen an das Projekt: Zeit- und Kosten-Ersparnis ohne Einbuße der Versorgungsqualität, eine angenehmere Nachsorge für die Patienten in ihrer häuslichen Umgebung und die Förderung ihrer Selbstständigkeit. „Das Projekt soll den Beweis erbringen, dass die teleassistierte Nachsorge für nierentransplantierte Patienten sowohl medizinische, als auch ökonomische Vorteile bringt. Die Krankenkassen sollen davon überzeugt werden, das Verfahren bundesweit als Regelleistung in ihren Leistungskatalog aufzunehmen“, fasst Hils zusammen. Erstes Interesse hätten die Versicherer bereits bekundet.
Unterstützende Steuerung
Ebenfalls mit dem Karl Storz Preis ausgezeichnet wurde das rechtsmedizinische Institut der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Ehrung gab es für das Projekt „Online-Konsil Forensikon“, ein Kommunikationswerkzeug für Ärzte, die eine Beratung zu unklaren Befunden bei einem möglichen sexuellen Kindesmissbrauch wünschen. Das Projekt könne als bereits etabliert betrachtet werden, so die Veranstalter. Es werde auch durch das Land Niedersachsen unterstützt. Der Blick sei eindeutig auf eine Steuerung durch Experten und auf eine Verbesserung der medizinischen Versorgung in Bereichen gerichtet, in denen mangelnde Versorgung herrsche. Mit dem Online- Konsil wurde eine Initiative entwickelt, die in einem medizinischen Bereich mit noch vorhandenen Unsicherheiten eine Anwendung in der Fläche anstrebt, so die Jury.
Den Telemed Award erhielt Markus Birkle vom Zentrum für Informations- und Medizintechnik der Universitätsklinik Heidelberg für seinen Vortrag „Entwicklung eines elektronischen Einwilligungsmanagement- systems für intersektorale Informations- systeme“. Zweiter Preisträger war Dr. Clemens Jürgens, Universitätsklinikum Greifswald, der ein Referat über „E-Learning zur Optimierung des telemedizinischen Glaukom-Homemonitoring“ hielt.
Der „Nationale Fachkongress Telemedizin“ ist aus den beiden Veranstaltungen „Telemed“ und „Fachkongress der DG Telemed“ hervorgegangen. Zusammen mit dem Bundesverband der Medizinischen Informatiker (BVMI), der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitstelematik (DGG) und der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) hatte die DG Telemed eine Fusion der Termine beschlossen.
Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net