Drogen, Alkohol, Medikamente

Suchterkrankungen – ein Problem bei Jung und Alt

Die Suchtforschung ist in Deutschland noch eine Art Stiefkind und das, obwohl sich die Situation bei den Suchterkrankungen zunehmend verschärft. Besondere Problembereiche sehen Experten bei Kindern und bei Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen, deren Suchtverhalten erhebliche Auswirkungen auf die Kinder hat. Zusätzlich gerät das Thema Sucht bei Senioren in den Fokus.

Erfolge im Kampf gegen Suchterkrankungen gibt es derzeit vor allem beim Rauchen. So ist die Zahl der Raucher rückläufig, was in einigen Ländern bereits einen Rückgang an Lungenwie auch an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur Folge hat. Ganz anders sieht das bei anderen Suchterkrankungen aus und insbesondere beim Alkoholmissbrauch. „Vor allem Jugendliche greifen immer früher und immer häufiger zur Flasche, wobei der exzessive Alkoholkonsum, also das Komasaufen, nur die Spitze des Eisberges darstellt“, sagte Professor Dr. Michael Klein in Köln beim 2. Deutschen Suchtkongress.

Schätzungen zufolge weisen laut Klein inzwischen 15 Prozent aller Jugendlichen eine Alkoholproblematik auf. Dabei sind rund ein bis zwei Prozent aller Kids langfristig gefährdet, alkoholabhängig zu werden. Ursache der Verschiebung von Rauchen und Cannabis auf die „Droge Alkohol“ bei den Jugendlichen dürfte nach Klein die leichtere Verfügbarkeit sein und die Tatsache, dass das Trinken nicht diskriminiert ist, sondern sogar positiv besetzt. „Die Jugendlichen fühlen sich damit als Teil der sogenannten Spaßgesellschaft“, sagte Klein in Köln.

Suchtkranke Eltern – suchtkranke Kinder

Besonders gefährdet sind dabei Kinder suchtkranker Eltern: Bei ihnen ist das Risiko, selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln, rund sechsmal höher als bei Kindern aus einem Elternhaus ohne Abhängigkeitsproblematik. Die betroffenen Kinder haben außerdem ein erhöhtes Risiko, psychisch krank zu werden, weshalb die Experten zunehmend fordern, Kinder in die Suchtbehandlung ihrer Eltern mit einzubeziehen. Oberstes Ziel der Behandlung bei Alkoholismus ist nach Professor Dr. Karl F. Mann aus Mannheim nach wie vor die absolute Alkoholkarenz. Diese lässt sich aber nur bei 30 bis 70 Prozent der Betroffenen erzielen. „Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir 50 bis 70 Prozent der Patienten derzeit nur unzureichend helfen können“, so Mann.

Das aber heißt nicht, dass man die Patienten sich selbst überlassen kann. Zu bedenken ist, dass der chronische Alkoholkonsum erhebliche körperliche Schädigungen nach sich zieht und das abhängig von der konsumierten Menge. Es ist deshalb laut Mann ein „schadensreduzierender Therapieansatz“ zu verfolgen, was konkret bedeutet, dass alles daran gesetzt werden muss, einen Patienten mit hohem Alkoholkonsum zu motivieren, seine Trinkmenge zumindest zu reduzieren.

Mit pauschalen Therapieangeboten ist dabei jedoch wenig auszurichten. Wie in anderen Bereichen der Medizin auch, ist nach Mann eine maßgeschneiderte Therapie notwendig, die sich direkt an der individuellen Situation ausrichtet. Das dürfte künftig einfacher möglich werden. Denn in neuen Forschungsprojekten ist es gelungen, genetische Marker zu identifizieren, anhand derer sich voraussagen lässt, auf welches Präparat ein bestimmter Patient bei der medikamentösen Therapie eher ansprechen wird. Auch anhand bildgebender Verfahren wie der funktionellen Kernspintomographie sind offensichtlich solche Vorhersagen möglich. „Damit stehen wir am Beginn einer neuen Ära, in der sich die optimale Therapie der Alkoholkrankheit nicht nur anhand sozialer, sondern auch über biologische Variable bestimmen lässt“, betonte der Psychiater in Köln.

Sorgen bereiten den Medizinern allerdings die zunehmenden Suchtprobleme bei älteren Menschen. Zwei Trends kommen hierbei zum Tragen: Zum einen werden dank der modernen Medizin auch Menschen mit Suchterkrankung deutlich älter als früher und zum anderen trägt die zunehmende Vereinsamung vieler älterer Menschen dazu bei, dass diese zu „Späteinsteigern“ in puncto Suchtentwicklung werden. Beide Gruppen stellen für die Medizin eine erhebliche Herausforderung dar. So setzen Alterungsprozesse unter dem Einfluss von Alkohol, Opioiden und Kokain deutlich früher ein, so dass Suchtkranke schneller altern als gesunde Altersgenossen, betonte Professor Dr. Irmgard Vogt aus Frankfurt.

Bei Senioren, die weitgehend sozial isoliert leben und vereinsamt zu Alkohol und/oder Tabletten greifen, macht den Suchtmedizinern vor allem die meist vorliegende Multimorbidität Kopfzerbrechen. So ist nicht klar, wie sich komorbide Störungen gegenseitig beeinflussen. Auch in diesem Bereich gibt es, so Professor Mann, noch einen erheblichen Forschungsbedarf.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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