Mumienforschung

Tod am Nil

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Nur 19 Jahre war Tutanchamun alt, als er im Jahr 1324 vor Christus starb. Seit Jahrzehnten beschäftigt sein früher Tod Wissenschaftler aus Disziplinen wie Ägyptologie und Medizin. DNA-Analysen, Computertomografien und forensische Untersuchungen an dem berühmten Pharao sowie 15 weiteren Mumien bringen jetzt neue Theorien ins Spiel – und lösen hitzige Diskussionen aus.

Im September 2007 hatten zehn Wissenschaftler aus Deutschland, Südtirol und Ägypten begonnen, von Tutanchamun, zehn seiner Verwandten und fünf Mumien einer älteren Herrscherfamilie Gewebeproben aus dem Knocheninneren zu entnehmen. In den darauffolgenden zwei Jahren extrahierten die Mumienforscher unter der Leitung von Albert Zink, Anthropologe an der Europäischen Akademie Bozen (EURAC), und Carsten Pusch, Humangenetiker an der Eberhard Karls Universität Tübingen, die DNA und erstellten genetische Fingerabdrücke für alle 16 Mumien.

Die Untersuchungen lassen viele Schlüsse zu, bisher wurden aber nur an einer Erkenntnis keine Zweifel laut: Durch die genetischen Fingerabdrücke konnte ein Fünf-Generationen-Stammbaum der Dynastie erstellt werden. Ergebnis: Tutanchamun war – wie von Ägyptologen schon lange vermutet – der Sohn des mächtigen Pharaos Echnaton. Mithilfe von Genanalysen konnte auch Tutanchamuns Mutter identifiziert werden: Es handelt sich um die „Younger Lady“. Pikant: Die Dame ist laut DNAAnalayse Echnatons Schwester oder eine seiner Töchter. Ob sich hinter ihr Echnatons Ehefrau Nofretete verbirgt, klären die Forscher zurzeit. Laut Genanalyse sind die zwei tot geborenen Kinder in Tutanchamuns Grab seine Töchter.

Umstrittene Ergebnisse

Wie die Forscher im „Journal of the American Medical Association“ (JAMA 2010; 303: 638-64) schreiben, waren Tutanchamun und seine Ahnen nicht die Gesündesten. Bei ihren Untersuchungen stießen sie auf zahlreiche Fehlbildungen bei vielen Familienmitgliedern – der als Gott verehrte junge Herrscher ist dafür das beste Beispiel. Bereits zu Lebzeiten litt er an einer Knochennekrose im zweiten und dritten Mittelfußknochen des linken Beins, die zur mangelnden Blutversorgung des Knochens und dessen Abbau führte, diagnostizierten die Wissenschaftler. „Diese Erkrankung allein hat mit Sicherheit nicht zum Tod geführt, aber sie hat ihn in seiner Mobilität stark eingeschränkt“, sagt Zink. „Es erklärt wohl auch, warum man in seinem Grab zahlreiche Gehstöcke gefunden hat.“ An seinem zweiten linken Zeh fehlte dem Pharao der mittlere Knochen, sein linker Femur wies einen Bruch auf. Außerdem hatte er einen leichten Klumpfuß und eine Kieferspalte.

Für hitzige Diskussionen in der Fachwelt sorgt indes Folgendes: Bei vier Mumien aus der Dynastie, unter anderem bei Tutanchamun, wurden Spuren des Malariaerregers Plasmodium falciparum gefunden. Tutanchamun war laut Pusch an der schwersten Form, der Malaria tropica, erkrankt. Sie könne zusammen mit der Knochennekrose den Tod verursacht haben. Verschiedene Pflanzenreste, die im Grab des Pharaos gefunden wurden, untermauern nach Ansicht der zehn Forscher die Malariatheorie. Einige der nachgewiesenen Kräuter seien bis heute für ihre fiebersenkende und schmerzlindernde Wirkung bekannt. Zink räumt jedoch ein, dass die Malariatheorie nie wirklich bewiesen werden könne.

Dementsprechend hagelt es von den Kollegen Kritik. Der Genetiker Giuseppe Novelli von der Tor-Vergata-Universität in Rom misst den neuen Erkenntnissen keine Bedeutung zu. Dem Fachmagazin „Nature“ sagte er: „Es gibt keine Daten, die es erlauben würden, Malaria als Todesursache anzunehmen.“ Der Malariaparasit dürfte im alten Ägypten weit verbreitet gewesen sein und viele Menschen, die die Infektion als Kind überlebt hätten, seien danach zumindest zum Teil immun gewesen. Endgültig könne man die Malariadiagnose ohnehin nicht belegen, denn die Mumien hätten keine inneren Organe, anhand derer man den parasitären Befall nachweisen könnte. Auch die Diagnosen rund um den kranken Fuß Tutanchamuns stoßen auf Kritik. Die Osteonekrose sei anhand der CT-Bilder nicht festzustellen, bemängelt Gino Fornaciari, Paläopathologe an der Universität von Pisa. Es sei möglich, dass der Fuß beim Einbalsamieren und Bandagieren erheblich deformiert worden sei. Die Gehstäbe könnten als ein Symbol der Macht in die Grabkammer gelangt sein.

Die HighTech-Ergebnisse der molekularen Ägyptologie bringen also keine eindeutigen Ergebnisse. Von den Forschern verlangt sie absolute Sorgfalt. „Wir haben unsere Analysen mehrfach wiederholt und in einem zweiten Labor unabhängig repliziert“, erklärt Humangenetiker Pusch. Dadurch sollten mögliche Vermischungen mit moderner DNA ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund wurden die DNA-Profile aller Mitarbeiter, die an dem – übrigens vom amerikanischen Fernsehsender Discovery Channel finanzierten – Projekt beteiligt waren, erhoben und regelmäßig mit den Pharaonen-Daten verglichen.

Frühere Diagnosen

Schon 2005 war der tote Pharao wieder einmal in die Schlagzeilen geraten. Forscher hatten damals Untersuchungsergebnisse einer Computertomografie veröffentlicht, wonach Tutanchamun sich bei einem Reitunfall den linken Oberschenkel gebrochen habe. Die offene Wunde, so das Forscherteam unter Leitung des ägyptischen Radiologen Ashraf Selim, hatte dann möglicherweise eine Blutvergiftung zur Folge. Für diese Theorie fand die neue Studie keine Belege. Auch konnten die Forscher nicht bestätigen, dass der Herrscher tatsächlich eine – wie von vielen wegen seiner stark femininen Gesichtszüge vermutet – Gynäkomastie hatte. Gegen ein genetisches Syndrom spricht unter anderem der nach Aussage der Forscher „normal entwickelte“ Penis. Bei Tutanchamun fehlen allerdings die Beckenknochen für weitere Untersuchungen. Die Knochen seines Vaters seien jedoch eindeutig männlich.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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