Schlechtes Geschäft mit dem Tod
Lebensversicherungs-Fonds sind geschlossene Fonds (Kommanditgesellschaften), die in „gebrauchte“ Lebensversicherungen, sogenannte Zweitmarktpolicen, investieren. Die versicherte Person bleibt auch nach der Veräußerung identisch. Der Verkäufer erhält den Verkaufspreis, der über dem aktuellen Rückkaufswert der Police liegt. Die fälligen Prämienzahlungen werden von der Fondsgesellschaft übernommen, die dann später die Ablaufleistung erhält. Die Fondsgesellschaften spekulieren auf einen frühen Tod des Versicherten, eine möglichst hohe Ablaufleistung oder entsprechende Handelsgewinne. Gründe für einen Verkauf von Policen können zum Beispiel sein: Der Zweck der Lebensversicherung – etwa die Besicherung eines Kredits – fällt weg oder fällige Prämienzahlungen können nicht mehr bedient werden.
Geschlossene Fonds, die in Zweitmarktbeteiligungen investieren, werden in Deutschland seit 2002 aufgelegt. Investiert wird je nach Fonds in US-amerikanische, britische und deutsche Zweitmarktpolicen. Nach den Branchenzahlen 2009 des Verbands Geschlossener Fonds (VGF) sind von 2002 bis 2009 Anlegergelder in Höhe von annähernd fünf Milliarden Euro eingesammelt worden. Allerdings ist die Tendenz deutlich rückläufig. Während noch im Jahr 2005 insgesamt 2,1 Milliarden Euro Fondsvolumen platziert wurden, waren es 2008 nur noch 614,6 Millionen Euro, 2009 nur noch 124,6 Millionen Euro. Die durchschnittliche Zeichnungshöhe belief sich 2008 auf 20 746 Euro bei 16 874 Anlegern, 2009 auf 14 546 Euro bei 7 081 Investoren. Insgesamt haben mehr als 200 000 Bundesbürger in diese Anlageform investiert.
Die Fonds wurden überwiegend von Banken vertrieben, wie etwa comdirect private finance AG, SEB AG, Volks- und Raiffeisenbanken, Südwestbank AG, zum Teil auch von Beratern oder Beratungsunternehmen. Die verschiedenen Fonds haben in US- amerikanische, in britische oder in deutsche Lebensversicherungen investiert und müssen aufgrund der jeweiligen Eigenarten der Zweitmarktpolicen und unterschiedlicher Rahmenbedingungen differenziert betrachtet werden.
Fonds mit US-amerikanischen Policen
Hier handelt es sich um Risikolebensversicherungen (Term Life Insurance), teils mit Sparanteil und Kapitalstock. Die Fälligkeit hängt vom Sterbezeitpunkt der Versicherten ab; die Ablaufleistung wird sonst regelmäßig erst beim Erreichen des 100. Lebensjahres fällig (Whole Life; Universal Life). Die Probleme der Fonds ergeben sich zum einen aus der Tatsache, dass die Versicherten nicht so früh sterben, wie prognostiziert. Die Prämienzahlungen laufen jedoch weiter. Zum anderen wurden einige Fonds im Prospekt als vermögensverwaltend eingestuft, tatsächlich aber werden sie von der Finanzverwaltung als gewerbliche Unternehmen qualifiziert mit der Folge, dass die Erträge zu versteuern sind.
Beispiel: Ein Ehepaar aus Baden-Württemberg hatte im Juli 2003 zur ergänzenden Altersvorsorge eine Beteiligung an BVT Life Bond Fund II Dynamic über 60 000 USD zuzüglich fünf Prozent Agio gezeichnet. Bereits 2004 wurde eine signifikante Abweichung von der angenommenen Sterblichkeit festgestellt. Zudem wurde der Fonds entgegen den Prospektangaben von der Finanzverwaltung als gewerblich eingestuft, so dass die Erträge zu versteuern sind. Bis 2008 wurden statt der prognostizierten 71,38 Prozent nur neun Prozent ausgeschüttet. In diesem Fall kommt ein Schadensersatzanspruch gegen die beratende Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung in Betracht, da die Anlage der Altersvorsorge dienen sollte und keinerlei Aufklärung über die Eigenarten und Risiken derartiger Lebensversicherungs-Fonds erfolgte. Zudem hätte der Berater auch die Provisionen offen legen müssen.
Fonds mit britischen Policen
Bei den britischen Zweitmarktpolicen, Traded Endowment Policies (TEPs), besteht kein Anspruch auf eine Mindestverzinsung; es findet das sogenannte Smoothing statt, ein spezielles Glättungsverfahren zur Risikoabfederung. Im Unterschied zu deutschen können britische Kapitallebensversicherungen statt bis maximal 35 Prozent bis zu 100 Prozent in Aktien investieren. Zudem haben britische Fonds in der Regel einen hohen Fremdkapitalanteil.
Als Folge der Finanzkrise haben die Versicherungsgesellschaften die Rückkaufswerte erheblich reduziert – durchschnittlich um zwölf Prozent bis Mitte 2009. Sofern die Beleihungsgrenzen der Kredite überschritten werden, wird eine Rückgabe der Policen – zumeist mit Verlust – notwendig. Als eine weitere Folge verringern sich auch die Ablaufleistungen, wodurch die prognostizierten Erträge nicht erzielt werden können.
Beispiel: Eine Mandantin aus Eppstein hat 2005 zur ergänzenden Altersvorsorge eine Beteiligung an der Prorendita Britische Leben 2 über 10 000 Euro zuzüglich fünf Prozent Agio gezeichnet. Über das Geld wollten sie nach zehn Jahren wieder verfügen. Zur Einhaltung der Kreditbeleihungsgrenzen wurden Policen mit einem Verlust von rund 9,3 Prozent an die Versicherungsgesellschaften zurückgegeben. Ausschüttungen gab es nicht. Die Mandantin hat daher Rechtsanwälte beauftragt, die comdirect private finance AG außergerichtlich wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
Fonds mit deutschen Policen
Fonds mit deutschen Zweitmarkt-Policen arbeiten ebenfalls mit einem hohen Fremdkapitalanteil, zum Beispiel bei der König & Cie. Deutsche Leben III in Höhe von rund zwei Drittel des Investitionsvolumens, um durch den Hebeleffekt die Erträge zu maximieren. Auch bei den deutschen Lebensversicherungen sind die (Schluss-)Boni und die Ablaufleistungen reduziert worden. Die Rendite der Lebensversicherungen liegt oft unter den Fremdkapitalkosten.
Beispiel: Ein Anleger aus Achim hat auf Empfehlung eines Beratungsunternehmens eine Beteiligung an der König & Cie. Deutsche Leben III über 40 000 Euro zuzüglich fünf Prozent Agio gezeichnet. Der Fonds investiert in deutsche Kapitallebens- und Rentenversicherungen. Die Überprüfung des Portfolios hat ergeben, dass die Ablaufleistungen bei 43 Prozent der Policen hinter den ursprünglich angenommenen Werten zurückbleiben. Die Rendite der Lebensversicherungen liegt unter den Kosten des Fremdkapitals. In einer Gesellschafterversammlung wurde daher 2008 beschlossen, dass die Fondspolicen verkauft und der Fonds ebenso wie bereits zwei Vorgängerfonds abgewickelt werden sollen. Dabei ergibt sich nach den Hochrechnungen der Fondsverwaltung ein Verlust von 38,7 Prozent. Auch hier kommt wieder eine Haftung des Beratungsunternehmens auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Betracht, da weder eine rechtzeitige Prospektübergabe noch eine Risikoaufklärung erfolgte. Zudem wurden auch die Provisionen nicht offengelegt.
Bei Zweifel den Fachanwalt konsultieren
Juristische Ansatzpunkte für Schadensersatzleistungen können eine fehlerhafte Beratung, die fehlende Information über Rückvergütungen an die beratende Bank und Prospekthaftung aufgrund falscher Angaben sein. Gesellschafter von Lebensversicherungs-Fonds, die mit der Performance ihrer Anlage nicht zufrieden sind, sollten bei einem Fachanwalt rechtlichen Rat einholen. Eine Erstberatung ist bereits zu überschaubaren Kosten von etwa 250 Euro zu erhalten, bei einer juristischen Auseinandersetzung treten Rechtsschutzversicherungen ein, sofern sie bei Abschluss der Beteiligung bestanden haben.
Dr. Petra BrockmannFachanwältin für Bank- undKapitalmarktrechtMarcusallee 3828359 Bremen