Das Dental Vademekum

Parodontale Therapie mit lokalen Antibiotika

Parodontitis ist die durch Bakterien ausgelöste entzündliche Zerstörung des Zahnhalteapparats. Infektion und entzündliche Destruktion finden vor allem lokal statt. Lokal eingesetzte antibakterielle und entzündungsmodulierende Medikamente können deshalb die klassische mechanische antiinfektiöse Therapie wirksam unterstützen.

Das primäre Ziel zahnärztlicher Tätigkeit ist die langfristige Erhaltung natürlicher Zähne in einem gesunden, funktionellen, ästhetisch akzeptablen und schmerzfreien Zustand [Hirschfeld & Wasserman, 1978; SSO, 2000].

Dieses Gesamtziel wird in der systematischen Parodontitistherapie durch das Erreichen folgender Teilziele verfolgt:

1) Beseitigung der Infektion,2) Aufhalten der parodontalen Destruktion und, wenn möglich,3) Regeneration des zerstörten parodontalen Gewebes.

In den weitaus meisten Fällen reicht eine mechanische Entfernung der bakteriellen Zahnbeläge durch den Patienten (individuelle Mundhygiene) und den Zahnarzt (professionelle Zahnreinigungen, antiinfektiöse Parodontitistherapie, Parodontalchirurgie) aus, um Parodontitis erfolgreich zu behandeln und die beiden erstgenannten Ziele zu erreichen. Die infektiös-entzündliche Ätiologie der Parodontitis legt aber den Gedanken nahe, zu ihrer Therapie auch antimikrobiell wirksame Substanzen und gegebenenfalls Antibiotika einzusetzen. So ist bei aggressiven und generalisierten schweren chronischen Formen der Parodontitis, bei denen subgingival Aggregatibacter actinomycetemcomitans nachgewiesen werden konnte, die systemische Gabe von Antibiotika unterstützend zur mechanischen Therapie empfehlenswert, weil sich dieses Bakterium alleine mechanisch nicht zuverlässig unterdrücken lässt [Christersson et al., 1985; Mombelli et al., 1994; Eickholz et al., 2004].

Die Risiken der Sensibilisierung und der Resistenzbildung gehören zu den Nachteilen der Antibiotikatherapie allgemein. Aus diesen Gründen sollten in der Parodontologie möglichst nur solche Wirkstoffe eingesetzt werden, die in der Allgemein- und insbesondere in der Intensivmedizin keine große Rolle mehr spielen (wie Tetracycline). Zu den Nachteilen der systemischen Antibiotikagabe gehören aber auch systemische unerwünschte (Neben-)Wirkungen (wie Arzneimittelexanthem), die Beeinflussung von Bakterien außerhalb der Mundhöhle (wie Darmflora) und gegebenenfalls die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten (zum Beispiel orale Kontrazeptiva, Antikoagulantien). Es wäre günstig, über Antiseptika beziehungsweise Antibiotika zu verfügen, die nur subgingival und nicht systemisch wirken, da es bei der Parodontitistherapie primär um die Beeinflussung des subgingivalen Biofilms geht. Diese Überlegungen haben zur Entwicklung lokaler Anwendungsformen geführt. Diese sollen allein auf die Bakterien des subgingivalen Biofilms wirken. Allerdings führt der Strom des Gingivaexsudates (Sulkusflüssigkeit) 40-mal pro Stunde zur Erneuerung des Inhalts einer etwa 5 mm tiefen Tasche [Goodson, 1989]. Diese hohe Umsatzrate führt zu einer rapiden Reduktion der Konzentration von subgingival applizierten Substanzen. Es mussten deshalb Darreichungsformen entwickelt werden, die ein stabiles subgingivales Depot bilden, aus dem dann kontinuierlich in wirksamer Konzentration Antiseptika beziehungsweise Antibiotika freigesetzt werden. Lokale subgingivale Medikamententräger, die ihren Wirkstoff (Antibiotikum) in wirksamer Konzentration bis zu 24 Stunden abgeben, werden als „Sustained Release Device“ bezeichnet. Im Unterschied dazu setzen sogenannte „Controlled Release Devices“ ihren Wirkstoff länger als 24 Stunden lang frei [AAP, 2000].

Therapie mit Antiseptika und Antibiotika

Die lokale Applikation von Antiseptika und Antibiotika verfolgt drei Ziele [Eickholz, 2008]:

• Unterstützung der nichtchirurgischen mechanischen antiinfektiösen Therapie bisher unbehandelter Parodontitiden (zusätzliche Gabe zu Scaling und Wurzelglättung um den Therapieeffekt zu steigern und gegebenenfalls die Notwendigkeit für chirurgische Eingriffe zu verringern)

• Unterstützung der Reinstrumentierung in der unterstützenden Parodontitistherapie (zusätzliche Gabe zu Scaling und Wurzelglättung um den Therapieeffekt zu steigern)

• als Alternative zur subgingivalen Reinstrumentierung in der unterstützenden Parodontitistherapie (Gabe anstatt Scaling und Wurzelglättung um aber den gleichen Effekt zu erzielen).

Abbildung 1 veranschaulicht das Konzept der beiden erstgenannten Anwendungen: Nachdem durch mechanische Instrumentierung subgingivale Konkremente beseitigt und der Biofilm überwiegend entfernt wurden (Abbildungen 1a und 1b), wird der Medikamententräger nach subgingival appliziert und vernichtet Reste der subgingivalen Plaque, die in schlecht instrumentierbaren Nischen zurückgeblieben sind (Abbildungen 1c und 1d) [Eickholz, 2008].

Eine Metaanalyse, die den Effekt chirurgischer und nichtchirurgischer Parodontitistherapie mit und ohne topische Applikation von Antibiotika verglichen hat, konnte zeigen, dass die topische subgingivale Applikation von Antibiotika zusätzlich zu nichtchirurgischer subgingivaler Instrumentierung zu besseren klinischen Ergebnissen führte als die mechanische Therapie alleine [Hung & Douglass, 2002]. Bei der Beurteilung des Nutzens lokaler Antibiotika zusätzlich zu oder anstelle mechanischer Instrumentierung, sollte immer im Auge behalten werden, was mechanische Instrumentierung allein zu leisten vermag (Siehe Tabelle Seite 62) [Hung & Douglass, 2002; Eickholz 2008].

• Metronidazol

Ein biologisch abbaubarer Medikamententräger ist das Elyzol®25-prozentiges Dentalgel (Colgate Oral Pharmaceuticals, Hamburg). Es besteht aus 250 mg Metronidazol sowie Glyzerin und Sesamöl zu einem 1 g Gel (Abbildung 2a) und steht in Zylinderampullen (Abbildung 2b) zur Verfügung. Die subgingivale Applikation des Gels soll zweimal im Abstand von einer Woche erfolgen. Bei Kontakt mit dem Gingivaexsudat wird aus dem flüssigen Gel eine hochvisköse, adhäsive Substanz, die kontinuierlich Metronidazol abgibt, während sie sich auflöst. Die Konzentration von Metronidazol in der Sulkusflüssigkeit fällt aber nach Applikation des Gels exponential ab („Sustained Release Device“) [Stoltze, 1992; AAP, 2000]. Je nach Tiefe und Ausdehnung der zu behandelnden Taschen reicht eine Zylinderampulle für die Behandlung von drei bis fünf Läsionen [Eickholz, 2006].

• Chlorhexidin

Chlorhexidin-Chip

Ein biologisch abbaubarer Medikamententräger, der nicht mit einem Antibiotikum, sondern einer antimikrobiellen Substanz beschickt ist, ist der PerioChip®(Dexxon Ltd., Hadera, Israel; Vertrieb: Dexcel Pharma GmbH, Alzenau) (Abbildung 3a) [Jeffcoat, et al., 1998]. Der Medikamententräger hat die Form eines Biberschwanz-Dachziegels, der 5 mm lang, 4 mm breit und 0,35 mm dick ist (Abbildung 3c). Die biologisch abbaubare Matrix aus Gelatineglutaraldehyd-Polykondensat, Glyzerin und gereinigtem Wasser ist mit 34 Prozent Chlorhexidinbis (D-Glukonat) beladen. Die Applikation erfolgt mit einer zahnärztlichen Pinzette (Abbildung 3c). Bei Kontakt mit Flüssigkeiten wird der Chip sehr klebrig und muss deshalb manchmal mit einem zweiten Instrument von der Pinzette abgestreift werden. Ein PerioChip®ist jeweils für die Therapie einer Läsion vorgesehen [Eickholz et al., 2004; Eickholz, 2006, 2008].

• Doxycyclin

Zehnprozentiges Doxycyclingel

Der erste biologisch abbaubare Medikamententräger mit einem Tetracyclinderivat als Wirkstoff, der in Deutschland zugelassen wurde, war ein biologisch abbaubares Gel, das 10 Prozent Doxycyclin, 33 Gewichtsprozent Poly-DL-Lactid und 57 Gewichtsprozent N-methyl-2-pyrrolidon enthielt [Garrett et al., 1999]. Atridox®(CollaGenex Pharmaceuticals, Newtown, PA, USA) musste unmittelbar vor der Anwendung aus dem Doxycyclinpulver und der Polymerflüssigkeit angemischt werden. Bei Kontakt mit Gewebeflüssigkeit wurde das leicht fließende Gel, das mit einer stumpfen Kanüle gut nach subgingival appliziert werden konnte, fest. Es wurde so viel Gel appliziert, bis Überstände am Gingivarand erschienen. Diese konnten, wenn sie fest geworden waren, mit einem Heidemannspatel nach subgingival gedrückt werden. Allerdings löste sich das verfestigte Gel nicht immer vollständig auf, sodass in manchen Fällen Reste mit einer Kürette entfernt werden mussten [Eickholz et al., 2004; Eickholz, 2006, 2008]. Atridox®ist seit April 2006 nicht mehr im Handel. Ein identisches Produkt wird unter der Bezeichnung Doxyrobe®(Pfizer, Kirkland, Kanada) für die Therapie von Parodontitis in der Veterinärmedizin vertrieben [Zetner & Rothmueller, 2002].

14 Prozent Doxycyclingel

Ein weiterer biologisch abbaubarer Medikamententräger auf der Basis von Doxycyclin wird ab 2010 kommerziell erhältlich sein (Ligosan Slow Release®, Heraeus Kulzer, Hanau) (Abbildung 4a). Das 14-prozentige Doxycyclinpräparat mit einem synthetischen Polymerträgergel zur topischen subgingivalen Applikation wurde klinisch [Eickholz et al., 2002, 2005] und pharmakokinetisch [Kim et al., 2002, 2004, 2005] geprüft. Es lässt sich leicht applizieren: Nach relativer Trockenlegung der Applikationsstelle wird die Applikationskanüle bis auf den Boden der Tasche vorgeschoben und mit sanftem Druck solange Gel appliziert, bis es am Gingivarand erscheint. Dann wird die Kanüle langsam unter weiterer Applikation von Gel aus der Tasche herausgezogen (Abbildungen 4b bis 4e). Die Pharmakokinetik von Ligosan Slow Release®entspricht der von Atridox®[Kim et al., 2004, 2005]. Je nach Taschentiefe lassen sich mit einer Applikationseinheit Ligosan Slow Release®zwei bis fünf Stellen behandeln (Abbildung 4f).

• Minocyclin

Minocyclin-Microspheres

Arestin®(OraPharma Inc., Warminster, PA, USA) ist ein weiteres Präparat zur subgingivalen Applikation mit dem Wirkstoff Minocyclin (Abbildungen 5a bis 5f). Das Mino cyclin ist in Kugeln (Microspheres) aus biologisch abbaubarem Polyglycolid-co-DLlactid eingekapselt [Williams et al., 2001]. Dieses Pulver wird nach relativer Trockenlegung der zu behandelnden Stelle mit einem Applikator nach subgingival appliziert (Abbildung 5e). Bei der hydrolytischen Degradation der Polymerkügelchen wird Minocyclin freigesetzt. Eine Packung enthält zwölf Einzeldosen. Eine Einzeldosis enthält 1 mg Minocyclin-Hydrochlorid. Arestin®ist seit 2007 auch in Deutschland zugelassen.

Nutzen der subgingivalen Applikation dieser Mittel

Klinische Parameter

Die topische subgingivale Applikation antimikrobieller Medikamententräger wurde bisher überwiegend für die Therapie der chronischen Parodontitis untersucht. Nur in wenigen Studien wurden auch Patienten mit aggressiver Parodontitis therapiert [Eickholz et al., 2002, 2005]. So konnten für die adjuvante topische subgingivale Applikation zusätzlich zu nichtchirurgischer Instrumentierung bisher unbehandelter beziehungsweise rezidivierender Taschen bessere klinische Ergebnisse beobachtet werden als nach mechanischer Therapie und adjuvanter Applikation eines Placebo: PerioChip®[Jeffcoat et al., 1998], Arestin®[Williams et al., 2001], Ligosan Slow Release®[Eickholz et al., 2002]. In einer strukturierten Übersicht stellt sich der Vergleich zu alleiniger mechanischer Therapie oder Placebo wie folgt dar: Chlorhexidin-Chip (n = 331/335; p = 0,058), 10-Prozentiges und 14-Prozentiges Doxycyclingel (n = 158/158; p = 0,064), Minocyclin-Micropheres (n = 259/272); p = 0,006) [Hanes & Purvis, 2003]. Während für diese Ergebnisse die einmalige Applikation wie von Ligosan Slow Release®ausreichte [Eickholz et al., 2002], wurde zum Beispiel der PerioChip®über einen Zeitraum von neun Monaten in einzelne Taschen bis zu dreimal [Jeffcoat et al., 1998] appliziert. Neben der Häufigkeit der Wirkstoffgabe müssen bei der Beurteilung dieser Daten die Ausgangssondierungstiefen [Hung & Douglass, 2002] und die behandelten Zahntypen berücksichtigt werden. Je tiefer die Taschen vor Therapie, desto größer das Reduktionspotential. Läsionen mit Sondierungstiefen bis 5 mm erscheinen ohnehin als ungeeignet, um von zusätzlicher Anwendung topischer Antibiotika profitieren zu können. Bei mehrwurzeligen Zähnen muss mit ungünstigeren Ergebnissen als bei einwurzeligen Zähnen gerechnet werden. Der Vergleich verschiedener Studien zu gleichen oder unterschiedlichen Präparaten gestaltet sich daher schwierig [Greenstein, 2006].

Durch die adjuvante topische subgingivale Applikation von Antibiotika zusätzlich zu mechanischer Instrumentierung konnten bei der Therapie persistierender oder rezidivierender Taschen in der unterstützenden Parodontaltherapie (UPT) bessere klinische Ergebnisse erzielt werden: 14-prozentiges Doxycyclingel [Lang et al., 2005].

Bei der alleinigen subgingivalen Applikation von Medikamententrägern zur Therapie persistierender oder rezidivierender Taschen in der UPT wurden nur unwesentlich schlechtere oder gleiche klinische Ergebnisse erzielt wie bei Scaling und Wurzelglättung: Elyzol®[Stelzel & Florès-de-Jacoby, 1992], Ligosan Slow Release®[Eickholz et al., 2005].

Für Ligosan Slow Release®konnte gezeigt werden, dass die einmalige topische subgingivale Applikation des 14-prozentigen Doxycyclingels zusätzlich zu subgingivaler Instrumentierung während der UPT drei Monate nach Therapie zu einer besseren Reduktion der Furkationsbeteiligungen führte als die mechanische Therapie allein [Dannewitz et al., 2009]. Bisher existieren allerdings zu wenig Erkenntnisse über den Einfluss subgingivaler Antibiotika auf Furkationsbeteiligung, um Empfehlungen für deren Einsatz geben zu können.

Mikrobiologische Parameter

Drei und sechs Monate nach Scaling/Root Planing (SRP) mit topischer Applikation von Ligosan Slow Release®waren die Zahlen für Tannerella forsythia, Porphyromonas gingivalis und Treponema denticola um etwa eine Log-Stufe, für Aggregatibacter actinomycetemcomitans um etwa eine halbe Log-Stufe reduziert mit statistisch signifikantem Unterschied zu alleinigem SRP. Für T. forsythia und T. denticola bestand auch ein signifikanter Unterschied zum Placebo, für P. gingivalis und A. actinomycetemcomitans aber nicht [Ratka-Krüger et al., 2005]. Für die klinischen Parameter war der Unterschied zwischen Ligosan Slow Release®und Placebo deutlicher ausgefallen [Eickholz et al., 2002]. Möglicherweise beruht der Effekt der subgingivalen Applikation von Doxycyclin nicht allein auf dessen antimikrobieller, sondern auch der kollagenaseinhibitorischen Wirkung der Tetracyclinderivate [Golub et al. ,1985].

Subgingivale Applikation von Antibiotika

Der Einsatz der lokalen Antiseptikabeziehungsweise Antibiotikatherapie erscheint insbesondere in der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) bei Patienten als sinnvoll, bei denen nach abgeschlossener Parodontitistherapie die Wurzeloberflächen frei von harten Belägen sind, aber einzelne Stellen trotz subgingivalen Scalings noch persistierende oder auch nach chirurgischer Intervention rezidivierende, pathologisch vertiefte Taschen (Sondierungstiefe (ST) 5 mm und Bluten auf Sondieren) aufweisen. Bei diesen Patienten verursacht wiederholtes subgingivales Scaling langfristig nicht unerhebliche Hartsubstanzverluste und häufig Zahnhalsüberempfindlichkeiten. Einerseits wäre der Einsatz subgingivaler Medikamententräger alternativ zum Scaling eine mögliche Strategie diese Komplikationen zu vermeiden. Andererseits stellt die Gabe zusätzlich zur mechanischen Instrumentierung einen Weg dar, die persistierenden Taschen mit einem anderen als dem bisher vergeblichen allein mechanischen Konzept zu behandeln.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antiseptika und Antibiotika für die topische subgingivale Applikation Arzneimittel sind, die für diese Indikation nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) zugelassen wurden. Voraussetzung für eine solche Zulassung sind aufwendige Prüfverfahren hinsichtlich der toxikologischen Unbedenklichkeit von wirksamer Substanz und Trägermaterial, der klinischen Wirksamkeit sowie pharmakologischen Verfügbarkeit und schließlich der Herstellungsqualität. Diese Zulassungen berücksichtigen auch mögliche unerwünschte Wirkungen, auf die in Beipackzetteln hingewiesen wird. Bei der Verwendung nach eigenen Rezepten in der Apotheke oder gar selbst gemischten Antibiotikasalben fehlt diese Dokumentation der toxikologischen Unbedenklichkeit von wirksamer Substanz und Trägermaterial sowie der klinischen Wirksamkeit und pharmakologischen Verfügbarkeit. Solche Antibiotikasalben haben keine Zulassung nach AMG. Bei unerwünschten Wirkungen besteht daher ein maximales Haftungsrisiko für den Behandler, der solche nicht nach AMG zugelassenen Medikamente appliziert.

Die aktuelle 10. Ausgabe „Das Dental Vademekum“ (DDV) liefert im Kapitel 8 „Parodontologie“ unter „Chemotherapeutika und lokale Antibiotika“ aktuelle und zuverlässige Informationen zu den antimikrobilellen Substanzen zur topischen subgingivalen Applikation („lokale Antibiotika“) (Abbildung 6). Der Markt der „lokalen Antibiotika“ für die parodontale Therapie ist ständigen Veränderungen unterworfen: Produkte erscheinen auf dem Markt und verschwinden wieder (siehe Atridox/Doxyrobe®). Im DDV findet man Orientierung zu Indikationen, Zusammensetzung, indikationsbezogener Zulassung der manchmal kurzlebigen Produkte.

Periimplantäre Infektionen

Die Therapie periimplantärer Infektionen ist ein weitgehend ungelöstes Problem. Raue Implantatoberflächen begünstigen die Osseointegration, aber auch die Anlagerung des Biofilms. Wird der Biofilm mechanisch entfernt, besteht die Gefahr die empfindliche Implantatoberfläche irreversibel zu beschädigen. Hoffnungen werden in diesem Kontext zum einen auf die Dekontamination der Implantatoberflächen mit LASERLicht [Friedman et al., 2006] oder Pulverstrahlsystemen gesetzt. Zum anderen könnten hochkonzentrierte lokal applizierte antimikrobielle Wirkstoffe ein wertvolles Therapiemittel sein.

Erste vielversprechende Ergebnisse wurden in einer Fallserie nach Applikation von Tetracyclinfäden in periimplantäre Läsionen berichtet: Zwölf Monate nach Therapie wurden Reduktionen der ST und knöcherne Auffüllung verzeichnet [Mombelli et al., 2001]. Im Vergleich zu 1 Prozent Chlorhexidin-Gel erzielte die periimplantäre Applikation von Minocyclin-Microspheres bei der Therapie periimplantärer Mukositis bessere Reduktionen der ST [Renvert et al., 2006]. In einer weiteren Fallserie wurden zwölf Monate nach Applikation von Minocyclin-Microspheres in periimplantäre Läsionen deutliche Reduktionen der ST beobachtet [Salvi et al., 2007]. Dieses relevante Indikationsgebiet bedarf aber weiterer Abklärung. Keines der zur Zeit kommerziell erhältlichen Präparate verfügt über eine AMG-Zulassung für die Indikationen periimplantäre Mukositis und Periimplantitis.

Zusammenfassung

Die lokale Applikation von Antiseptika und Antibiotika verfolgt drei Ziele: 1) Unterstützung der nichtchirurgischen mechanischen antiinfektiösen Therapie bisher unbehandelter Parodontitiden (zusätzliche Gabe zu Scaling und Wurzelglättung, um den Therapieeffekt zu steigern und gegebenenfalls die Notwendigkeit für chirurgische Eingriffe zu verringern), 2) Unterstützung der Reinstrumentierung in der unterstützenden Parodontitistherapie (zusätzliche Gabe zu Scaling und Wurzelglättung um den Therapieeffekt zu steigern) und 3) als Alternative zur subgingivalen Reinstrumentierung in der unterstützenden Parodontitistherapie (Gabe anstatt Scaling und Wurzelglättung, um aber den gleichen Effekt zu erzielen). Es existieren verschiedene Präparate für die topische subgingivale Applikation, deren Wirksamkeit für diese Indikationen bei chronischer Parodontitis gezeigt wurde. Erste vielversprechende Ergebnisse liegen auch für die Therapie periimplantärer Infektionen vor.

Prof. Dr. Peter EickholzPoliklinik für ParodontologieZentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheil kunde (Carolinum)Johann Wolfgang Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt am Maineickholz@med.uni-frankfurt.de

\n

ST-Reduktion

p

Attachmentgewinn

p

\n

Sondierungstiefen vor Therapie

6 Monate nach Therapie (n = 102)

\n

\n

1-3 mm

0,04

0,28

- 0,15

0,01

\n

4-6 mm

1,07

0,0001

0,6

0,0001

\n

> 7 mm

1,97

0,0001

1,21

0,0001

\n

12 Monate nach Therapie (n = 244)

\n

1-3 mm

0,21

0,0002

- 0,23

0,33

\n

4-6 mm

1,16

0,0001

0,52

0,001

\n

> 7 mm

2,20

0,0001

1,42

0,0001

\n

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