Jahrestagung der DGCZ

Digitaltechnik erweitert den klinischen Einsatz

Die Jahrestagung der DGCZ (Deutsche Gesellschaft für computergestützte Zahnheilkunde e.V.) hat sich zu einer der größten, wissenschaftlichen Veranstaltungen für Digitaltechnik und computergestützte Verfahren in der Zahnheilkunde entwickelt. Als Fachgesellschaft der DGZMK arbeitet diese Gruppe eng mit der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe sowie auf internationaler Ebene mit der International Society of Computerized Dentistry (ISCD) und anderen wissenschaftlichen Organisationen zusammen.

Die diesjährige, 18. Jahrestagung der DGCZ, von über 300 Teilnehmern besucht, entwickelte durch die Mitwirkung universitärer Referenten und niedergelassener, CAD/CAM-erfahrener Zahnärzte unter der Leitung von Dr. Bernd Reiss, Malsch, und Dr. Klaus Wiedhahn, Buchholz, jenen Reifegrad wissenschaftlicher und praktischer Kompetenz, die den Wert eines Symposiums auszeichnet.

Den Nutzen der digitalen, intraoralen Abformung thematisierte Prof. Albert Mehl, Physiker, Humanbiologe und Zahnarzt, der vor kurzem für die Stiftungsprofessur für Computergestützte Restaurative Zahnmedizin an die Universität Zürich berufen wurde und damit die Arbeit von Prof. Werner Mörmann fortsetzt. In seinem Beitrag „Optische Abformung und Biogenerik – neue Möglichkeiten der restaurativen Zahnmedizin“ definierte Mehl den Vorteil der CAD/CAM-Technik, der sich daraus ableitet, dass alle Systeme das Potential für eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis ohne Qualitätseinbußen bei der Konstruktion und Fertigung von konservierenden und prothetischen Rekonstruktionen bieten. Entscheidend für die Passung der Restauration ist die Messgenauigkeit von Kamera und Scanner. Die Detailauflösung konnte laut Mehl gesteigert und die Messtoleranz dadurch um den Faktor zwei reduziert werden, dass das lichtoptisch arbeitende System kurzwelliges Blaulicht (470 Nanometer Wellenlänge) zur Erfassung der Zahnoberflächen emittiert. In Vergleichsmessungen mit einem geeichten, stationären Referenzscanner zeigten Quadranten-Scans, mit Cerec AC aufgenommen, eine Abweichung von rund 35 Mikrometer (Mittelwert). Dieser Wert ist klinisch akzeptabel, auch für Brückenrekonstruktionen innerhalb eines Quadranten. Bei Ganzkieferaufnahmen treten etwa 51 Mikrometer Abweichung auf (Abbildung 1). Mit neuen Messmethoden und Einsatz von klinischen Ganzkiefersituationen konnte erstmalig nachgewiesen werden, dass bei konventionellen Abformverfahren, zum Beispiel mit Polyäther und Gipsmodell, ebenfalls Abweichungen und zwar von rund 43 Mikrometer auftreten. Damit kommt die Genauigkeit der Ganzkieferaufnahme mit dem lichtop tischen Verfahren schon in die Größenordnung konventioneller Abformungen. Durch weitere Software- Anpassungen dürften sich diese Werte laut Mehl noch deutlich verbessern lassen. Andererseits können niedrigere Toleranzwerte der Datensätze von den heute in der Dentaltechnik verwendeten Fräs- und Schleifeinheiten nicht entsprechend umgesetzt werden. Maschinen, die auf geringere Toleranzwerte ausgelegt sind, erforderten jedoch Investitionsmittel, die das in Dental vertretbare Kostenniveau deutlich übersteigen würden.

Signifikant abweichende Toleranzen wurden noch bei stereolithografisch hergestellten Ganzkiefer-Kunststoffmodellen (SLA) gemessen. Die Abweichung wird der Polymerisationsschrumpfung des Acrylats zugeschrieben. Deshalb ist es laut Mehl angezeigt, für das zahntechnische Ausschleifen des Gerüsts den digital generierten Datensatz zu verwenden und das SLA-Modell lediglich für das Verblenden der Restauration zu nutzen. Für die Registrierung der Interkuspitation beim habituellen Schlussbiss, bisher mit einem plastischen Okklusal- Registrat ermittelt, kann nun alternativ eine lichtoptische Quadrantenaufnahme von bukkal erstellt werden. Die Software führt Präparation und Gegenbezahnung exakt zum virtuellen Modell mit habitueller Interkuspitation zusammen (Abbildung 2).

In Entwicklung befinden sich laut Mehl Verfahren, elektronisch gewonnene Kaubewegungsdaten des Patienten in ein Artikulationsprogramm zu überführen. Dadurch wird es künftig möglich sein, bereits bei der CAD-Konstruktion Kaubewegungen zu simulieren und Zahnführungsbahnen sowie funktionell ausgerichtete Kontaktflächen zu reproduzieren (Abbildung 3).

Okklusalkonzepte zur Gestaltung von Kauflächen basieren in der Aufwachstechnik weitgehend auf persönlichen Erfahrungen des Zahntechnikers. Untersuchungen an den Universitäten München und Zürich haben gezeigt, dass manuell angefertigte Okklusal-Morphologien gegenüber dem Testmodell Abweichungen bis zu ± 350 Mikrometer aufwiesen. Deshalb erfordern Kauflächen mit funktionellen Eigenschaften gute anatomische Kenntnisse. Die biogenerische Kauflächen-Berechnung, seit einiger Zeit in der Cerec-Software V3.80 hinterlegt, stützt sich auf metrische Messungen von zahntypischen Merkmalen – wie Höckerspitzen, Lage der Fissuren, Randleisten, Höhenprofile. Dadurch wurden natürliche Gesetzmäßigkeiten entschlüsselt, die jedem Zahn genetisch zugrunde liegen und für harmonische Kaufunktionen sorgen. Der Scan eines Referenzzahns, idealerweise in Nachbarschaft der Kronenrekonstruktion gelegen, wird in einer Korrespondenzanalyse mit einem im System hinterlegten Algorithmuszahn des Zahntyps abgeglichen. Abweichungen werden als typische Merkmale in die Berechnung der okklusalen und approximalen Kontaktflächen eingespeist. Als Ergebnis entsteht eine Zahnform, der hinsichtlich Aussehen und Funktion nicht nur exakt zu den restlichen Zähnen passt, sondern auch in allen wesentlichen Zahnstrukturen der ursprünglichen Morphologie entspricht. Die patientenspezifische Okklusalfläche bietet den Vorteil, dass die berechnete Form auch funktionelle Eigenschaften hat und sich so harmonisch in das natürliche Zahnbild einfügt. So sind bei der definitiven Eingliederung kaum noch Einschleifmaßnahmen erforderlich (Abbildungen 4).

Neue Konzepte für die Behandlung

Die Bisserhöhung und den Aufbau von funktionellen Stützzonen bei stark abradierten Zähnen thematisierte Prof. Daniel Edelhoff, Universität München. Diese „Table Tops“ werden zuerst als temporäre Langzeitversorgungen ausgeführt, um Bissverhältnisse und Funktion umzustellen, erst dann erfolgt die definitive Restauration mit Vollkeramik. Für diese temporären Repositions-Onlays als „Restaurationsentwurf“ eignen sich PMMA-Kunststoffe als Blocks, die im CAD/CAM-Verfahren ausgefräst werden (Artegral, Merz; CAD-Temp, Vita; Everest C-Temp, Ka- Vo; Paradigm MZ 100, Espe; Polycon, Straumann; Telio CAD, Ivoclar). Die präparative Behandlung der Okklusalfläche erfolgt sehr substanzschonend, die Schichtdicke des PMMA (Telio) wurde bis 0,3 mm ausgedünnt. Befestigt wurde mit dualhärtendem Kompositzement (Abbildung 5). Die PMMABlocks sind auch für temporäre Kronenund Brückenprovisorien geeignet. Seitenzahnbrücken bis zu zwei Zwischenglieder können bis maximal zwölf Monate getragen werden.

Verblendkeramiken auf metallgestützten oder oxidkeramischen Gerüsten haben eine ästhetische Aufgabe zu erfüllen. Jedoch werden in der Fachwelt Verblendfrakturen (Chippings) bei Kronen und Brücken auf ZrO2-Gerüsten diskutiert. Mit der Rapid Layer-Technik (Vita) – auch CAD-on (Ivoclar) genannt – stellte Dr. Wiedhahn ein neues Verblendverfahren vor, das die zugbelastungskritischen Schwachstellen der geschichteten Fluorapatit-Sinterglaskeramik und deren geringe Biegebruchfestigkeit (40 MPa) kompensieren kann. Im Prinzip wird die Verblendung computergestützt aus Feldspatkeramik als dünne Schale ausgeschliffen und auf das ZrO2-Gerüst aufgesintert (Ivoclar) oder geklebt (Vita). Die CADSoftware (Cerec V3.80) rechnet bei der Konstruktion des ZrO2-Gerüsts die biogenerisch gestaltete, vollanatomische Außenform um Verblendschichtdicke zurück. Die Software zerlegt das Gerüst (Primärstruktur) und die hinterschnittfreie Verblendschicht (Sekundärstruktur) in zwei Datensätze für getrennte Schleifprozesse. Die Verblendschale wird aus Feldspatkeramik (TriLuxe forte, Vita) oder aus Lithiumdisilikat (e.max CAD-on, Ivoclar) ausgeschliffen. Nach der Politur erfolgt die Verklebung (Vita) durch Monomerphosphat beziehungsweise Selbstadhäsives Komposit – oder die Aufsinterung (Ivoclar) auf dem Gerüst. Dadurch entsteht ein spannungsfreier Verbund am Interface Verblendung und Gerüst; das Chipping-Risiko wird reduziert. Die Mindestwandstärken von Gerüst und Verblendung werden automatisch prozesskontrolliert (Abbildung 6).

Zwei Minuten entscheiden …

… ob eine Restauration zwei, fünf oder 15 Jahre hält. Mit diesen Worten wies Prof. Roland Frankenberger, Marburg, darauf hin, dass die adhäsive Befestigung eine exakte Handhabung benötigt, dafür aber einen dauerhaften Verbund an Schmelz und Dentin gewährleistet. Hierbei zeigen die Mehr- Flaschen-Systeme (Syntac und andere) die besseren Langzeitergebnisse hinsichtlich Dentinhaftung und Randperfektion. Drehund Angelpunkt ist die Schmelzätzung (SÄT); sie bereitet einen innigen Verbund am Interface Zahn zur Keramik vor. Für Glaskeramik ist die SÄT unabdingbar. Für Lithiumdisilikat (LS2) haben sich auch selbstadhäsive Präparate bewährt (RelyXUnicem, Multilink, Panavia F2.0, Maxcem, G-Cem und mehr). Selbstadhäsiv gilt auch für Oxidkeramiken (Al2O3, ZrO2), die überwiegend Dentin als Kontaktfläche haben. Bei konventioneller Befestigung sollte Glasionomerzement gewählt werden. Laut Frankenberger liegt der Vorteil des Chairside-Verfahrens in der vollkeramischen Sofortversorgung ohne Provisorium. Temporär eingesetzte PMMA-Inlays und -Onlays mit dem geringen E-Modul des Kunststoffs destabilisieren dünnwandige Höcker, lösen unter Kaubelastung Schmelzranddefekte aus, und provisorische Zemente kontaminieren die Kavität und verschlechtern trotz Reinigung den Haftgrund für die adhäsive Befertigung (Abbildung 7). Das Abstrahlen von Dentinoberflächen mit Prophypearls verringern bei nachfolgender selbstadhäsiver Befestigung die Haftung am Dentin. Die Carbonatpartikel verhindern die Adhäsion zwischen Befestigungskomposit und Zahn. Lediglich Bimssteinpulver ist zur Reinigung der Kavität angezeigt.

Feldstudie in der Praxis

In der Praxis platzierte klinische Feldstudien haben den Vorteil, dass die dokumentierten Fälle sich aufgrund der Patiententreue über einen langen Zeitraum verfolgen lassen. Eine der wenigen Studien, die vollkeramische Restaurationen in einem Praxis-Panel über einen langen Zeitraum begleitet, ist die „Ceramic Success Analysis“ (CSA) unter der Leitung von Dr. Bernd Reiss, unterstützt von der DGCZ und der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik). Reiss erklärte die Struktur der Studie, bei der der teilnehmende Zahnarzt nach Registrierung seine Befunde auf der Plattform www.csa-online.de eingibt. Darauf wird sofort und anonym ein individuelles, grafisches Behandlungsprofil dargestellt, das das klinische Vorgehen und die Ergebnisse mit jenen aller anderen Studienteilnehmer vergleicht. Derzeit sind mehr als 5 700 Restaurationen aus über 200 Praxen Grundlage der Ergebnisse.

Die Auswertung von über 3 000 Nachuntersuchungen zeigte, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit (Kaplan-Meier) für vollkeramische Inlays, Onlays, Teilkronen und Kronen nach 13 Jahren bei 83 Prozent und damit auf jenem Wert liegt, der in der Literatur auch Gussrestaurationen zugeschrieben wird. Restaurationen aus präfabrizierter, CAD/CAM-ausgeschliffener Industriekeramik wiesen doppelt so hohe Überlebensraten auf als laborgeschichtete Versorgungen (Abbildung 8).

Manfred Kern, DGCZDeutsche Gesellschaft fürComputergestützte Zahnheilkunde e.V.Karl-Marx-Straße 12, 12043 Berlinmanfr.kern-dgcz@t-online.de

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