Vielseitige Aktivitäten belohnt
Im Bereich Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege in der Altenpflegeausbildung liegt bekannterweise noch einiges im Argen. Immer mehr Patienten in höherem Alter haben noch eigene Zähne, sind prothetisch aufwendig saniert und leiden an Parodontopathien, Perioimplantitiden sowie freien Zahnhälsen.
Oralkonzept für die Altenpflege
Vor dem Hintergrund dieser verbesserungswürdigen Pflegeverhältnisse wurde ein zukunftweisendes oralprophylaktisches Schulungskonzept unter der Leitung von Dr. Elmar Ludwig, Ulm, in Kooperation mit der Konferenz der Altenpflegeschulen in Baden-Württemberg (KAS) erarbeitet. Diese Arbeit erhielt den ersten Preis in der Kategorie Öffentliches Gesundheitswesen.
Bislang werden in der bundeseinheitlichen Altenpflegeausbildung für den Mundbereich lediglich die Soor- und Parotitisprophylaxe erwähnt, die vornehmlich auf Patienten mit herausnehmbarem Zahnersatz sprich Totalprothesen ausgerichtet waren. Ziel dieser Studie war nun die Entwicklung eines Gesamtkonzepts für die Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege, das den veränderten Zahn-Verhältnissen von Senioren, die auch in höherem Alter noch teilbezahnt oder mittels Implantaten umfangreich prothetisch rehabilitiert sind, gerecht wird.
Für das Lernfeld „Alte Menschen personen- und situationsgerecht pflegen“ wurden drei Ausbildungsmodule sowie ein Fortbildungsmodul entwickelt. Die Lehr- und Lernmittel (Schulungsvorträge, Skripte, Pflegefilm, Übungsmodell und Phantomkopf) berücksichtigen dabei in besonderem Maße die Anforderungen der Pflegepraxis. Der Unterricht wird im ersten Ausbildungsjahr durch Fachlehrer der Pflegeschulen durchgeführt. Im zweiten und dritten Ausbildungsjahr wie auch in der Fortbildung übernehmen Zahnärzte aus der Praxis dann die Schulungen.
Nach einer einjährigen Erprobungsphase folgte zwischen April 2011 und Februar 2012 die eigentliche Studie an zehn privaten Altenpflegeschulen. Begleitende Lernzielkontrollen vor und nach den Schulungen sollten den theoretischen Lerngewinn dokumentieren. Evaluationen durch die Schüler sowie durch die Referenten ermöglichten zudem eine weitere kritische Prüfung der Lehr- und Lernmittel. Von 836 Datensätzen aus 42 Klassen konnten schließlich 672 Datensätze zur Auswertung herangezogen werden.
Der theoretische Lerngewinn erreichte nach Jahrgängen ausgewertet bis zu 24,6 Prozent. Einzelne Klassen konnten einen Lerngewinn von bis zu 38 Prozent erreichen, und bei der Auswertung einzelner Aussagen betrug der Lerngewinn sogar bis zu 57 Prozent.
In allen Ausbildungsjahrgängen sowie in der Fortbildung wurde eine deutlicheSteigerung der subjektiv empfundenen Kompetenz angegeben – was ja die Grundvoraussetzung für die Durchführung einer adäquaten Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege bei pflegebedürftigen Menschendarstellt. Die Lehrer und zahnärztlichen Referenten waren mit den Inhalten der Schulungen nahezu einstimmig einverstanden und bestätigten die Durchführbarkeit des Konzepts in der Praxis. Aufgrund deserfolgreichen Ergebnisses ist nun geplant, die Ergebnisse dieser Studie im Rahmen der aktuell angestrebten Harmonisierung der Ausbildung zum Altenpfleger, der Kinder- und Gesundheits- sowie Krankenpflege dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe vorzustellen.
Spezielle Prophylaxe bei Bisphosphonat-Therapie
Die Autorengruppe um Dr. Thomas Mücke, Klinikum rechts der Isar, TU München, beschäftigte sich mit Bisphosphonat-assoziierten Knochennekrosen (BRONJ), Erkrankungen der Kieferregion, die bei Patienten mit malignen Grunderkrankungen durch spezifische pathophysiologische Prozesse bei vorliegenden dentogenen Foci auftreten, und erhielt dafür den zweiten Preis im Sektor Wissenschaft. Um eine solche Erkrankung trotz Bisphosphonat-Therapie zu vermeiden, war es Ziel der vorliegenden Studie, prophylaktische und therapeutische Maßnahmen zur Beseitigung möglicher Zahnfoci zu ergreifen. In der eingereichten Arbeit wurden regelmäßige Recalls der einzelnen Patienten in zwölfwöchigen Abständen durchgeführt. Die Patienten wurden vor geplanter Bisphosphonat-Therapie mit Zoledronat vorgestellt und entsprechend dem klinischen Befund prophylaktisch oder therapeutisch behandelt. Als Vergleichsgruppe wurden Patienten herangezogen, die keine Intensivprophylaxe bekamen und ihre empfohlenen regelmäßigen Wiedervorstellungstermine beim Hauszahnarzt in Anspruch nahmen. Insgesamt 208 Patienten nahmen an der Studie teil. Prospektiv wurden 45 Patienten von Januar 2008 bis Februar 2012 behandelt. Eine BRONJ trat bei einem Patienten (2,2 Prozent) der Studiengruppe und bei 38 (23,3 Prozent) Patienten der Vergleichsgruppe auf. Zwischen beiden Patientengruppen wurde ein signifikanter Unterschied (Regressionsanalyse, p=0,01; 95 Prozent CI = 0,01 bis 0,561) festgestellt. Der Vergleich von API (Approximalraum-Plaque-Index) und PSI (parodontaler Screening-Index) zum Zeitpunkt der Erstvorstellung mit dem letzten Befund ergab einen hochsignifikanten Unterschied zwischen beiden Behandlungszeitpunkten (p 0,0001).
Damit war bewiesen, dass die Eingliederung von onkologischen Patienten in eine Bisphosphonat-Sprechstunde zur Verbesserung des Zahnstatus durch prophylaktische und konservierende Maßnahmen und die frühzeitige Therapie aufgrund der vorhandenen Risikofaktoren bei diesen Patienten für die Vermeidung einer BRONJ eine sehr sinnvolle und zugleich wirkungsvolle Maßnahme darstellen, denn die Verbesserung der Mundhygiene bei den Patienten durch die Recalls zeigte einen signifikanten Effekt auf die Mundgesundheit, insbesondere bezogen auf die Patienten der Vergleichsgruppe. Ebenso konnten die Probanden positiv motiviert werden, was die Mundgesundheit positiv beeinflusste.
Karies-Risikogruppe gezielt angehen
Obwohl sich die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen in Deutschland in den letzten 30 Jahren erfreulich positiv entwickelt hat, verteilt sich die Hauptlast der Karies auf einen kleinen Teil der Kinder und Jugendlichen (etwa 20 Prozent). Ziel der eingereichten Arbeit war es nun, auch in dieser Gruppe effiziente Effekte bezüglich eines verbesserten Oralbewusstseins zu erzielen. Für diese Untersuchung wurde der zweite Preis im Sektor Öffentlicher Gesundheitsdienst vergeben. So wurde an ausgewählten Beispielen aus der Praxis des Zahnärztlichen Dienstes im Kreis Unna durch Dr. Claudia Sauerland aufgezeigt, dass sich durch kontinuierliche Vorgehensweise neben den zuverlässigen Effekten bei dem größeren Teil der Kinder und Jugendlichen auch in der allgemein als schwer erreichbar geltenden Bevölkerungsgruppe in prekärer sozialer Lage deutliche und ermutigende Effekte einstellen und nachweisen lassen. Dies geschieht – eingebettet in ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem – durch die Beschreitung neuerWege mit den Schlüsselelementen Steuerung, Planung, Kommunikation und Netzwerkbildung: Prophylaxeaktivitäten werden gezielt und punktgenau dort intensiviert durchgeführt, wo der Bedarf am höchsten ist. Durch Setting-Ansätze wie die tägliche Zahnpflege in Kindertagesstätten undOffenen Ganztagsschulen lässt sich nicht nur die Gewohnheitsbildung fördern. Es sind bereits mittelfristig Effekte nachweisbar, von denen insbesondere Kinder mit Kariesneigung und erhöhtem Kariesrisiko profitieren können. Die moderne Ausrichtung von zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen erzielt – gezeigt am Beispiel der Versiegelungsrate – bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko neben traditionelltertiären auch primärpräventive Effekte. Die Etablierung eines neuen und nachhaltigen Systems nachgehender Fürsorge mit optimierter Kommunikation hat bewirkt, dass sowohl der Anteil an zahnärztlich unversorgten Kindern und Jugendlichen insgesamt als auch der Anteil an dauerhaft unbehandelten Schülerinnen und Schülern deutlich reduziert werden konnte. Schließlich lässt sich durch die Netzwerkbildung auf Kreisebene und die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern nicht nur die (zahn)gesundheitliche, sondern oftmals die Gesamtsituation von Kindern in schwierigen Lebenslagen erheblich verbessern, so die Studie.
Schmelzabrasion und Anpressdruck
Nicht-kariöse Zahnhartsubstanzdefekte werden in der Regel durch ein komplexes Zusammenspiel von erosiven und abrasiven Einflüssen hervorgerufen. Während das Zähnebürsten auf gesunder Zahnhartsubstanz im Rahmen der normalen häuslichen Mundhygiene nahezu keinen Abtrag hervorruft, können erosive Läsionen durch das Zähneputzen durchaus verstärkt werden, wenn sowohl die Abrasivität der Zahnpasta, die verwendete Zahnbürste und ein erhöhter Anpressdruck eine Rolle spielen. Diese Effekte untersuchten PD Dr. Annette Wiegand und ihr Team aus Zürich (erster Preis Wissenschaft). Ziel der vorliegenden Studie war es im Speziellen, den Anpressdruck von Schall- und Handzahnbürsten in vivo zu bestimmen und den Effekt der Anpressdrücke auf die Abrasion von gesunder und erodierter Zahnhartsubstanz in vitro zu untersuchen.
Der Anpressdruck beim Zähnebürsten mit einer Handzahnbürste und zwei Schallzahnbürsten (Sonic complete, Oral B; Sensonic Professional, Waterpik) wurde bei 27 Probanden gemessen. Die in vivo gemessenen Werte wurden in das In-vitro-Experiment übertragen, in dem gesunde und erodierte Schmelz- und Dentinproben mit dem entsprechenden Anpressdruck mit einer fluoridierten Zahnpasta gebürstet wurden. Die Schallzahnbürsten wurden mit signifikant niedrigerem Anpressdruck (0.9 ± 0.2 N) als die Handzahnbürste (1.6 ± 0.3 N) verwendet und führten zu einer signifikant geringeren Abrasion von gesundem und erodiertem Dentin. Auf gesundem und eroderiertem Schmelz zeigten sich nur geringfügige Unterschiede zwischen den Zahnbürsten.
Aus den Ergebnissen leiteten die Autoren ab, dass Patienten mit freiliegenden und/oder erodierten Dentinoberflächen zur Minimierung von Abrasionen die Verwendung von Schallzahnbürsten empfohlen werden sollte.
Zahnputz-Videoanalyse bei jungen Erwachsenen
Die Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege in Hessen hat verbindliche Vorgaben zur Mundhygieneerziehung in der Gruppenprophylaxe formuliert. Ziel ist, die Kinder „mit einer fürs Leben effektiven Zahnputzsystematik zu entlassen“. Ebenso soll im Zuge der Individualprophylaxe eine individuell abgestimmte Zahnputztechnik erarbeitet werden. Am Ende dieser strukturierten Präventionsprogramme sollten junge Erwachsene hinreichende Mundhygienetechniken erlernt haben.
Bislang ist jedoch wenig über das definitive Mundhygieneverhalten dieser Personengruppe bekannt. Als Teil einer größeren Studie ging das Team um Tobias M. Winterfeld aus Marburg und Gießen mit einer Videoanalyse der Frage nach, wie Personen dieser Altersgruppe (n = 101) mit Zahnbürste und Zahnseide umgehen und erhielt dafür einen Sonderpreis. Neben etablierten Parametern wie der Zahnputzdauer wurden verschiedene Aspekte der Bewegungsabläufe bei der habituellen Mundhygiene mit Zahnbürste und Zahnseide untersucht.
Die Studie konnte zeigen, dass nur wenige junge Erwachsene eine systematisch durchgeführte Putztechnik erkennen lassen. Die Bewegungsabläufe waren durch häufige Wechsel zwischen den anterioren und posterioren Regionen und der Bevorzugung der Vestibulärflächen gekennzeichnet und enthielten Elemente, die im Rahmen der Mundhygieneerziehung im Kindesalter vermittelt werden. Viele Probanden erreichten nicht alle Mundregionen, vor allem nicht die Oralregion der Seitenzähne. Weniger als die Hälfte der Teilnehmer benutzte Zahnseide, davon erreichten nur zehn Prozent alle Interdentalräume, nur vier Prozent beherrschen eine suffiziente Technik.
Diese Ergebnisse konnten zeigen, dass junge Erwachsene die in der Gruppen- und Individualprophylaxe bestehenden Empfehlungen in Bezug auf die Mundhygiene nicht hinreichend umsetzen können.
sp/pm