Fortbildungsteil 2/2012

Korrektur zahnärztlicher Restaurationen

Roland Frankenberger
Minimal-Invasivität bedeutet nicht nur eine defektorientierte, schonende Präpa-ration, echte Minimal-Invasivität beginnt schon bei der schonenden Exkavation. Darüber hinaus sind neben der Präparation jedoch auch die Nachhaltigkeit der restaurativen Therapie und nicht zuletzt die Reparabilität entscheidend für das Gesamtbild. Andernfalls kostet die oft routinemäßige Kompletterneuerung farblich perfekt adaptierter Restaurationen viel zu viel gesunde Zahnhartsubstanz. Daher beschäftigt sich der vorliegende Beitrag mit der Reparatur/Korrektur zahnärztlicher Restaurationen.

Bei aller Begeisterung für die modernen Techniken zur indirekten und direkten Restauration mittels Adhäsivtechnik sind manchmal auch Misserfolge zu verzeichnen, die aber bei der Weiterentwicklung der restaurativen Verfahren helfen können.

Auch wenn der erfahrenste Behandler am Werk ist, selbst geringe Misserfolgsraten [Manhart et al., 2004] sind im Einzelfall unangenehm. Denn im Rahmen der Adhäsiven Zahnheilkunde ist eine komplette Neuanfertigung sowohl mit erhöhtem Zeitaufwand als auch mit einem erhöhten Risiko der Mitentfernung gesunder Zahnhartsubstanz verknüpft.

Minimal-Invasivität ist ein positiv belegter Terminus. Aber echte Minimal-Invasivität ist nur dann wirklich erreicht, wenn neben der schonenden Exkavation und der defektorientierten Präparation nachhaltig restauriert wird und im Versagensfall ernsthaft über eine Reparatur/Korrektur nachgedacht wird, anstatt einfach draufloszubohren und die zuvor geschonte, gesunde Zahnhartsubstanz zu entfernen.

Aber die Adhäsive Zahnmedizin wiederum erlaubt es, zahnärztliche Res-taurationen zu reparieren, ohne gleich eine substanzraubende Neuanfertigung durchführen zu müssen.

Hauptgrund für neue Restaurationen aller Art ist noch immer die insuffiziente präexistente Restauration und nicht die primäre kariöse Läsion [Mjör, 1997]. Daher ist nicht die minimal-invasive Primärversorgung, sondern die Wiederholungsfüllung das „tägliche Geschäft“ eines in der Zahnerhaltung tätigen Zahn-arztes [Mjör, 1997]. Die Bedeutung der sogenannten „Re-Dentistry“ (Füllungsaustausch) zeigt sich daran, dass im Leben eines Menschen dann die meisten Füllungen ausgetauscht werden, wenn er den Wohnort (und somit den Zahnarzt) wechselt, da fremde Füllungen eher als insuffizient betrachtet werden als die eigenen. Somit führt ein Wohnortwechsel öfter zum Austausch von Restaurationen (Abbildung 1).

Leider existieren zur Korrektur und Reparatur zahnärztlicher Restaurationen jedoch nicht viele Empfehlungen und schon gar keine Leitlinien. Noch immer wird die Auffassung vertreten „wenn die Restauration insuffizient ist, wird sie komplett entfernt“. Nicht zuletzt deswegen werden Füllungsreparaturen von vielen Kollegen als „Pfusch“ betrachtet. Natürlich ist bereits die Primärrestauration eine Reparatur (des kariösen Defekts) und die Reparatur einer Reparatur erscheint unlogisch oder mit dem Qualitätsbewusstsein mancher Zahnärzte nicht vereinbar.

Zu diesem Problem sind jedoch zwei wich-tige Aspekte anzumerken:

• Bei der Erneuerung einer Füllung wird stets ein erhebliches Maß an gesunder Zahnhartsubstanz geopfert, besonders bei zahnfarbenen Restaurationen wie Kompositfüllungen oder Keramikinlays/-onlays/Kronen (Abbildung 2). Ein aktiver Umgang mit der Indikationsstellung in Richtung komplette Neuanfertigung führt somit exakt zum Gegenteil dessen, was die minimal-invasive Zahn-medizin eigentlich erreichen will: nämlich den maximalen Erhalt der Zahnhartsubstanzen.

• Der Hang, sich vorschnell zu einer kompletten Neuanfertigung zu entschließen, ist auf übertriebenen Lebensdauerannahmen zahnärztlicher Restaurationen begründet („meine Füllungen halten länger“) [Krämer et al., 2005]. Lebensdaueranalysen zeigen heute jährliche Verlustquoten zwischen einem Prozent (Vollgusskrone) bis drei Prozent (Amalgam- oder Kompositfüllung) als Qualitätskrite- rium auf [Manhart et al., 2004].

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Vorstufe der Reparatur

Zerstörungsfreie Entfernung und Wiedereingliederung:

Es gibt zwei Hauptindikationen für die Komplettentfernung und Wiedereingliederung indirekter Restaurationen (Inlays/Teilkronen/Kronen/Brücken aus Metall oder mit Metallbasis) mithilfe spezieller Apparaturen (wie CoronaFlex, KaVo; Abbildungen 3 und 4):

1. Wenn eine Brücke an einem Pfeiler de- zementiert und der Schaden behebbar ist,

2. wenn Teilkronen/Kronen/Brückenpfeiler trepaniert werden müssten, die Trepanation durch die indirekte Restauration hindurch aber durch eine schadensfreie Komplett-entfernung verhindert werden kann. Dies betrifft in der Regel nur Restaurationen, die mit Zementen (Glasionomerzement, Phosphatzement) befestigt sind, da die Adhäsion von gebondetem Komposit in der Regel zu hoch ist.

Indikationen für Füllungsreparaturen

Es wäre nicht im Sinne einer nachhaltigen Füllungstherapie, alle insuffizienten Restaurationen als reparierbar zu deklarieren. Daher ist die korrekte Indikation zur Korrektur/Reparatur entscheidend für den klinischen Erfolg.

Stellt man die Reparatur der Neuanfertigung gegenüber, so ist immer auch die kollateralschadenarme Entfernbarkeit der als insuffizient eingestuften Restauration zu erörtern. Hier geht gerade bei adhäsiv befestigten Restaurationen die Tendenz zur Reparatur, da das Entfernen perfekt farblich adaptierter Restaurationen selbst mit Lupenbrille schwierig ist [Krejci et al., 1995]. Nimmt man sich nicht genug Zeit, bedeutet das automatisch, dass unnötig gesunde Zahnhartsubstanz verloren geht [Krejci et al., 1995].

Daher sind folgende Empfehlungen sinnvoll:

Eine Indikation zur Reparatur besteht generell, da die Vorteile auf der Hand liegen. Besondere Vorteile sind

a) ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis (wenn zum Beispiel eine Reparatur noch in direkter Applikationstechnik ausgeführt werden kann, eine Neuanfertigung aber nur indirekt),

b) Reparaturen im ästhetisch weniger heiklen Bereich (Unterkiefer-Seitenzahn- bereich),

c) Restaurationen zum Trepanationsverschluss und

d) Korrekturen (wie bei falscher Farb- oder Opazitäts-/Transluzenzauswahl bei Kompositrestaurationen im Frontzahnbereich).

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Kontraindikationen für Reparaturen

a) eine fehlende apparative Ausstattung (siehe klinische Anwendung),

b) wenn unbehandelter Bruxismus bereits zum Scheitern der vorhergehenden Füllung geführt hat,

c) wenn bei der zu reparierenden Restauration wahrscheinlich ein systematischer Fehler vorlag und

d) wenn die sichere Rekonstruktion des approximalen Kontaktpunkts erschwert ist (Abbildung 7).

Das klinische Reparatur-Prozedere ist von der Art und der Anzahl der zu versorgenden Adhäsionssubstrate abhängig. Eine Reparatur ist einfacher, wenn weniger unterschiedliche Substrate vorhanden sind, die gleichzeitig berücksichtigt werden müssen [Frankenberger et al., 2000; Frankenberger et al., 2003a; Frankenberger et al., 2003b].

Vorgehen bei Komposit-Füllungen

Nach der Verdrängung des Amalgams wurden Komposit-Füllungen auch im früher für Kunststoff verpönten Seitenzahnbereich seit den 1990er-Jahren immer attraktiver [Manhart et al., 2004; Frankenberger et al., 2007; Strobel et al., 2005]. Heute ist es weniger die Angst vor Amalgam als der ästhetische Anspruch der Patienten, der dazu führt, dass vermehrt zahnfarbene Restaurationen nachgefragt werden. Daher ist die Versorgung von Seitenzahndefekten mit Komposit allgemein anerkannt, speziell, wenn minimal-invasiv präpariert wird.

Es ist lange bekannt, dass eine komplette Komposit-Entfernung sehr zeitaufwendig ist. Gerade bei rein Komposit-begrenzten Defekten ist es sinnvoll, effektiv zu repa- rieren. Früher standen jedoch in der Literatur lediglich Scherversuche zur Verfügung, um das Potenzial von Reparaturen abzuschätzen [Frankenberger et al., 2003b; Bouschlicher et al., 1997]. Man ging bei der Reparatur-Festigkeit aufgrund dieser Studien von etwa 65 Prozent der kohäsiven Stärke intakter Komposit-Proben aus. Anrauen mit grünen Siliziumkarbid-Steinchen oder groben Präparationsdiamantschleifern einerseits oder Sandstrahlen andererseits wurden hier als vielversprechende Methoden eingeschätzt [Frankenberger et al., 2000; Frankenberger et al., 2003a; Bouschlicher et al., 1997; Denehy et al., 1998; Rosentritt et al., 1998; Rosentritt et al., 2001].

Studien an Zähnen mit der Reparatur ge- alterter Komposit-Füllungen wurden bisher hauptsächlich von unserer Arbeitsgruppe durchgeführt (Abbildung 9). Interessanterweise zeigte sich, dass eine absichtliche Extension der Reparaturkavität bis in den angrenzenden Schmelz entgegen unserer Vermutung nicht zu empfehlen ist [Frankenberger et al., 2003b]. Zwar ist auch diese oft vorkommende Situation zu lösen, a priori willkommen ist sie jedoch nicht, da bei der Exposition mehrerer Adhärenden (Komposit, Schmelz, Dentin) mehr Probleme entstehen als gelöst werden [Frankenberger et al., 2003b]. Eine andere Studie untersuchte den Einfluss der Präparationsgeometrie auf die Integrität des Reparaturverbundes bei gealterten Komposit-Füllungen. Hauptresultat war hier, dass eine Schwalbenschwanzpräparation keinen Sinn macht, da sich dadurch der C-Faktor signifikant erhöht und die systemimmanenten Spannungen zunehmen [Frankenberger et al., 2003a]. Minimal-invasive Präparationen mit Unterschnitt zeigten die besten Resultate (Abbildung 9), wobei die Lining-Technik mit Flowable die marginale Qualität nochmals steigerte [Frankenberger et al., 2003a].

Für die Vorbehandlung des gealterten, zu reparierenden Komposits werden mehrere Ansätze diskutiert (Abbildungen 10 bis 16). Früher dachte man im Allgemeinen, dass sich gealtertes Komposit nicht als Adhäsionssubstrat eigne. Das ist nicht korrekt. Unter vielen Alternativen hat sich das intraorale Sandstrahlen mit Korund (27 µm oder 50 µm) als beste Universalmethode herausgestellt, da das intraorale Silikatisieren zwar gut funktioniert, aber hier nur Komposit als alleiniges Adhäsionssubstrat fungieren darf. Denn CoJet zeigt auf Schmelz und Dentin keine Wirkung, gleichzeitig aber darf die Reparaturstelle nicht mit Wasser kontaminiert werden.

Auch andere Werkzeuge (Siliziumkarbidsteinchen, grober Diamantschleifer, Abbildungen 13 und 14) erzeugen ordentliche Oberflächenvergrößerungen auf zu reparierendem Komposit. Es ist aber schwer, in die kaum zugänglichen Randbereiche vorzustoßen, ohne dabei Nachbarzähne zu verletzen. Hier wäre ein SonicSys-Gerät besser (Abbildung 15), das aber wiederum dem Anrauungseffekt von Sandstrahlern unter-legen ist (Abbildung 16). Daher ist neben der Effektivität auch der Zugang zu schlecht erreichbaren Kavitätenrändern ein Vorteil von Sandstrahlern und CoJet (Abbildungen 16 und 17).

Es gibt bis dato nur wenige klinische Daten zur Frage Neuanfertigung versus Reparatur:

Bei randverfärbten Komposit-Restaurationen zeigte sich nach mehreren Jahren Beobachtungsdauer kein Unterschied zwischen Reparatur, Versiegelung oder Neuanfertigung [Gordan et al., 2009; Gordan et al., 2006].

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Vorgehen bei Keramik- Inlays/-teilkronen

Keramik-Inlays sind eine gute Restaurationsmöglichkeit bei erheblichen Sekundärläsionen [Manhart et al., 2004; Frankenberger et al., 2007].

So lassen sich mit Keramik-Einlagefüllungen Restaurationen mit etwa ein Prozent jähr- licher Verlustrate erzielen, was dem Erfolg gegossener Goldrestaurationen sehr nahe kommt [Manhart et al., 2004]. Da aber fast alle Versagensfälle Frakturen sind, ist die Frage nach der Reparabilität ebenso interessant wie bei Komposit. Auch hier liegen Daten aus der Literatur vor [Frankenberger et al., 2000; Denehy et al., 1998; Blatz et al., 2003a; Blatz et al., 2003b; Edelhoff et al., 2001; Haselton et al., 2001; Latta et. al., 2000]. Bei katastrophalen Frakturen (bulk fractures) ist eine Neuanfertigung kaum zu umgehen. Bei den viel häufiger auf- tretenden Chippings (auf die Keramik beschränkte Teilfraktur, Abbildung 17) jedoch wäre eine Reparatur gegenüber einer vermutlich Zahnhartsubstanz raubenden und teuren Neuanfertigung vorzuziehen.

Selbst bei ästhetisch heiklen Keramik-Veneers zeigten Peumans et al., dass Reparabilität bei Teilfrakturen vor Neuanfertigung steht [Peumans et al., 2004].

Zur Inlay-Reparatur existieren ebenfalls wenig Daten in der Literatur. In einer Studie aus unserem Labor mit der Simulation einer zweijährigen klinischen Trageperiode zeigte sich, dass nur die Flusssäure- und die CoJet-Vorbehandlung in der Lage waren, Reparatur-Füllungen dauerhaft zu retinieren (Abbildung 18) [Frankenberger et al., 2007]. Kommerziell erhältliche Reparatur-Sets waren signifikant weniger erfolgreich (p0,05) [Frankenberger et al., 2007].

Es gibt zwar mittlerweile gepufferte Flusssäureprodukte, die zur intraoralen Anwendung freigegeben sind, trotzdem sind Flusssäureverätzungen, die auch zu einer Fluoridvergiftung führen können, äußerst schmerzhaft [Ohata et al., 2005]. Besser geeignet erscheint das universell einsetzbare Verfahren der intraoralen Silikatisierung (Abbildungen 21 und 22) [Mayer et al., 2003; Roeters, 2000].

Reparatur von Gold- und Metallkeramik-Kronen

Reparaturen an Gold-Restaurationen werden in der Regel meist durch zwei Umstände erforderlich (durch eine falsche Präparation, die zu Randaussprengungen führt, oder durch Trepanation). In beiden Fällen ist eine intraorale Silikatisierung ebenso sinnvoll wie bei der Keramikreparatur (Abbildungen 23 bis 37).

Zusammenfassung

Minimal-Invasivität hört nicht nach der Präparation auf! Neben der schonenden Präparation sind es vor allem die nachhal- tige Füllungstherapie und die Möglichkeit der Reparatur, die einen lang anhaltenden Schutz für die kostbaren Zahnhartsubstanzen bieten. Reparieren/Korrigieren statt Erneuern ist daher ein klarer Trend in der modernen minimal-invasiven Zahnheilkunde. Für fast alle Restaurationen ist heute eine intraorale Reparatur möglich, stets sollte jedoch das Kosten-Nutzen-Verhältnis kritisch überprüft werden. Auffallend ist, dass viele Patienten von sich aus oft zu einer Reparatur tendieren, weil sich der Aufwand im Vergleich zu einer Neuanfertigung in Grenzen hält. Als vielfach einsetzbares Gerät für viele Reparaturaktionen ist ein intraorales Sandstrahlgerät heute praktisch unverzichtbar.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus R. Frankenberger „Adhäsive Zahnmedizin – Wissenschaft trifft Praxis“, Deutscher Zahnärzteverlag. Das Buch erscheint im Herbst 2012.

Univ.-Prof. Dr. Roland Frankenberger

Abteilung für Zahnerhaltungskunde

Medizinisches Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

Philipps-Universität Marburg und Universitätsklinikum

Gießen und Marburg

Georg-Voigt-Str. 3

35039 Marburg

frankbg@med.uni-marburg.de

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