Tod nach Zahnbehandlung
Der männliche Patient war Mitte siebzig und kam mehr oder minder regelmäßig zur Behandlung in die zahnärztliche Praxis, wie der Referent Dr. Karl-Rudolf Strathmann, Köln, berichtete.
Aus der Vorgeschichte war bekannt, dass eine Chemotherapie aufgrund eines Tumors vorgenommen worden war. Ebenso war bekannt, dass er ASS-Medikamente einnahm. Der letzte Zahnarztbesuch lag ungefähr ein Jahr zurück. Der Patient suchte den Zahnarzt jetzt wieder auf, da er Zahnschmerzen verspürte. Nachdem er untersucht worden war, erhielt er einen Termin, an dem zwei Zähne entfernt werden sollten. Aus den vorliegenden Röntgenaufnahmen ergab sich, dass die Zahnentfernung angezeigt war.
Die Behandlung
Die beiden Zähne im Oberkiefer ließen sich problemlos entfernen. Die Wunden wurden mit einer Naht versorgt. Nachdem die Blutung stand, wurde der Patient aus der Praxis entlassen. Er erhielt noch einen Termin für den nächsten Tag, um die Wunde zu kontrollieren. Ein Freund, der ihn zum Zahnarzt begleitet hatte, fuhr ihn nach Hause. Dabei fiel ihm nichts Besonderes auf. Beide hatten sich für den nächsten Tag verabredet, damit der Patient wieder zum Zahnarzt kommen konnte, um den Kontrolltermin wahrzunehmen.
Die Folgen
Am nächsten Morgen wurde die Tür nicht geöffnet. Nach einiger Zeit rief der Freund die Polizei. Diese öffnete die Tür und fand den Patenten tot im Bett liegend. Es fand sich Blut im Bett und auf dem Weg zur Toilette und zum Waschbecken. Folgende Feststellungen wurden getroffen: „Blutflecken auf dem Kissen rechts neben dem Kopf. Blutflecken und Blutgerinnsale im Gang des Badezimmers (Fußboden und in der Badewanne), Blutgerinnsel in der Toilettenschüssel und Blut im Waschbecken.“
Von der Polizei wurde ein Fremdverschulden schnell ausgeschlossen. Die Obduktion der Leiche in der Rechtsmedizin ergab folgende Befunde: „Herzversagen durch Herztod folgend auf Kreislaufstörung / hypovolämischer Schock durch massives Verbluten (nicht stillbare Blutung) aus dem Oberkiefer basierend auf Gerinnungsstörung durch Lebermalfunkion (Hepatitis C, Krebs), bei persistierender koronare Herzerkrankung.“
Ob die Nähte noch in Situ waren, wurde bei der rechtsmedizinischen Untersuchung nicht geprüft.
Die zuständige Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden die Behandlungsunterlagen beschlagnahmt. Die Angestellten in der Zahnarztpraxis wurden von der Polizei vernommen. Sie bestätigten den Verlauf der Behandlung. Für den behandelnden Zahnarzt ergab sich folgendes Ergebnis: Von der Staatsanwaltschaft wurde kein Verschulden festgestellt und das Verfahren eingestellt. Lobend erwähnt wurde in dem Verfahren die Kooperationsbereitschaft des Zahnarztes.
Diskussion
In der dem Autor zugänglichen Literatur wurde kein Todesfall nach normalen zahnärztlich chirurgischen Maßnahmen gefunden. Bei einer Zahnentfernung handelt es sich um eine Behandlung, die sehr häufig vorgenommen wird. Diese verläuft auch bei Patienten, die unter ASS-Medikamenten stehen normalerweise ohne gravierende Probleme. Im Kern wurde der Patient ent-lassen, ohne dass es blutete. Ferner wurden ihm Verhaltensregeln erteilt. Es kommt immer schon einmal vor, dass es zu einer Nachblutung kommt, nachdem ein Zahn entfernt wurde. Gerade für solche Situa- tionen ist der zahnärztliche und ärztliche Notdienst eingerichtet worden. Wenn eine Blutung nicht zum Stillstand gebracht werden kann, entspricht es einem normalen Verhalten, den Notarzt anzurufen. Nicht stillbares Nasenbluten gehört genauso dazu, wie eine nicht stillbare Blutung aus anderen Wunden.
Auch bei korrektem Vorgehen kann ein Routineeingriff wie eine normale Zahnentfernung einen dramatischen Verlauf nehmen. In diesem Fall verstarb der Patient. Wir sollten daraus lernen, dass wir auch bei einem Routineeingriff immer die erforderliche Aufklärung vornehmen.
Dr. Claus GrundmannRuhrorter Str. 19547119 Duisburgclausgrundmann@hotmail.com