Das Heft in die Hand nehmen
Von verschiedenen Seiten wurde während der Tagung in Frankfurt hervorgehoben, dass der Berufsstand bereits viele Maßnahmen unternommen hat, um eine hochqualifizierte zahnmedizinische Versorgung sicherzustellen. „Da brauchen wir uns nicht zu verstecken“, so der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Jürgen Fedderwitz. In einigen Bereichen wie etwa der Prävention seien Zahnärzte sogar Vorbild. Zudem sei die Qualitätssicherung (QS) in zahlreichen zahnärztlichen Richtlinien wie etwa in der Behandlungs-Richtlinie, in der Kieferorthopädie-Richtlinie, in der Früherkennungs-Richtlinie oder in der Individualprophylaxe-Richtlinie verankert. Auch bestünden viele berufsinterne etablierte QS-Instrumente wie das Gutachterverfahren oder die Gutachterfortbildungen sowie das Zweitmeinungsmodell.
Der Gesetzgeber aber habe den Zahnärzten eine ganze Reihe von weiteren Aufgaben im Bereich Qualitätssicherung auferlegt. Über den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als höchstem Entscheidungsgremium im deutschen Gesundheitswesen würden die gesundheitspolitischen Anforderungen in Form von weiteren Richtlinien an die Zahnärzte weitergegeben (siehe Kasten G-BA).
Fedderwitz führte aus, dass die gesamte Medizin wie nie in einem Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen, gestiegenen Patientenerwartungen an Behandlungserfolge sowie allgemeinen Forderungen der Öffentlichkeit nach größtmöglicher Transparenz medizinischer Leistungen stehe. Hier sei es angezeigt, dass die Zahnärzteschaft beim Thema Qualitätssicherung geschlossen das Heft selbst in die Hand nimmt und weiter aktiv bleibt.
Zahnmedizin als Sektor
Zwar sei es die Ausrichtung des G-BA, zunehmend sektorenübergreifend zu arbeiten, um die Qualität in allen medizinischen Bereichen der (zahn-)ärztlichen und der stationären sowie der ambulant/stationären Versorgung sicherzustellen. Im Gegensatz zur ärztlichen habe die zahnärztliche Versorgung jedoch andere Rahmenbedingungen. Dies werde etwa durch unterschiedliche Bundesmantelverträge oder durch unterschiedliche Abrechnungssysteme deutlich. Der G-BA habe dies nach vielen Gesprächen auch anerkannt und die zahnärztliche Versorgung als eigenen Sektor definiert. Daher wurde auch die Erstellung gesonderter Richtlinien beschlossen. „Zahnärzte haben damit zwar das Recht aber auch die Pflicht, die sie betreffenden Regelungen in eigenen Richtlinien zu erfassen“, so Fedderwitz.
Als unparteiisches Mitglied des G-BA und als Vorsitzende des G-BA-Unterausschusses „Qualitätssicherung“ referierte Dr. Regina Klakow-Franck. Zwar wies auch sie auf die vielen Maßnahmen hin, mit der die Zahnärzteschaft eine interne Qualitätssicherung errichtet habe. So sei etwa die QS als originäre Aufgabe der zahnärztlichen Profession bereits in der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer verankert, wo es heißt: „Im Rahmen seiner Berufsausübung übernimmt der Zahnarzt für die Qualität seiner Leistungen persönlich die Verantwortung. Er hat Maßnahmen zur Qualitätssicherung durchzuführen.“ Auch das Berufsrecht schriebe den Kammern vor, „Belange der Qualitätssicherung wahrzunehmen sowie die Mitwirkung der Kammermitglieder an der Sicherung der Qualität ihrer beruflichen Leistungen zu regeln“. Schließlich bezeichne die KZBV in der „Agenda Mundgesundheit 2013“ Qualitätsförderung und Qualitätssicherung „als originäre Aufgabe des Berufsstandes“.
Wandel im Qualitätsbegriff
Allerdings, so Klakow-Franck, habe es in den vergangenen Jahren einen erheblichen Bedeutungswandel der Qualitätssicherung gegeben. Hintergrund sei die Entwicklung, dass das korporatistische Selbstverwaltungsprinzip im deutschen Gesundheitswesen seit den 1990er-Jahren auf den Prüfstand gestellt wurde/wird. Erkennbar sei dies zum Beispiel im Gutachten des Sachverständigenrates im Gesundheitswesen zur Unter-, Über- und Fehlversorgung im Jahr 2000.
Seitdem sei eine stärkere Marktorientierung des Gesundheitswesens auszumachen. Diese Ökonomisierung werde von fast allen Parteien mitgetragen und gelte somit als parteienübergreifender Konsens in der Politik. Stichworte wie etwa Vertragswettbewerb oder DRG-Fallpauschalensystem in der Honorierung klinischer Versorgungsleistungen kennzeichneten die zunehmende Marktorientierung. Diese Ökonomisierung der Medizin führte auch zu dem Rollenwechsel des Patienten zum Kunden/Verbraucher.
Die politisch gewollte stärkere wettbewerbliche Ausrichtung des Gesundheitswesens habe auch zu einem Bedeutungswandel von Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement geführt: QS sei nicht mehr nur originäre und interne Aufgabe des Berufsstands, sondern sei eingebettet in einen größeren Rahmen. QS sei vielmehr in immer stärkerem Maße als Wettbewerbsinstrument und als Mittel der Versorgungssteuerung im Gesundheitswesen anzusehen.
Im stärker marktorientierten Versorgungsgeschehen sei die Rolle des G-BA die eines „zentralen Qualitätswächters“ im Gesundheitswesen. Die zunehmende Forderung nach mehr Transparenz, insbesondere die öffentlich zugängliche Darstellung von Ergebnisqualität medizinischer Leistungen, sei „konsequent und irreversibel,“ so Klakow-Franck. Genauso wie die Forderungen nach einer Stärkung der Patientenrechte und nach einer Steigerung der Patientensicherheit.
Sektorspezifische Besonderheiten und Kompetenzen, wie sie die Zahnärzteschaft kennzeichneten, könnten nach Ansicht von Klakow-Franck am ehesten „durch eine proaktive kontinuierliche Weiterentwicklung unter Berücksichtigung des Wandels im Gesundheitswesen erhalten werden“.
Sozialgesetz gibt Vorgaben
Petra Corvin, Abteilungsleiterin der Abteilung Qualitätsförderung bei der KZBV, ging in ihrem Vortrag auf die Vorgaben des SGB V in den §§ 136 und 137 insbesondere zum Qualitätsmanagement für Vertragszahnärzte ein (siehe zm 8/2013, S. 20f.). Sie hob hervor, dass der Begriff der „Qualität“ im SGB V hohen Stellenwert besitzt. In vielen Regelungen des SGB V sei die Bedeutung des Qualitätsanspruchs formuliert, so etwa in den §§ 2 und 70 sowie insbesondere im 9. Abschnitt des SGB V. Daran anknüpfend stellte sie die Richtlinien-Aufträge des G-BA mit zahnärztlicher Relevanz (siehe Kasten Qualitätssicherung) und die Unterschiede der gesetzlichen Vorgaben und deren Schwerpunkte vor.
Christian Nobmann aus der Abteilung „Koordination G-BA“ der KZBV wies darauf hin, dass neben den inhaltlichen Fragen der Qualitätssicherung vorrangig datenschutzrelevante Fragen berücksichtigt werden müssen. Die Zentralnorm des Datenschutzes in der Qualitätssicherung, der § 299 SGB V, regele zwar den Schutz der Patientendaten umfänglich. Jedoch seien Einzelfragen zur praktischen Umsetzbarkeit der Schutzvorschriften bei Qualitätsprüfungen nach § 136 bislang ungeklärt.
Im Zusammenhang mit dem vom Gesetzgeber geforderten Datenschutz beim Austausch von Patientendaten stellte Eric Wichterich als Experte vom Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH aus Bochum nachvollziehbar dar, dass die auf Basis der Richtlinie praktizierte Verschlüsselungstechnik höchsten Ansprüchen genüge und auch mit dem Bundesamt für Datensicherheit abgestimmt sei.
Medizin und Fehler
Bei der Verbesserung der Patientensicherheit spielen in der Medizin Fehlermeldesysteme eine immer größere Rolle. Dies erläuterte Dr. Jörg Beck, stellvertretender Leiter der Abteilung Qualitätsförderung der KZBV. Demnach seien Fehlermeldesysteme in der Medizin ein Baustein des Risikomanagements, das dem G-BA als Aufgabe aus dem Patientenrechtegesetz erwachsen würde. Der gesetz-liche Auftrag sehe vor, dass der G-BA über Richtlinien Mindeststandards für Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme festlegen soll. In der Gesetzesbegründung heiße es, dass Letztgenannte zu den wichtigsten Elementen des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements gehörten, zu dem die Erbringer von Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet sind.
Beck wies darauf hin, dass der Begriff Fehler oft mit Kunstfehler oder menschlichem Versagen verbunden wird. Fehlermeldesysteme in der Medizin jedoch fassten den Begriff weiter, so dass von (vermeidbaren) unerwünschten Ereignissen, kritischen Ereignissen oder Beinahe-Schäden gesprochen wird.
Damit soll nicht die Person, sondern das System, das zu einem Fehler beigetragen hat, in den Blickpunkt gerückt werden. Statt der Frage „Wer ist verantwortlich?“ stehe die Frage „Was ist verantwortlich?“ im Zentrum.
Fehler seien demnach als Folgen eines Systemversagens definiert. Ein Fehlermeldesystem sei damit ein Element des Fehlermanagements zur Identifikation von kritischen Ereignissen und Beinahe-Schäden in der Medizin. Es beziehe sich auf latente Fehler im Organisationssystem von Praxen und Kliniken, solle den Lernzyklus der Mediziner zur Fehler-prävention anstoßen und funktioniere nur, wenn es anonym und sanktionsfrei sei.
Info
Zahnärztliche Qualitätssicherung
Für die Zahnmedizin beschloss die Arbeitsgruppe „QS Zahnmedizin“ im G-BA eigenständige sektorbezogene Vorgaben zur Qualitätssicherung zu erarbeiten.
• So wird eine Qualitätsprüfungsrichtlinie erarbeitet, die allgemeine Regelungen für die Überprüfung der Qualität in der vertragszahnärztlichen Versorgung enthält.
• Daneben ist eine Qualitätsbeurteilungsrichtlinie für ein zahnmedizinisches Thema zu erarbeiten,
• zudem sind Themen für die datengestützte, einrichtungsübergreifende Qualitätssicherung zu entwickeln.
Info
Der G-BA
Martin Schüller als Verantwortlicher der Abteilung „Koordination G-BA“ bei der KZBV erläuterte in Frankfurt Struktur und Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA):
Zur Gestaltung der medizinischen Versorgung gesetzlich Versicherter sowie als Gestaltungsmittel der Gesundheitspolitik durch die Selbstverwaltung hat der Gesetzgeber bereits vor langer Zeit die sogenannten Bundesausschüsse und später den G-BA ins Leben gerufen. Die Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigungen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft bilden als Vertreter der unterschiedlichen medizinischen Leistungssektoren gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband und drei Unparteiischen Mitgliedern den G-BA. Seit 2012 hat auch die Bundeszahnärztekammer ein Beteiligungsrecht bei der Erstellung von QS-Richtlinien, die den vertragszahnärztlichen Sektor betreffen. Damit ist der G-BA entscheidender Normgeber im deutschen Gesundheitswesen.
Mittlerweile umfasst das Konstrukt zur Gestaltung deutscher Gesundheitspolitik ein Plenum, neun Unterausschüsse, etwa 100 Arbeitsgruppen und rund 120 Mitarbeiter in der Geschäftsstelle in Berlin.
Der G-BA hat verschiedene Aufgaben, von denen eine zentrale die Regelungen zur Qualität medizinischer Leistungen ist. Für die vertragszahnärztliche Versorgung ist der G-BA unter anderem bei der Behandlungs-Richtlinie, bei der Festzuschuss-Richtlinie, bei der Kieferorthopädie-Richtlinie, bei der Zahnersatz-Richtlinie oder bei der Qualitätsmanagement-Richtlinie aktiv.