Die Zukunft des Geldes

Zwischen Tauschwirtschaft und virtueller Währung

Die Finanzkrise stellt das aktuelle Geldsystem immer mehr infrage. Haben Euro, Dollar und Yen sich überlebt? Alternative Währungen wie Bitcoins, aber auch Regionalgeld und Zeitgutschriften, die dank Computer und Internet immer professioneller gehandhabt werden können, stoßen auf steigendes Interesse.

Geld, so wie es derzeit genutzt wird, erfüllt viele Funktionen: Es ist Tauschmittel, Vermögensspeicher, Wertmaßstab und Spekulationsobjekt. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Währung es sich handelt. Egal, ob Euro, Dollar, Yen oder Yuan, sie funktionieren alle gleich. Alle Währungen basieren auf dem Vertrauen, das ihnen ihre Nutzer entgegenbringen. Der größte Teil des Geldes – über 85 Prozent – existiert nur als Buchung in den Computern der Banken. Sie generieren Geld, indem sie Kredite an ihre Kunden und an andere Banken vergeben und dafür Zinsen einnehmen. Sie selbst bekommen das Geld ebenfalls gegen die Zahlung von Zinsen von der Zentralbank. Banken und Sparkassen reichen das Geld an Familien weiter, die ein Haus bauen, oder an Unternehmen, die investieren.

Auf diese Weise wächst die Geldmenge ins Unendliche. Das so entstandene Geld funktioniert, weil Staaten es zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt haben. Der belgische Finanzexperte Bernard Litaer, der bei der belgischen Zentralbank an der Entwicklung des ECU, dem Konvergenzsystem bei der Einführung des Euro, verantwortlich mitgearbeitet hat, ist überzeugt: „Der Fehler steckt im Geldsystem selbst.“ Er bezeichnet Euro und Co als sogenanntes Fiat-Geld, das ist Geld, das aus dem Nichts entsteht. Das Wort Fiat bedeutet „so sei es“. Fiat-Geld ist Geld, das von der Zentralbank produziert wird, und die es einfach ausgibt. Es entsteht auch durch Bankkreditvergabe und zwar durch Kredite, die nicht mit „erspartem Geld“ hinterlegt sind. Einen realen Gegenwert gibt es seit Abschaffung der Gold- deckung nicht mehr.

Den Goldstandard hob US-Präsident Richard Nixon 1971 auf. Bis dahin konnten Zentralbanken untereinander Währungen jederzeit in Gold tauschen. Der Festpreis je Feinunze Gold betrug 35 Dollar. Weil im Bretton-Woods-System auch andere Währungen fest an den Dollar gebunden waren, galt die Golddeckung indirekt automatisch auch für sie. Bretton Woods ist ein Ort in New Hampshire, USA. Dort fand 1944 eine Konferenz der Siegermächte statt, auf der eine neue Währungsordnung mit Wechselkursbandbreiten und dem Dollar als Ankerwährung beschlossen wurde.

Gold als Maßstab passé

Heute weiß man, dass diese Deckung große Lücken aufwies. Denn schon um 1900 reichten die Goldvorräte der Bank of England nicht, um alle kursierenden Pfundnoten zu decken. In den Jahren nach der Abschaffung des Goldstandards gab es viele wirtschaftliche Turbulenzen. Heute wäre die Wiedereinführung der Golddeckung nicht mehr zu realisieren. In den Tresoren der nationalen Zentralbanken lagern derzeit etwa 30 500 Tonnen des Edelmetalls. Dazu Litaer: „Ein neuer Goldstandard müsste dann bei einem Goldpreis von 100 000 oder einer Million Dollar pro Feinunze liegen.“

Darüber machen sich die amtierenden Notenbankchefs wohl kaum Gedanken. Denn Regierungen können Geld drucken, so viel sie wollen. Die USA machen es gerade vor. Die Verschuldung liegt einer Studie zufolge realistisch betrachtet bei mehr als 70 Billionen Dollar. Dafür zahlen sie jährlich etwa 220 Milliarden Zinsen. Steigen die Zinsen wieder, wächst der Schuldenberg weiter. Denn auch für die Zinszahlungen müssen Kredite aufgenommen werden.

Die Lage in Deutschland ist zwar nicht so dramatisch. Hier lasten Schulden in Höhe von mehr als zwei Billionen auf den Schultern der Deutschen. Doch die Ausgaben für den Schuldendienst machen nach den Sozialausgaben den zweitgrößten Posten auf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts aus.

Auch wenn Finanzminister Schäuble stolz verkündet, dass in absehbarer Zeit angeblich keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden müssen, wird es niemals zu einer vollständigen Schuldentilgung kommen. Grund: Damit die Staatsschulden getilgt werden können, muss die Wirtschaft viel stärker wachsen, damit die Steuereinnahmen ebenfalls steigen. Mit diesen Einnahmen könnte die Regierung die Schulden tilgen. Doch es ist höchst unwahrscheinlich, dass es jemals zu einem solchen Wachstum kommen wird.

Irgendwann aber wird entweder eine Währungsreform oder eine Hyperinflation auch diese Probleme zumindest vorübergehend lösen. Dieser Meinung ist jedenfalls die Architektin und Kapitalismuskritikerin Margrit Kennedy. Sie hat erkannt, dass auch Menschen ohne Schulden ständig für Zinsen zahlen müssen: „In jedem Preis, den wir entrichten, ist ein Zinsanteil enthalten, den die Produzenten der gekauften Güter und Dienstleistungen einer Bank zahlen müssen, um mit dem geliehenen Geld Maschinen und Geräte anzuschaffen oder Löhne zu zahlen.“

Im Schnitt liegen die Zinslasten in Ausgaben deutscher Haushalte zwischen 30 und 40 Prozent. Gäbe es keine Zinsen, hätten alle Bürger mehr Geld auf ihren Konten. Doch ohne Zinsen würde der Umlauf des Geldes gestört. Deshalb müsste in einem zinsfreien System ein neuer Anreiz geschaffen werden, damit die Menschen das Geld wieder ausgeben. Eine Möglichkeit wäre eine „Standgebühr“ wie sie im Grunde EZB-Chef Mario Draghi für die Banken plant, die Geld bei der EZB parken. Die Idee ist, dass das Geld nach einem Jahr Haltedauer an Wert verliert. Eine solche Umlaufgebühr sorgt dafür, dass das Geld nicht auf Sparkonten gehortet wird, sondern im Wirtschaftskreislauf bleibt.

Experten wie Kennedy und Lietaer befürworten deshalb Alternativwährungen, wie sie in verschiedenen Regionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz schon existieren und eben nach diesem Prinzip funktionieren. So gibt es zum Beispiel in Bayern die Chiemgauer und den Sterntaler und in Sachsen-Anhalt den Urstromtaler. Ziel dieser Regionalgeldsysteme ist es, die heimische Wirtschaft zu fördern.

Währungen für die Region

Weil das Geld nur in einem eng begrenzten Raum verwendet werden kann, bleibt die Kaufkraft in der Region und sichert so das Einkommen der Bewohner und die Arbeitsplätze. Die ortsansässigen Unternehmen verpflichten sich, die heimische Währung zu akzeptieren. Allerdings reicht eine Regiowährung nie allein aus. Bei Geschäften außerhalb des Einsatzgebiets wird in Euro bezahlt. Die Alternativwährungen sind immer an eine andere Währung wie zum Beispiel den Euro gebunden. Bricht das Euro-System zusammen, könnte die Regiowährung theoretisch mit einem anderen Wert wie etwa Kilowattstunden unterlegt werden.

Dass ein solches System sich bewähren kann, zeigt das Schweizer Beispiel des WIR-Franken. Bereits seit 70 Jahren existiert die Regiowährung, die eins zu eins zum offiziellen Schweizer Franken steht. Akzeptiert wird das Nebengeld von rund 60 000 kleinen und mittelständischen Unternehmen. Emittent ist die genossenschaftlich organisierte WIR-Bank, eine Art Zentralbank, die Mitgliedern gegen Sicherheiten zinsgünstige Kredite gibt. Guthaben werden nicht verzinst. Das Institut mit Hauptsitz in Basel und sieben Filialen in der ganzen Schweiz verfügt bereits seit 1936 über eine Banklizenz. Aber nicht der attraktive Zins, sondern die Tatsache, dass das Geld schneller ausgegeben wird und zwar für Waren und Dienstleistungen im WIR-Gebiet, lässt das Geldsystem funktionieren. Die Schweiz etwa duldet dieses Nebengeld, weil es eine kleinteilige Wirtschaftsstruktur unterstützt.

Querdenker wie Kennedy und Lietaer können sich verschiedene Lösungsmöglichkeiten für die immer noch existierenden Probleme des maroden Finanzsystems vorstellen. Ideal wäre es, wenn den Menschen verschiedene Währungen zur Verfügung stünden, die sie je nach Bedarf einsetzen können. Neben den Regiowährungen wäre zum Beispiel eine Zeitbank möglich. Dabei handelt es sich meist um eine Gruppe von Gleichgesinnten, die sich gegenseitig mit Dienstleistungen unterstützen, für die sie sich nicht mit Euro bezahlen. Stattdessen wird die aufgewendete Zeit ohne Rücksicht auf die Tätigkeit auf einem Konto gutgeschrieben.

Der Kontoinhaber erwirbt damit Ansprüche auf Dienstleistungen für einen gleich großen Zeitraum. Auf dem Konto des Leistungsempfängers erscheint die empfangene Zeit als Minus. Meist handelt es sich zurzeit noch um einfache Tätigkeiten wie Rasenmähen, kleinere Arbeiten am Computer, Tierpflege oder Vorlesen. Doch das System ist ausbaufähig. Kennedy begeistert sich für diese Idee: „Hierbei gibt es keine Inflation. Eine Stunde hat in zehn Jahren auch noch 60 Minuten.“

Im Lauf der Geschichte wurde das Geld ständig immaterieller. Früher tauschte man Muscheln, Goldstücke oder Silbermünzen gegen Waren. Später reichten bedruckte Papierscheine. Auch sie sind inzwischen auf dem Rückzug zugunsten des virtuellen Geldes, das nur noch als Datensatz existiert.

Zurzeit arbeitet das amerikanische Start-up Coin an der Idee einer intelligenten Geldkarte, die verschiedene Kredit- und Debitkarten in einem Plastikstück vereint. Um sie einsetzen zu können, benötigt man ein Smartphone. Einen solchen Supercomputer in Miniaturform tragen inzwischen viele Menschen mit sich herum. Mit seiner Hilfe dürften Euro in Papier und Münzen bald endgültig überflüssig werden.

Wohin die Reise gehen könnte, zeigt die rasante Entwicklung des Bitcoin. Diese Währung existiert nur im Internet und wird durch keine Zentralbank geregelt. Es handelt sich dabei um verschlüsselte Datenpakete, angeblich 2009 von Satoshi Nakamoto (wahrscheinlich ein Pseudonym) erfunden. Bitcoins entstehen durch komplizierte Rechenvorgänge. Sie werden „geschürft“.

Möglich ist das „Mining“ inzwischen nur noch mit Hochleistungscomputern.

Wenn das Haptische geht

Der unbekannte Erfinder hat den Erstellungsprozess so gestaltet, dass das Errechnen eines neuen Bitcoins mit der Zeit immer schwieriger wird. Die Anzahl der Bitcoins ist mathematisch auf 21 Millionen begrenzt. Prof. Rainer Böhme von der Uni Münster geht davon aus, dass der letzte Bitcoin in 2140 erzeugt werden wird.

Zurzeit kursieren elf Millionen Einheiten im Internet. Inzwischen gibt es rund 60 Umschlagplätze für Bitcoins. Man kann sie gegen Dollar oder Euro an den Börsen kaufen. Die weltweit größte ist die Mt.Cox in Tokio, wo nach eigenen Angaben am Wochenende bis zu 400 000 Bitcoins gehandelt werden. Der europäische Spitzenreiter unter den Handelsplätzen ist angeblich Bitcoin.de im westfälischen Herford. Wie begehrt das virtuelle Geld ist, zeigt die rasante Kursentwicklung. Dümpelte der Kurs Anfang 2013 um die 13 Dollar schoss er Ende des Jahres auf mehr als 1 100 Dollar hoch.

Diese Entwicklung lässt vermuten, dass die Cyberwährung ein beliebter und vor allem unregulierter Spielplatz für Spekulanten ist. Bezahlen kann man mit Bitcoins in vielen Onlineshops wie Schuhwelt.de oder in einigen Berliner Kneipen. Skeptiker vermuten, dass die virtuelle Währung besonders gern im Drogenmilieu, für Waffenkäufe oder als Möglichkeit für die Unterbringung von Schwarzgeld genutzt wird. Wie viel Furore die Cyberwährung macht, zeigt die Meldung, dass im kanadischen Vancouver der erste Geldautomat für Bitcoins aufgestellt wird. Dort kann man sich die Bitcoins vom Online-Konto in kanadischen Dollar auszahlen lassen.

Zwar betrachten seine Nutzer das virtuelle Geld als gleichwertig zu Euro und Dollar, doch die rechtlichen Fragen sind nicht geklärt. Die Bundesregierung hat die Bitcoins als „Rechnungseinheit“ anerkannt und in den USA vertrat ein Gericht die Ansicht, es handle sich um eine „Form von Geld“. Chinas Notenbank hat den Finanzinstituten des Landes den Handel mit Bitcoins verboten, weil sie kein Zahlungsmittel „im eigentlichen Sinn“ seien, sondern eher ein hochspekulatives Online-Produkt.

Nutzer dürfen es im Internet weiter verwenden, aber nicht in Yuan tauschen. Dabei ist China der wichtigste Markt für Bitcoins. Experten sehen den Grund dafür in den sehr strengen Kontrollen des chinesischen Finanzmarkts. Mithilfe von Bitcoins können Anleger große Summen im Ausland investieren. Mit der heimischen Währung ist das nicht erlaubt.

Das Risiko des Virtuellen

Auch die französische Zentralbank warnt vor der Internetwährung. Sie sei „hoch spekulativ“ und stelle ein „finanzielles“ Risiko für die Verbraucher dar, weil sie nicht auf „realwirtschaftlichen Aktivitäten“ basiere.

Experten streiten jetzt darum, ob es sich bei den Bitcoins möglicherweise um ein Schneeballsystem handelt, bei dem die Ersten, die in die Währung investiert haben, zu großem Reichtum gelangt sind wie zum Beispiel die beiden Winklevoss-Brüder. Lange Zeit stritten sie mit Mark Zuckerberg um die Rechte an Facebook. Dann entschieden sie sich, ganz auf die Bitcoins zu setzen. Gegenüber der New York Times äußerten sie sich: „Wir haben uns entschieden, unser Geld in ein mathematisches System zu stecken, das frei von politischen und menschlichen Fehlern ist.“ Immerhin sammelten sie Bitcoins im Wert von elf Millionen Dollar. Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank, räumt den Bitcoins keine Chancen ein: „Niemand verwendet eine Währung, die dauernd Achterbahn fährt.“

Bestimmt werden die Bitcoins nicht der letzte Versuch einer virtuellen Währung bleiben. Credits heißt das Experiment, an dem Facebook arbeitet und Amazon möchte die Points einführen. Beide Währungen sind an Unternehmen gebunden und dadurch in sich schon in ihren Möglichkeiten beschränkt. Doch die Entwicklung neuer Systeme geht weiter. Patrick Siebert, österreichischer Wirtschaftsphilosoph, meint: „Es hat sich gezeigt, dass das Geldsystem verwandelbar und an neuere Entwicklungen und Bedürfnisse anpassbar ist. Das derzeitige System wird sich aufgrund seiner Verfasstheit zwangsweise ändern müssen.“

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

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