Navigation in der Implantologie

Für mehr Qualität

Heftarchiv Zahnmedizin
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Computerprogramme, Positionierungshilfen und die Navigation sorgen bei komplexen Fällen in der Implantologie dafür, dass der operative Ablauf in der Zahnarztpraxis deutlich vereinfacht wird. Zugleich werden die postoperative Komplikationsrate geringer und die Insertion genauer.

Navigation ist im medizinischen Bereich eine vor allen Dingen aus der Neurochirurgie stammende Technologie, mithilfe derer Volumendatensätze (CT, DVT, NMR oder Kombinationen der vorgenannten) mit dem realen Patienten deckungsgleich gemacht werden.

Simultan können innerhalb des 3-D-Datensatzes und des Koordinatensystems des Patienten bestimmte Strukturen aufgefunden respektive Instrumente intraoperativ gezielt an Zielstrukturen heran- geführt werden. Damit handelt es sich im Prinzip um ein Qualitätssicherungstool, das in ausgewählten Fällen die Option bietet, Volumendatensätze deutlich aus der reinen Funktion der Diagnostik herauszuheben und zur Grundlage eines therapeutischen Konzepts – auch interdisziplinär – zu machen.

Bereits vor mehr als zehn Jahren wurden solche Navigationssysteme, die in der Regel auf Kamerasystemen beruhen, die über eine infrarotbasierte Technik oder auch über elektromagnetische Verfahren die vorgenannten Ortungsfunktionen ausüben lassen, eingesetzt: Hier war die Technik jedoch deut-lich der ausgeübten praktischen Anwendung voraus, so dass sich diese Systeme bislang in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und insbesondere im Bereich der dentalen Implantologie nicht flächendeckend durchgesetzt haben.

Aktuell ist die Ausschöpfung von Volumendatensätzen als Grundlage eines digitalen Workflows so professionalisiert [Kalra, 2013], dass die sogenannte Schablonenführung in der zahnärztlichen Implantologie eine immer stärkere Bedeutung erlangt und mittlerweile in Kombi- nation mit Laser-gescannten Gipsmodellen eine hochgradige Präzision erreicht hat.

Im Rahmen eines komplexen digitalen Workflows – von der Diagnostik über die Therapieentscheidung, über die Therapieplanung und -umsetzung bis hin zur postoperativen Qualitätskontrolle und Versorgung mit prothetischen Restaurationen – soll der Bereich der zahnärztlichen Implantologie im Folgenden exemplarisch dargestellt werden, um insbesondere den Unterschied zwischen der schablonengeführten und der Trajektoren-basierten Insertion von beispielsweise Zygoma-Implantaten auf der Basis von infrarotbasierten Navigationssystemen zu erläutern.

Grundvoraussetzung des Einsatzes des „computer assistant progressiv planning“ (CAPP) ist, wie gesagt, der Volumendatensatz, der jedoch vor dem Hintergrund der medizinisch gut begründeten Indikation dann erhoben werden darf, wenn etwa die Beurteilung des Knochenlagers durch ein konventionelles Röntgenbild (OPT) nicht hinreichend möglich ist. Die Verwendung der digitalen Technologie in der Implanto-logie hat vor allem das Ziel der Qualitäts- sicherung, indem die prothetisch orientierte Rückwärtsplanung als Zielvorlage interpretiert und am Ende als Schablone praktisch generiert werden kann.

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Schablonengeführte Implantologie

Durch die Analyse aller drei Dimensionen von Volumendatensätzen ist die Zuordnung von benachbarten anatomischen Strukturen wie des Nervus alveolaris inferior oder die Lagebeziehung zur Kieferhöhle überhaupt erst quantitativ möglich. Virtuell kann das CAD-Modell des spezifischen Implantats geplant und positioniert werden. Dabei kann der Zahnarzt verschiedene digitale Programme für die Planung und Visualisierung der Implantatinsertion anwenden. In unserer Klinik kommt seit einigen Jahren das Planungsprogramm Codiagnostix zum Einsatz, das als die führende Planungssoftware angesehen werden kann.

Zusätzlich wird parallel ein virtuelles Modell vom zu versorgenden Kiefer benötigt. Dazu wird der Kiefer abgeformt und ein Gips- modell erstellt; dieses Modell wird dann eingescannt und als digitales Modell zusammen mit dem dreidimensionalen Datensatz in die Planungssoftware eingelesen. Nun kann die knöcherne Situation quantitativ analysiert werden und zeitgleich die reale Situation mit der vorhandenen Restbezahnung und dem Verlauf der Gingiva über das digitale Modell abgeglichen werden.

Anhand einer CAD-Implantatbibliothek kann das entsprechende Implantat ausgewählt und virtuell positioniert werden. Somit lässt sich im DVT genau ablesen, ob die geplante Implantatposition umsetzbar ist, ob vor- herige augmentative Maßnahmen notwendig sind oder ob anatomisch relevante Strukturen diese Implantatposition limitieren (Abbildung 1).

Nach der Planung kann jetzt auf der Basis des virtuell positionierten Implantats eine Schablone erstellt werden, mit eingebauten Tiefenstopps und Führungshülsen. Die virtuelle Schablone kann dann als STL-Export an ein Referenzlabor geschickt werden und wird dort in eine – gut autoklavierbare – reale Schablone überführt, die dann auf dem Postweg zurückgeschickt wird.

Intraoperativ ermöglicht die Schablone dann die geführte Bohrung zum Beispiel für das hierfür eigens entwickelte Straumann Guide System. Dazu werden unterschiedliche Reduzierinstrumente für das jeweilige Implantatsystem entsprechend der verwendeten Bohrergrößen in die Schiene eingesetzt. Sogar die Verwendung von Osteomen ist durch die Schablone möglich und garantiert damit über den gesamten Verlauf der Aufbereitung eine achsengerechte Bohrung beziehungsweise Verdrängung (Abbildung 2).

Sollte eine augmentative Maßnahme notwendig sein, so wird durch die Verwendung der Schablone eine genaue Positionierung des Augmentats gewährleistet. Der Operateur weiß eindeutig, wo das Implantat stehen soll und kann daher gezielt den Bereich augmentieren, der ein knöchernes Defizit aufweist. Dadurch werden die Entnahme falsch dimensionierter Knochenblöcke und die Fehlpositionierung der Augmentate vermieden.

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Trajektorenbasierte Insertion unter Navigation

Die zahnärztliche implantologische Versorgung der stark atrophierten Maxilla ist eine große Herausforderung, insbesondere wenn eine ausgeprägte Angle Klasse III mit anteriorerer beziehungsweise kompletter Restbezahnung vorliegt. Liegt ein sehr großer Defekt vor, oftmals mit papierdünnen, knöchernen Barrieren zu den Kieferhöhlen, führen die gängigen, intraoralen augmentativen Maßnahmen allein nicht verlässlich zum Ziel.

Um ein adäquates Knochenvolumen für eine Implantation zu schaffen, haben sich verschiedene Therapieformen etabliert, sei es der Sinuslift, die Kieferdehnung oder Kieferkammaugmentationen mit Knochentransplantaten vom Becken, mit oder ohne LeFort-I-Osteotomie, der Calvaria [Clayman, 2006] oder gar vaskularisierte Transplantate aus der Fibula [Rohner et al., 2002; Rohner et al., 2004]. Alle diese Verfahren sollen die Voraussetzungen schaffen, die für dentale Implantate im Oberkiefer notwendig sind.

Diese Behandlungsmethoden bedeuten aber einen großen Aufwand, mit dem Risiko der Morbidität. Eine Alternative stellt die Verwendung von Zygoma-Implantaten dar. Diese Implantate werden durch die Kieferhöhle im Jochbeinmassiv verankert. Sie unterscheiden sich von den konventionellen Implantaten dadurch, dass sie zwischen vier und sechs Zentimetern lang sind und dass die mechanische Verankerung in der Schnittstelle zur oralen Mukosa liegt.

Gerade bei der Insertion von im Jochbein verankerten Implantaten ist eine Navigationsschablone umso notwendiger, oftmals unterstützt durch die Verwendung einer Echtzeitnavigation. Dabei wird, in Analogie zur Insertion von Standardimplantaten, die Position der Zygoma-Implantate virtuell vorgeplant. Intraoperativ besteht die Möglichkeit durch die Verwendung von „getrackten“ Instrumenten, die Trajektoren-Planung mit dem Bohrer bei der Aufbereitung des Zygoma-Implantatlagers in Echtzeit zu über-lagern, virtuell zu verfolgen und gegebenenfalls zu korrigieren.

Im Vorfeld kann zudem genau festgelegt werden, wie weit die Implantate im Jochbein verankert werden [Chrcanovic, 2013]. Mithilfe der Echtzeitnavigation können Komplikationen, wie zum Beispiel die Verletzung der Orbita oder das Einsetzten eines zu langen Implantats, vermieden werden [Schramm, 2000].

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Kieferrekonstruktion nach großer Tumorresektion

Ein Einsatz der computerassistierten Planung für die individuelle, rückwärtsgeplante Unterkieferrekonstruktion erfolgt inzwischen auch bei der Therapie des Mundhöhlen- karzinoms, bislang war die zahnärztliche Prothetik vor allem in die postoperative Rehabilitationsphase integriert.

Tumorpatienten bringen oftmals einen großen Kieferdefekt mit, der primär oder sekundär durch Knochen wieder aufgebaut werden muss. Grundsätzlich ist es hilfreich, wenn vor der Tumorresektion und damit vor der Entfernung von Kieferbestandteilen die Ausgangssituation mittels eines Modells festgehalten wird. Diese Situation kann bei der Rekonstruktion später wiederverwendet werden.

Im Rahmen der Primärresektion wird der Patient entweder direkt knöchern oder zunächst mit einer Überbrückungsplatte versorgt. In beiden Fällen sollte so geplant werden, dass die spätere Kontur des Knochens widergespiegelt wird in der Position der Implantate. Bereits in der ersten Phase kann dann eine Rückwärtsplanung für die Erstellung und Konturierung der Überbrückungsplatte oder des Knochens erfolgen, im optimalen Fall erfolgt die Erstellung dieser Rekonstruktionsplatte im spannungsfreien Fräs- oder im Laser-Sinter-Verfahren, nach vorheriger virtueller Idealrekonstruktion des Unterkiefers (Abbildung 3).

Da also bereits die primäre Rekonstruktion des Unterkiefers beim Mundhöhlenkarzinom heute rückwärtsorientiert erfolgen sollte, ist die zahnärztliche Prothetik fester Partner in der interdisziplinären Therapie des Tumorpatienten.

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Zusammenfassung

Kein anderer Bereich der Zahnmedizin profitiert so von der Navigation wie die dentale Implantologie. Sie ermöglicht – gemeinsam mit dem klinischen Befund – eine exakte Planung und daraus resultierend die Insertion der Implantate. Die Navigation ermöglicht gezielt, anatomische Strukturen (Jochbein, Pterygoidfortsätze und mehr) bei der Implantation zu schonen oder das vorhandene Knochenangebot explizit zu nutzen. Selbst komplexe Fälle, wie die Insertion von im Jochbein verankerten und durch die Kieferhöhle inserierten Implantaten, werden durch die Verwendung von Navigationssystemen für den Patienten deutlich sicherer.

Dabei kommt der Bohrschablone, die digital geplant und mit Richtungs-hülsen versehen ist, für die geführte Implantologie eine besondere Bedeutung zu. Die Bohrschablone wird insgesamt dreimal verwendet. Erstens bei der Augmentation, um die Augmentate an die richtige Stelle zu positionieren, dann bei der Implantation, um die Implantate entsprechend der Planung zu setzen und drittens dann später bei der Freilegung.

Neben diesem Einsatz digitaler Techniken, bietet die Computer-Assistierte Planung (CAP) unseren zukünftigen Zahnärzten bereits im Studium die Möglichkeit, einfache und komplexe reale Patientensituationen beliebig oft virtuell zu versorgen.

Dr. Marcus Stoetzer, Dr. Björn Rahlf, Prof. Dr. Dr. Nils-Claudius GellrichKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Medizinische Hochschule HannoverCarl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannovermarcus_stoetzer@web.de

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