Krankenhausaufenthalte

Viele Fälle sind vermeidbar

Defizite in der ambulanten Versorgung führen dazu, dass Patienten mehrere Millionen Mal unnötig stationär behandelt werden. Dabei gibt es regional zum Teil große Unterschiede bei der Zahl der unnötigen Krankenhausaufenthalte.

Zu diesem Ergebnis kommt eine von Prof. Leonie Sundmacher vom Fachbereich Health Services Management der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München durchgeführte Studie. Sundmacher präsentierte die Studie vor Kurzem auf einem Symposium der GWQ Service Plus, Vertrags- und Dienstleistungs-Gesellschaft der Betriebskrankenkassen in Berlin.

35 sowohl zur Hälfte in der Klinik und in der Praxis als auch im ländlichen und im städtischen Raum tätige Ärzte mit mehr als 15 unterschiedlichen Spezialisierungen hatten an der Untersuchung teilgenommen. Die Befragung machte unter anderem deutlich, dass es einen augenfälligen Zusammenhang zwischen der Qualität der Versorgung in einer Region und der Zahl der vermeid-baren Krankenhausaufenthalte gibt. Auch gibt es eine Reihe von Indikationen, die typischerweise zu einem unnützen Krankenhausaufenthalt führen. Dazu zählen vor allem verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hypertonie und Hals-Nasen-Ohren-Infektionen, depressive Störungen und Zahn- und Mundhöhlenerkrankungen.

Die befragten Ärzte stuften in insgesamt fünf bis sechs Millionen Fällen die Qualität der ambulanten Versorgung als unzureichend ein, mit der Folge einer Hospitalisierung. Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von sogenannten ambulant-sensitiven Krankenhausfällen (ASK). „Ein Großteil der ambulant-sensitiven Krankenhausfälle kommt als Notfall ins Krankenhaus“, so Sundmacher. In 75 Prozent dieser Fälle sei die stationäre Einweisung grundsätzlich vermeidbar, lautet ein weiteres Ergebnis der Münchner Studie. Bei den Zahn- und Mundhöhlenerkrankungen lag die Quote der vermeidbaren stationären Behandlungen nach Angaben der Befragten sogar bei 94 Prozent, während sich beispielsweise Krankenhausaufenthalte aufgrund depressiver Störungen bei einer besseren ambulanten Versorgung um bis zu 71 Prozent vermeiden ließen. Aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hypertonie und HNO-Infektionen führen auffallend häufig zu ASK.

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Qualitätsmessung über lokale Netzwerke

Die Forscher stellten zudem fest, dass es einen Zusammenhang zwischen der Intensität der ambulanten Versorgung in einer Region und den Krankenhauseinweisungen gibt. Das heißt, je weniger vertragsärztliche ambulante Leistungen in einer Region erbracht werden, umso höher ist die Zahl der ASK und umgekehrt. Weitgehend einig waren sich die an der Studie beteiligten Ärzte, dass eine Verbesserung der kontinuierlichen sowie der sektoren-, der fach- und der berufsgruppenübergreifenden Behandlung das Mittel der ersten Wahl zur Vermeidung von ASK ist. Als bedeutsam stufen sie auch eine flächendeckende und zeitlich optimale Erreichbarkeit ambulanter Leistungen sowie die stärkere Einbeziehung nichtärztlicher Gesundheitsberufe ein. Um zu erkennen, wo konkreter Handlungsbedarf besteht, sei eine Qualitätsmessung über lokale Netzwerke sinnvoll.

Dr. Jan Böcken von der Bertelsmann-Stiftung wies auf dem Symposium zudem darauf hin, dass bestimmte Erkrankungen in einzelnen Regionen um ein Vielfaches häufiger operiert werden als in anderen Regionen. Die Zahlen schwankten in einem Maß, das durch medizinische Gründe nicht erklärbar sei, so Böcken. Auch gebe es Regionen, in denen die OP-Raten gleich bei mehreren Indikationen und über mehrere Jahre um mehr als 30 Prozent über dem Bundesdurchschnitt lägen.

So variiere beispielsweise die Kaiserschnittrate regional zwischen 17 und 51 Prozent, wobei besonders hohe Raten in manchen Regionen durch häufige Re-Sectio-Raten zu erklären seien. Auffällig sei auch, dass in Belegabteilungen von Kliniken besonders häufig geplante Kaiserschnitte stattfänden. Beim Einsatz künstlicher Kniegelenke schwankten die OP-Zahlen regional von 73,1 Eingriffen bis zu 214,3 Eingriffen pro 100 000 Einwohner. Auch Gaumenmandeln würden in manchen Regionen bis zu 58-mal häufiger als anderswo operativ entfernt. Große Qualitätsunterschiede gibt es Böcken zufolge außerdem bei der Zahl der Diagnosen und Behandlungen von Depressionen. Während in manchen Kreisen nur fünf Prozent der Patienten mit schweren Depressionen leitliniengerecht behandelt würden, seien es in anderen Regionen 40Prozent. Böcken verweist in dem Zusammenhang auf mögliche Unterdiagnosen in den östlichen und auf Überdiagnosen in den südlichen Bundesländern und Großstädten.

Petra SpielbergAltmünsterstr. 165207 Wiesbaden

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