TTIP – wehret den Anfängen!
wie sehr wir als Heilberufler in internationale politische Strömungen eingebunden sind, zeigen die jüngsten Diskussionen um das in der Öffentlichkeit stark umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP („Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“).
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wie sehr wir als Heilberufler in internationale politische Strömungen eingebunden sind, zeigen die jüngsten Diskussionen um das in der Öffentlichkeit stark umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP („Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“).
Ziel dieses zwischen der EU und den USA verhandelten Abkommens ist es, Zölle und andere Handelsbarrieren zwischen den USA und der EU abzubauen und gegenseitig die Märkte zu öffnen. Bestehende Einschränkungen für Dienstleistungen sollen abgebaut, die Investitionssicherheit und die Wettbewerbsgleichheit verbessert und der Zugang zu öffentlichen Aufträgen soll vereinfacht werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei der angestrebte Abbau sogenannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse, also Maßnahmen, die unmittelbar oder mittelbar den Handel beschränken.
Dazu zählen etwa technische Vorschriften, industrielle Sicherheitsstandards, Vorschriften über die Sicherheit von Lebens- und Arzneimitteln, Umweltstandards oder Zulassungsbedingungen. Jetzt mag sich mancher Kollege in der Praxis denken: Das ist mir zu weit weg – und geht mich nichts an. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Denn TTIP hätte auch Auswirkungen auf die Freien Berufe. Deren Tätigkeiten, wie etwa ärztliche und zahnärztliche Leistungen, wer den ausdrücklich im Verhandlungskapitel über den Dienstleistungssektor mit einbezogen. In der Diskussion ist eine Marktöffnung.
Ein weiterer Knackpunkt ist, dass die Angehörigen bestimmter regulierter Berufe von den USA und der EU wie Inländer behandelt werden sollen. Dies soll durch Regeln für die erleichterte Anerkennung von ausländischen Abschlüssen flankiert werden. Aus freiberuflicher Sicht könnte schließlich der besagte geplante sukzessive Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse zu Verwerfungen führen. Denkbar ist, dass bestimmte berufsrechtliche Regelungen, die der Qualitätssicherung dienen, wie etwa Fremdkapital- oder Werbeverbote, als Handelshemmnisse verstanden werden, da sie potenzielle Investoren abschrecken. Das Freihandelsabkommen könnte auf diese Weise einen sich bereits heute auf europäischer Ebene abzeichnenden Trend zur Deregulierung, etwa im Zusammenhang mit dem laufenden EU-Transparenzprozess für regulierte Berufe, verstärken.
All diese Punkte unterstreichen aus standespolitischer Sicht die Notwendigkeit, rechtzeitig gegenzusteuern. Deswegen haben sich die Präsidenten und Vorsitzenden der Heilberufe mit einer Erklärung an die Bundeskanzlerin gewandt. Die Spitzenvertreter von BÄK, KBV, BZÄK, KZBV und den Apothekern verweisen auf die möglichen negativen Auswirkungen von TTIP und fordern von der Kanzlerin, dass dieses keine Anwendung auf das Gesundheitswesen in Deutschland finden darf. Weder die Rechte der Patienten noch die Freiberuflichkeit von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern oder die Kompetenzen der Selbstverwaltung dürften eingeschränkt werden. Das deutsche Gesundheitswesen zeichnet sich durch hohe Qualität und einen schnellen Zugang zur Gesundheitsversorgung aus. Es würde die Freiberuflichkeit und das hohe Niveau der Versorgung auch nachhaltig gefährden, wenn eine noch stärkere Ökonomisierung nach amerikanischem Vorbild erfolgte. Drohende Deregulierungs- und Normierungsbestrebungen würden den Mitgliedsstaaten außerdem den Gestaltungsspielraum für das nationale Gesundheits-system nehmen. Und Patienteninteressen müssen auf jeden Fall Vorrang vor Kapital- interessen haben!
Wir Heilberufler haben der Kanzlerin in unserem Papier Lösungsansätze unterbreitet. In seinem Antwortschreiben unterstreicht das Bundeskanzleramt, dass aus Sicht der Bundesregierung keine Gefahr besteht, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland oder der Patientenschutz durch TTIP verwässert werden. Deutschland werde keine Verpflichtungen zu einer Marktöffnung im Gesundheitssektor eingehen.
So weit, so gut. Aber diese Aussage ist noch kein Freifahrtschein, dass das Gesundheitswesen ein Tabu bleibt. Die Entwicklungen aus der EU haben zum Beispiel gezeigt, dass es schnell anders gehen kann. Deshalb: Nicht alles wird gut – wehret den Anfängen. Dazu diente unser aktives standespolitisches Monitoring.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Engel
Präsident der Bundeszahnärztekammer