Virtuell an der Praxis vorbeistudiert
Der Meldung zufolge ist die akademische Plattform EDU der DEH auf Malta die erste digitale Ausbildungsstätte dieser Art weltweit. „EDU verbindet moderne digitale Didaktik mit einer intensiven fachpraktischen Ausbildung im Lehrkrankenhaus. Der medizinische Studiengang besteht aus einem dreijährigen Bachelor- und einem konsekutiven, zweijährigen Master-Studiengang in Humanmedizin – mit insgesamt über 5.500 Stunden theoretischem Unterricht und praktischer klinischer Ausbildung. Der Studiengang ist mit mindestens 300 ECTS [das europäische System zur Übertragung und Akkumulierung von Studienleistungen, Anm. der Redaktion] zertifiziert und erfüllt damit die europäischen Vorgaben“, heißt es seitens der Initiatoren.
Noch am selben Tag erteilte der maltesische Bildungsminister Evarist Bartolo der DEH die Zulassung als Hochschule – nicht als Universität, wohlgemerkt. Parallel dazu wird von der National Commission for Further and Higher Education der Mediziner-Bachelor der DEH innerhalb des Europäischen Qualifikationsrahmens akkreditiert.
Die DEH beschreibt sich selbst als „junges Unternehmen mit Sitz in Kalkara, Malta, mit Niederlassungen in Berlin, Bratislava und Prag“. Das Team besteht nach Angaben der Firma aus den Gründern und Führungskräften. Mit einem „breitgefächerten Ökosystem an Partnern“ baue man „auf europäische Traditionen ausgerichtete Studienprogramme“ auf, die die Absolventen „mit denen für das 21. Jahrhundert notwendigen Fähigkeiten ausstatten und ihnen dabei ein starkes Verantwortungsbewusstsein vermitteln“ sollen.
„Irreführend, praxisfern und teuer!“
Statement von BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel
„Der ‚Bachelor of Medicine‘, der seitens einer von Deutschland aus gesteuerten, privaten Hochschule – mit Sitz in Malta – als digitales Studium angeboten werden soll, ist irreführend, fern jeden Praxisbezugs und teuer für die Studierenden. Das Angebot suggeriert Studienwilligen, die am NC gescheitert sind, mit einer Erstausbildung den Weg ins Medizinstudium zu ebnen – zu fürstlichen Preisen. Und das ohne Garantie auf Anerkennung der absolvierten Kurse, respektive des Bachelor-Abschlusses.
Denn die DEH ist bislang keine anerkannte medizinische Hochschule. Die Akkreditierung für einen weiterführenden zweijährigen Masterstudiengang, dessen Absolvierung für eine Approbation nach der EU-Berufsanerkennungsrichtline zwingend notwendig ist, steht noch aus. Da das digitale Angebot aus Malta also der bewährten Systematik der regulären Medizinstudiengänge in der EU widerspricht, ist damit die Rechtsunsicherheit erheblich.
Es stellt sich natürlich auch die Frage nach dem Sinn und nach der Qualität eines digitalen BA-Studiums in der Medizin. Ein virtuelles Studium kann keine ausreichende Vorbereitung auf die ärztliche – und natürlich auch zahnärztliche – Praxis leisten. Es fehlen der Patientenkontakt sowie der kollegiale Austausch, die über Praktika und Famulaturen vermittelt werden. Empathie und emotional-soziale Kompetenz erwirbt man nicht am Bildschirm. Interessenten sollten dieses Studienangebot hinsichtlich des angestrebten Studienziels „Ärztin“/„Arzt“ kritisch prüfen.“
Dr. Peter Engel,
Präsident der Bundeszahnärztekammer
Einer der Partner aus diesem Ökosystem – die Helios-Gruppe mit Hauptsitz Berlin, die in einer Erklärung ihre Kooperation mit der DEH angekündigt hat: An der privaten Hochschule könnten langfristig bis zu 3.000 angehende Ärzte Medizin studieren. Für Deutschland seien zunächst 75 Studienplätze vorgesehen. Im Rahmen des Innovationsforums der Deutschen Hochschulmedizin Ende September hielt der Chief Medical Officer der maltesischen Bildungseinrichtung erstmals einen Vortrag in einem größeren Rahmen über das EDU-Konzept. Bundesärztekammer (BÄK) und die Deutsche Hochschulmedizin e. V. reagierten unverzüglich: „Ein virtuelles Studium macht noch keinen echten Arzt“, lautet das Fazit der kritischen Bewertung, der sich die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) anschließt. „DEH und der Krankenhauskonzern bieten ein Studienmodell an, das ausschließlich internetbasierte Lerneinheiten mit praktischen Ausbildungsanteilen kombinieren soll“, heißt es weiter in der Stellungnahme. Hierzu liege bisher nur eine maltesische Akkreditierung für die ersten drei Jahre vor, die zum Abschluss mit dem Bachelor führen sollen. „Eine Zulassung als Ärztin oder Arzt ist damit nicht möglich. Die Akkreditierung für einen weiterführenden zweijährigen Masterstudiengang, dessen Absolvierung für eine Approbation nach der Berufsanerkennungsrichtline notwendig ist, steht noch aus.“ Da die DEH nicht als Universität zugelassen ist, sei eine Anerkennung der Abschlüsse in Deutschland gemäß Berufsanerkennungsrichtlinie, die für den Arztberuf ein Studium an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität vorschreibt, gegenwärtig nicht möglich. „Statt eines praxisorientierten, universitären Studiums unter Vermittlung von wissenschaftlich fundiertem Grundlagenwissen und einer Verstärkung praktischer Lehranteile findet hier ein im Wesentlichen online-basiertes Selbststudium von zu Hause statt“, bilanzieren die BÄK und die Deutsche Hochschulmedizin abschließend.
„Ein virtuelles Studium macht keinen echten Arzt“
Doch wie ist die Resonanz der Studierenden? Stand Mitte Oktober – bis zum 15. Oktober sollten alle Zulassungsbescheide versandt worden sein – gibt es laut EDU 45 Interessenten, wobei der Auswahlprozess inklusive Testverfahren und Interviews „noch läuft“.
Diese 45 Interessenten hatten zuvor ein dreistufiges Verfahren durchlaufen – und zwar komplett online: In Phase 1 startet die Onlinebewerbung mit einem biografischen Fragebogen und dem Nachweis, dass die formalen Kriterien für die Zulassung zu einer Hochschule erfüllt sind. In Phase 2 folgt der Onlinetest, der von der ITB Consulting GmbH durchgeführt wird und die Lernfähigkeit sowie die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten anhand von mathematischen, verbalen und visuell-räumlichen Aufgaben misst.
„Der Test erlaubt es uns, die Eignung der Bewerber für das akademische Studium der Medizin nach objektiven Kriterien zu bewerten. Spezielle Kenntnisse sind nicht erforderlich“, begründet die EDU ihr Vorgehen. Laut Co-Founder Dr. Jürgen Laartz handelt es sich um einen spezifischen Potenzialtest für den Arztberuf: „Bei der Bewertung der Antworten spielt neben der Qualität der Antworten auch die Komponente Zeit eine Rolle.“ Die DEH kennt offensichtlich ihr Zielgruppe, jedenfalls gibt sie auf der Homepage noch diesen Hinweis: „Die Nutzung eines Handys eignet sich für den Test nicht.“
In Phase 3 erwartet die Bewerber ein „strukturiertes Vorstellungsgespräch“, durchgeführt von speziell geschulten Interviewern, „die die Motivation und Soft Skills unserer Kandidaten einschätzen“. Ziel sei, dass Bewerber und Hochschulmitarbeiter sich persönlich kennenlernen. Auch dieses „persönliche Kennenlernen“ findet im Übrigen über das Internet statt.
Als was kann man nach dem Studium arbeiten?
Die Inhalte des Onlinestudiengangs lesen sich wie solche herkömmlicher Humanmedizin. Dass zum Lernen nur Onlineplattformen genutzt werden, macht den „Bachelor of Medicine“ der EDU Malta besonders: 3D4Medical (eine dreidimensionale Anatomieplattform), Amboss (medizinische Wissensplattform) und Drawittoknowit (nachzeichenbare Videotutorials). Tutoren und Mentoren begleiten die Lerngruppen (mit je fünf Studenten). Auch die Tests werden online geschrieben und beaufsichtigt.
„In Deutschland kann damit eine Approbation beantragt werden!“
Interview mit Helios Kliniken GmbH
Was hat Helios bewogen, klinischer Ausbildungsparter des Digitalstudiengangs Medizin zu werden?
Wir sind überzeugt, dass es gut ist, unsere künftigen Mediziner besonders nah an der Praxis und am Praxisalltag in einer Klinik auszubilden. Dazu kommt: Das Studienfach Medizin wird in Zukunft auch jungen Menschen offenstehen, für die es bislang aufgrund des Numerus Clausus nicht infrage kam. Ein Einstiegstest und persönliche Auswahlgespräche entscheiden über die Zulassung der Medizinstudenten an der EDU. Entscheidend sind hier Persönlichkeitsmerkmale wie Kommunikationsfähigkeit, Empathie und Teamfähigkeit – unerlässliche Eigenschaften im Klinikalltag! Dass gute Schulnoten allein einen jungen Menschen nicht für den Beruf des Arztes prädestinieren, wissen wir schon lange.
Dank des innovativen Ausbildungskonzepts lernen gute, praxiserfahrene und teamfähige junge Mediziner Helios schon früh kennen. Sie werden erfahren, wie wir Medizin machen, wie wir unsere Krankenhäuser führen und wie wir mit Qualität und Qualitätsmessung umgehen. Wenn wir unseren Job gut machen, werden einige dieser Kollegen sich entscheiden, ihre Karriere an einem unserer Häuser zu beginnen.
Sehen Sie auch Nachteile?
Wir sehen keine Nachteile, die sich aus der Kooperation ergeben. Im Gegenteil. Wir sind überzeugt, dass diese Form der Ausbildung der Gesundheitsversorgung und unseren Patienten von morgen enorme Chancen bieten wird.
Sind die Abschlüsse dieses Online-Studiengangs Ihrer Auffassung nach mit denen deutscher Medizinstudiengänge gleichzusetzen?
Ja. Die EDU bietet derzeit einen Bachelor of Medicine an. Die Akkreditierung des darauf aufbauenden Master of Medicine/MD wird noch 2018 erwartet. Diese beiden Abschlüsse gemeinsam werden als Berufsqualifikation in jedem EU-Land anerkennungsfähig sein (gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen innerhalb der EU). In Deutschland kann damit eine Approbation beantragt werden. Nach heutigem Prozedere erteilen die deutschen Behörden diese und verlangen lediglich einen Nachweis über ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache.
Wann starten Sie mit der klinischen Ausbildung?
Spätestens im März 2019.
In der letzten Novemberwoche soll der Bachelor-Studiengang Medizin an der EDU starten.
Doch was kann man mit einem solchen Abschluss anfangen? In der digitalen Selbstdarstellung des digitalen Studiengangs hieß es bis zum 18.10.:
„Mit dem Abschluss des Bachelorstudiums der EDU ist eine Beschäftigung in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens von Versicherungen bis zur gesundheitspolitischen Entscheidungsfindung möglich. Darüber hinaus wäre der Bachelor-Abschluss unserer Einrichtung in folgenden Berufsfeldern sinnvoll:
Krankenschwester
Kinderkrankenschwester
Gesundheitswissenschaftler, Genomik
Gesundheitswissenschaftler, Molekulare Medizin
Hochschuldozent
internationaler Hilfsarbeiter
internationaler Entwicklungshelfer
Psychiatrische Krankenschwester
Krankenhausmanagement“
Ist vielleicht gar nicht vorgesehen, dass die Absolventen in ihrem studierten (Arzt-)Beruf arbeiten? Und bedeutet das, dass man sich (auch) in Deutschland damit als Krankenschwester, Gesundheitswissenschaftler und Krankenhausmanager bewerben kann – und auch so nennen darf? Antwort der EDU: „Selbstverständlich nicht“. Die konkreten Voraussetzungen für die Ausübung der einzelnen Berufe seien „sehr unterschiedlich“. Und weiter: „Die Idee unserer Auflistung ist lediglich, verschiedene Berufsgruppen zu benennen, zu deren Ausbildungsvoraussetzungen und Betätigungsfeldern die von uns angebotene medizinische Ausbildung eine relevante Schnittmenge hat und eine sinnvolle Vorbildung ist. Dies ersetzt keineswegs generell die Absolvierung berufsspezifischer Ausbildungsvoraussetzungen.“
Kurz vor Drucklegung dann eine zweite Antwort aus Malta: „Das Benennen von Berufen im Gesundheitsbereich“ sei – „um Missverständnisse zu vermeiden“ – von der Website genommen worden.
Unverändert verspricht die Hochschule dort weiter: „Dieser Abschluss [Bachelor, Anm. der Redaktion] wird in der Europäischen Union und darüber hinaus als gleichwertig zu einem medizinischen Abschluss mit einer ähnlichen Anzahl von Kreditpunkten anerkannt.“
Beziehungsweise was taugt der Bachelor?
Was ist davon zu halten? „Was eine mögliche Anerkennung eines ,Bachelor of Medicine‘ der EDU in Deutschland als Arzt angeht, ist die dafür geltende EU-Berufsanerkennungsrichtlinie eindeutig“, erläutert Dr. Alfred Büttner, Leiter der BZÄK-Abteilung Europa und Internationales in Brüssel. „Die ärztliche Grundausbildung umfasst mindestens fünf Jahre – das kann zusätzlich in der entsprechenden Anzahl von ECTS-Punkten ausgedrückt werden – und besteht aus mindestens 5.500 Stunden theoretischer und praktischer Ausbildung an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität. An der maltesischen Einrichtung werden mit dem Bachelor weder die zeitlichen Vorgaben erfüllt noch die universitäre Aufsicht. Zudem befindet sich der konsekutive Master beziehungsweise Doctor of Medicine nach Angaben der DEH selbst erst noch im Anerkennungsprozess.“ Büttner weiter: „Die Europäische Union hat nur die Kompetenz, die Anerkennung von Berufsabschlüssen zu regeln. Der Weg zum Abschluss, das heißt die Ausbildung selbst, ist Sache der EU-Mitgliedstaaten. Das erschwert eine umfassende, fundierte Vergleichbarkeit.“
„Hätte es das zum Zeitpunkt meines Studiums schon gegeben, wäre ich wahrscheinlich jetzt ein noch besserer Arzt!“
Interview mit DEH-Vorstandsmitglied Dr. Nils Theissen und Prof. Andreas Hoeft, Sprecher der Fakultät
Am Rande des Innovationsforums der Deutschen Hochschulmedizin am 27. September in Berlin hatten wir Gelegenheit, mit zwei Vertretern der DEH zu sprechen: mit dem Chief Medical Officer, Dr. Nils Thiessen, und mit dem Speaker of the Founding Faculty, Prof. Dr. Andreas Hoeft.
Wer interessiert sich für Ihren Studiengang?
Dr. Nils Thiessen: Unter den Interessenten befinden sich viele, die gerne Medizin studiert hätten, aber seinerzeit aufgrund des mittlerweile absurd hohen NC keine Zulassung zum Medizinstudium erhalten haben. Interessant für diese Gruppe mit bereits abgeschlossener Berufsausbildung könnte sein, dass die Kosten für das „Zweitstudium“ von einem späteren Einkommen als Arzt steuerlich absetzbar sein könnten.
Sie versprechen, Bewerber nicht allein dafür zuzulassen, dass diese die hohen Studiengebühren zahlen, sondern sie auch auf ihre Eignung hin zu prüfen. Was genau testen Sie?
Thiessen: Wir testen nicht nur die kognitiven Fähigkeiten der Bewerber, sondern auch die emotionalen, empathischen. Das Zulassungsverfahren umfasst drei Phasen. In der ersten schickt der Interessent Hochschulzugangsberechtigung, Lebenslauf und Motivationsschreiben. Phase II umfasst einen „Cognitive Skills Test“. Wenn der bestanden wurde, führen wir zu guter Letzt mit den Kandidaten ein strukturiertes Interview.
Als Nächstes wollen Sie den Master-Abschluss anbieten. Wann geht es los?
Thiessen: Unser geplanter Abschluss MD, Doctor of Medicine, befindet sich noch im Anerkennungsprozess. Ursprünglich hatten wir einen Master of Medicine beantragt, aber die zuständige Behörde in Malta hat uns den Titel „Medical Doctor“ empfohlen, was in der Tat den Abschluss eindeutiger beschreibt. Unser MD wird gemäß der EU-Richtline 2005/36 äquivalent zu anderen Abschlüssen als Arzt in der EU sein.
Wird der angebotene Bachelorabschluss gleichwertig zu einem deutschen Staatsexamen sein? Ist man mit dem maltesischen „Bachelor of Medicine“ Arzt?
Hoeft: Der Bachelor ist nicht dem Arzt gleichwertig, nur der MD nach einem insgesamt fünfjährigen Studium.
Ist die EDU eine Bildungseinrichtung wie andere auch?
Thiessen: Auf der Liste der anerkannten medizinischen Hochschulen stehen wir noch nicht. Dort wird zurzeit nur die Universität Malta aufgeführt. Änderungen solcher Listen dauern, da diese Gesetzescharakter haben. Um möglichst bald Rechtssicherheit zu erlangen, werden wir übergangsweise eine Gleichwertigkeitsbescheinigung des Staates Malta anstreben, die wir zu Beginn des nächsten Jahres erwarten.
Da Malta bei der Regulierung von Akkreditierungsverfahren führend in Europa ist, hatte die Europäische Union das Land beauftragt, ein Konzept zur EU-weiten Harmonisierung von Akkreditierungsverfahren zu entwickeln. Alles natürlich konform mit den Richtlinien der Europäischen Kommission.
In Ihrem Vortrag sagten Sie, dass Sie durch regelmäßige Audits alle fünf Jahre vor Ort kontrolliert werden. Was genau wird „vor Ort“ bei einem digitalen Studiengang kontrolliert?
Thiessen: Der komplette Studiengang muss alle fünf Jahre reakkreditiert werden. Das heißt, hier werden die Dokumente der „Provider Accreditation“, der „Programme Accreditation“ und der „Internal Quality Assurance“ überprüft. Vor Ort kann eine Begehung der „Teaching Hospitals“ stattfinden, ebenso werden Gespräche mit dem „Teaching Personal“, inklusive der Modul-Koordinatoren, Modul-Direktoren, Geschäftsführer der jeweiligen Krankenhäuser und Studierenden geführt.
Über Ihre Tutoren sagten Sie, jene seien „Mediziner mit klinischer Erfahrung und medizinisch-didaktischen Fähigkeiten“, die „von uns noch mal geschult“ wurden. Wie sehen die Schulungen aus?
Thiessen: Wir werden regelmäßig Schulungen durchführen. Das Teaching Personal von ein oder zwei Krankenhäusern kommt an mindestens zwei Tagen im Jahr zusammen, um durch externe Dozenten medizindidaktisch geschult zu werden. Geplant ist weiter, dass das Teaching Personal Zugang zur Lernplattform erhält. Dort können sie sich in einen Bereich „Teachers“ einloggen und untereinander austauschen. Ebenso werden dort Webinare und Videos zur Verfügung gestellt. Sie können dort auch, gemeinsam mit unseren Tutoren, in Kleingruppen an Themen arbeiten.
Was ist das Digitale an dem neuen Studiengang?
Thiessen: Wir bieten an der EDU mehr als 5.500 Stunden Lernstoff, gemäß EU-Richtlinie 2005/36. Alleine das Angebot eines unserer Content-Provider umfasst 800 Online-Lernkarten mit mehr als 5.000 Seiten Text sowie zahlreiche Videos und animierte Websites, stets mit Verweisen auf weiterführende Literatur. Hätte es das zum Zeitpunkt meines Studiums schon gegeben, wäre ich wahrscheinlich jetzt ein noch besserer Arzt.
Wie viele Anmeldungen sind bei Ihnen eingegangen, wie viele Interessenten eingeladen?
Thiessen: Wir haben reges Interesse und planen mit circa 45 Studienanfängern. Der Auswahlprozess, inklusive Testverfahren und Interviews, läuft derzeit.
Ihr Titel „Chief Medical Officer“ bezeichnet normalerweise höhere Beamte in Gesundheitsministerien oder die höchste Position eines Arztes als Führungskraft im Krankenhaus. Ist Ihre Positionsbezeichnung mit der Republik Malta oder mit einem anderen EU-Mitgliedstaat abgestimmt?
Thiessen: Die Digital Education Holding ist ein Unternehmen und orientiert sich in ihren Berufsbezeichnungen entsprechend internationaler Gepflogenheiten. Unsere Mitglieder des Management Boards führen somit als C-Level Titel wie zum Beispiel CMO (Chief Medical Officer), CTO, CFO oder COO.
Ist ein Wechsel in ein reguläres Studium – in Deutschland oder sonst in der EU – möglich? Und wie sieht es mit der damit verbundenen notwendigen Anerkennung von Scheinen aus?
Thiessen: Eine Systematik für den Quereinstieg bei der EDU gibt es derzeit leider noch nicht, soll in Zukunft aber möglich gemacht werden. An dieser Stelle braucht es einen validen Prozess, der die Bewertung von erbrachten Studienleistungen mittels des „European Credit Transfer System“ fair und gerecht übertragbar macht. Während dies in anderen Studiengängen bereits gut etabliert ist, steckt die Medizin hier noch in den Kinderschuhen.
Hintergrund: Das von Deutschland aus operierende deutsche Unternehmen Digital Education Holdings (DEH) ist in Malta angemeldet.
Eine ähnliche Einschätzung gibt Dr. Beatrix Schwörer, Leiterin der Abteilung Medizin des Wissenschaftsrats: „Unserer Ansicht nach führt der dreijährige maltesische Bachelor of Medicine in Deutschland nicht zu einem approbationsfähigen Abschluss als Ärztin oder Arzt. Da uns die Ausbildungsinhalte nicht bekannt sind, können wir noch keine Aussage darüber treffen, inwieweit man damit in Deutschland überhaupt zu einem Gesundheitsberuf befähigt wird.“
Kein approbationsfähiger Abschluss als Arzt
Die zm fragten deshalb noch einmal bei der DEH nach, wie sie als Anbieter diesen Widerspruch auflöst. Ihre Antwort: „Die von Ihnen benannte Gleichwertigkeit in unserer Formulierung bezieht sich nicht auf die von Ihnen zitierten europäischen Anforderungen der ärztlichen Grundausbildung, sondern auf vergleichbare Bachelorabschlüsse anderer Hochschulen, so dass die von EDU verliehenen Bachelor-Abschlüsse dann im Sinne des Bologna-Prozesses grundsätzlich zur Aufnahme eines weiterführenden Masterstudiums auch an anderen Hochschuleinrichtungen berechtigen.“
Dies würde bedeuten, dass die Studierenden mindestens 58.860 Euro* zahlen, um später – an derselben Einrichtung oder woanders – zwei Jahre draufzusatteln, damit sie wirklich Arzt werden können.
*Kosten: Auf der Internetseite der EDU (Stand 15.10.) heißt es: „Alle Preise können im Laufe des akademischen Jahres geändert werden.“ Das Bachelorstudium soll aktuell 58.860 Euro kosten, der Master etwa 40.000 Euro. Allein für die Teilnahme am Auswahlverfahren werden 180 Euro fällig, zuzüglich Beglaubigungen. Zur Bestätigung der Studienplatzannahme stellt die EDU eine einmalige, nicht erstattungsfähige Immatrikulationsgebühr von 6.000 Euro in Rechnung, die mit den Kosten des ersten Studienjahres verrechnet wird. Die Details des Begabtenförderungsprogramms der EDU sollten am 1. September 2018 veröffentlicht werden, allen Studierenden will die EDU verschiedene Finanzierungsoptionen für ihr Studium anbieten, die ab dem 15. September sukzessive auf der Webseite veröffentlicht werden sollten. Kurz vor Redaktionsschluss hieß es dazu, dass sich Thema „noch im Aufbau und Review“ befinde und dass es „bis Ende des Jahres“ ein Konzept geben werde.
„Informationen, die eine automatische europarechtliche Erlaubnis suggerieren, sind irreführend!“
Die Juristensicht: Prof. Peter M. Lynen
„Aufgrund des sogenannten Bologna-Prozesses sind in Deutschland länder- und hochschulübergreifend die Bachelor- und Masterabschlüsse eingeführt worden. Damit verbunden ist unter anderem das System der Kreditpunkte. Nach wie vor sehr wichtige Ausnahmen davon bilden die medizinischen und die rechtswissenschaftlichen Studiengänge. Diese schließen immer noch und aus guten Gründen mit Staatsexamina ab und beziehen sich auf dementsprechende Prüfungsordnungen außerhalb der Bachelor- und Masterstudiengänge.
Informationen, die eine automatische europarechtliche Anrechnung oder Erlaubnis suggerieren, sind irreführend. Was ausländische Studien, Abschlüsse und Hochschulgrade angeht, kann vor allem länderübergreifend auf die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Kultusministerkonferenz und länderspezifisch sowie juristisch auf die Hochschulgesetze der 16 Bundesländer und administrativ auf die Wissenschaftsministerien der Länder verwiesen werden.
Wenn es um Tätigkeiten im Gesundheitswesen außerhalb der ärztlichen Berufe geht, kann es zwar möglich sein, einen ausländischen Bachelorgrad oder bei Studienwechslern Kreditpunkte anzuerkennen. Hier steht es vor allem in der Verantwortung der jeweiligen Hochschulen oder Arbeitgeber festzustellen, ob die notwendigen Qualifikationsanforderungen erfüllt sind. Ein riesiges Spektrum von der Krankenschwester bis zum Krankenhausmanagement in einem Bachelorstudiengang widerspricht dem deutschen System von Ausbildungen und Studiengängen, das im Gesundheitswesen in den vergangenen Jahrzehnten ausgebaut und differenziert worden ist.
Zu der DEH-Formulierung ‚Alle Preise [vulgo: unterschiedliche Entgelte für das Studium, mth] können im Laufe des akademischen Jahres geändert werden‘: Dass eine solche Aussage kein optimales Marketing mit starker Planungssicherheit für den Kunden darstellt, dem kann ich als Kunst- und Wissenschaftsmanager zustimmen. Im Rahmen des Internationalen Privatrechts muss man zuerst auf der Ebene der Kollisionsnormen prüfen, welches nationale Recht anwendbar ist, dann kann man auf der Ebene der Sachnormen des anwendbaren nationalen Rechts zu konkreten Ergebnissen kommen. Entscheidend ist, was die Hochschule mit dem jeweiligen ‚Kunden‘ einzelvertraglich ausmacht und inwieweit solche Statuten einbezogen werden. Bei staatlichen Hochschulen geschieht das über Satzungen, bei privaten Hochschulen über AGB.“
Prof. Dr. iur. Dr. h.c. Peter M. Lynen ist Rechtsanwalt und Experte für Kunst- und Wissenschaftsrecht der Kanzlei Dr. Mahmoudi & Partner, Köln.