Eine Kinderzahnärztin berichtet

„Unterschätzen Sie nicht die Kommunikationsfähigkeit von Kindergartenkindern!“

Eine kindgerechte Kommunikation ist für den Umgang mit den kleinsten Patienten enorm wichtig, weiß Kinderzahnärztin Dr. Ruth Struck aus Bergisch Gladbach. Doch ihrer Meinung nach braucht es noch mehr: Zuneigung, Geduld und eine gewisse Portion Humor. Ein Erfahrungsbericht.

Meist wird man im Behandlungsalltag nicht nur mit dem Kind als Patienten konfrontiert, sondern mit dem Doppelpack „Kind mit Eltern“. Der erste Kontakt umfasst dann immer ein gemeinsames Auftreten - und wird dadurch möglicherweise erschwert: Während die Eltern lange Erklärungen für das Erscheinen abgeben oder Fragen stellen, macht sich beim Kind Langeweile breit.

Vorteilhaft ist es daher, bereits bei der Terminvergabe an der Rezeption oder am Telefon diesbezüglich Informationen einzuholen und in der Karteikarte zu notieren. Wurde dies versäumt, kann die Mitarbeiterin beim Abholen des Patienten aus dem Wartezimmer noch wichtige Anhaltspunkte in Erfahrung bringen, um sie dann dem Behandler bevor er das Sprechzimmer betritt, zukommen zu lassen. So weiß ich direkt Bescheid, warum die Eltern mit ihrem Kind meine Praxis aufsuchen - und kann schon zu Beginn meine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das Kind richten.

Sitzen wie die Erwachsenen - das ist das Motto!

Ab dem Kindergartenalter bieten wir unseren kleinen Patienten an, alleine im Behandlungsstuhl Platz zu nehmen. Es gibt spezielle Sitzerhöhungen, aber erfahrungsgemäß möchten viele Kinder diese gar nicht in Anspruch nehmen, denn sie fühlen sich ja „schon groß“. 

Dieser erste wichtige Sprung ins Kindergartenalter befähigt die Kinder zu einer nicht zu unterschätzenden Kommunikationsfähigkeit. Fangen Sie ein Gespräch an, indem sie relevante Themen ansprechen: Hat das Kind ein Lieblingskuscheltier mitgebracht? Wie heißt es? Heutzutage muss man meist zuerst fragen: ‚WAS ist es?’, denn der heutigen Plüschwaren-Industrie sind wahrlich keine Grenzen gesetzt! Machen Sie ungezwungen einen versöhnlichen Witz daraus, falls Sie den Teletubby für einen außerirdischen Pinguin gehalten haben. Der kleine Patient wir Ihnen Ihren Fauxpas verzeihen, denn nichts fesselt Kinder mehr, als wenn sie spüren, dass man sich für sie interessiert.

Fragen Sie anschließend nach den Zähnen des Kuscheltiers - und leiten die Frage weiter: Fragen Sie das Kind, was mit seinen eigenen Zähnen ist, und ob es Ihnen zeigen kann, wie viele (Milch)Zähne es schon hat und wo es vielleicht weh tut. Meiner Meinung nach bewährt es sich, nicht sofort beim Erstkontakt eine Behandlung einzuplanen, aber meine Erfahrung zeigt auch, dass dies dennoch oft möglich ist. Wenn die kleinen Patienten Zutrauen entwickelt haben, dann lässt sich auch beim ersten Termin ein lockerer Milchzahn ziehen. Voraussetzung dafür ist meines Erachtens die Fähigkeit, während der Kommunikation gleichzeitig visuelle Effekte miteinzubeziehen.

Machen Sie das Betäubungsspray zum „Deo für das Zahnfleisch“

Durch ein gleichzeitiges „Tell + Show“ ist die begrenzte Aufmerksamkeitsspanne der Kinder verlängert, und sie sind leichter zur Mitarbeit zu bewegen. Das bedeutet: Während ich erzähle, zeige ich mein Werkzeug spielerisch. Mein Betäubungsspray mutiert dabei zum „Deo für das Zahnfleisch“ - gleichzeitig sprühe ich es auf meine Hand oder die Hand des Patienten. Meine kleine Zange ist ein „toller kleiner Greifer“ für den gelockerten Zahn - das Kind darf die Zange anfassen und bewegen. Und für eine Kariestherapie habe ich Schaumodelle, die die Kinder meist tief beeindrucken: tiefzerstörte Milchzähne mit veränderter Morphologie. Ich nenne diese Zähne „Monsterzähne“ und frage die Kinder, ob sie sich vorstellen könnten, so etwas im Mund zu belassen.

Das Auge und das Gehör auf Spannendes zu richten, ist immer eine gute Strategie, um die Kooperation des Kinds zu erreichen. Und wenn Ihnen dieser Schritt gelingt, haben Sie auch entspannte Eltern im Hintergrund. Diese verkneifen sich dann aus dem Background ein „Es-tut-nicht-weh“ zu rufen. Je mehr Sie mit dem Kind bildhaft kommunizieren, desto weniger werden sich besorgte Eltern in Ihr Gespräch einmischen und dadurch das Kind ablenken oder gar verunsichern.

„Du brauchst keine Angst zu haben“ funktioniert nicht!

Vermitteln Sie den Eltern ein positives Vokabular und eine aufmunternde Wortwahl. „Du schaffst das schon“ fördert Mut, „Du brauchst keine Angst zu haben“ bewirkt meist das Gegenteil: Das Wort „Angst“ ist negativ besetzt.

Lassen Sie auch Ihr Team neue kindgerechte Begriffe erfinden und in den Behandlungsablauf einfließen. Meine Mitarbeiterin hat zum Beispiel die Polymerisationslampe zum „Puppenfön“ umbenannt - ich selbst nenne sie zusätzlich „Disko-Licht“, wenn ich das blaue Leuchten demonstriere. Kinder lieben diese Vergleiche, denn damit können sie etwas anfangen.

Wenn ich die Beschaffenheit des Kompositmaterials erklären will, nenne ich es „Marzipan“, denn genauso sieht das ja aus. Aufmerksam wird dann beobachtet, wie aus dem knetbaren Material ein hartes Klümpchen wird. Auch andere Modelle sind bei der Aufklärungen sehr hilfreich - Sie sollten sich ein kleines Arsenal zulegen. Zum Beispiel: Ich habe zwei Kunstoffmolaren mit Palapress in eine flache Dose eingebettet und die Fissuren des einen Molaren fachgerecht versiegelt - so sieht man deutlich, was eine Versiegelung ausmacht.

Und wenn es um den Zahnwechsel geht, zücke ich das schöne Wechselgebiss aus Plexiglas - so kann ich zeigen, wie die Wurzeln der Milchzähne sich auflösen, weil die Bleibenden direkt darunter liegen und ihre sogenannten „Fresszellen“ vorschicken.

Warum nicht einfach mal eine Bastelstunde nach Feierabend einlegen?

Wenn es um die Dosierung von Zahnpasta bei Klein- und Kindergartenkindern geht, klappt das am besten mit den vorpräparierten Zahnbürsten: Auf die Bürste für die erste Gruppe (0 bis 3 Jahre) habe ich eine rote Linse geklebt. Für die Altersgruppe ab 3 Jahren (das heißt, das Milchgebiss ist vollständig) klebt eine grüne Erbse.

Zusätzlich ist bei uns Informationsmaterial als Flyer vorhanden: eine Liste von Kinderbüchern zum Thema Zahngesundheit, Ratgeber über schädliche Habits und Schnuller-Abgewöhnungtips, selbstentworfene Lutschkalender und CDs mit Zahnputzliedern. Und natürlich haben wir auch eine lustige Handpuppe, die immer bestens gelaunt ist, Zähneputzen toll findet und dies auch humorvoll vermittelt.

Denken Sie immer daran: Kinder wollen begeistert werden - und wenn Sie fantasievolle Umschreibungen für Ihr Anliegen finden, dann ist Ihnen die Aufmerksamkeit der kleinen Patienten sicher. Kinder sind von Natur aus neugierig und dadurch wissbegierig. Wenn ich einem kleinen Patienten erkläre und zeige, wie schnell sich eine Turbine dreht, dann versteht er auch besser, warum er sich beim Bohren ruhig verhalten muss.

Seien Sie humorvoll - das heißt nicht, dass Sie ständig Witze erzählen müssen!

Die Autorinnen Katrin Hansmeier und Dr. Kareen Seidler, die beide den Humor aus wissenschaftlicher Basis erforschen, haben in der zm 109 vom 16. Februar 2019 über die Kommunikation mit Kindern berichtet. In ihrem Artikel „Viel Lob für die Narkose-Indianer“ unterschieden sie dabei zwischen Humor und Ironie - und das zu Recht. Während Humor immer positiv besetzt ist, steckt hinter Ironie meist ein verborgenes Spötteln, das das Gegenteil von dem ausdrückt, was man eigentlich meint.

Wir Erwachsenen haben den Durchblick und können leicht erkennen, welche Meinung hinter einer ironischen Bemerkung steckt - Kinder haben das altersbedingt noch nicht und können deshalb mit dieser Humorform nicht viel anfangen. Ironie ist für sie nicht lustig oder unterhaltsam. Und diese Tatsache sollten wir immer klar vor Augen haben, wenn wir bei der Kinderbehandlung witzig sein wollen.

Humor bedeutet auch nicht, dass ich als Praxisinhaber immer einen unverfänglichen Witz auf den Lippen haben muss. Humor und Empathie sind Lebenseinstellungen, die sich auch auf den Beruf auswirken. Wenn sich kleine Kinder freudig aufgenommen und geborgen fühlen, dann steigt die Fähigkeit zur Kooperation. Nutzen Sie Ihre Empathie, um Kinder für ihre Zähne zu begeistern! Ich glaube, es war die Innung der Zahntechniker, die vor Jahren den Aufkleber herausbrachte „Love your teeth“ - das ist das Motto. Was wir lieben, das hegen und pflegen wir: Wenn wir dieses Bewusstsein schon bei Kindern wecken, haben wir gewonnen!

Überraschen Sie ebenso die Eltern mit dieser kindgerechten Begeisterung, die Sie signalisieren, und stärken Sie gleichzeitig deren Selbstvertrauen, wenn es um Probleme bei der häuslichen Mundhygiene geht.

Und dann geht's nach Hause: Drama beim abendlichen Zähneputzen!

Denn es gibt heutzutage keine Eltern, die nicht das Beste für Ihr Kind wollen, aber trotzdem oft an der Frage scheitern: „Wie bringe ich abends mein Kind dazu, sich kooperativ beim Zähneputzen zu verhalten?“ Meist schauen uns diese Eltern dabei mit großen erwartungsvollen Augen an, und mir erscheint das Szenario jedes Mal wie die verzweifelte Suche nach den karierten Maiglöckchen.

Zeigen Sie also Verständnis für die Situation (ich selbst kann über meine damals sehr resolute kleine Tochter berichten, die vor dem Kindergartenalter fast jeden Abend aus dem Zähneputzen ein bühnenreifes Drama veranstaltet hat), und geben Sie anschließend Rat: das Zauberwort ist üben, üben, üben! Ein sauberer Zahn wird nicht krank!

Also: Ausdauer zeigen und am Ball bleiben, Fantasie entwickeln und herausfinden, womit das Kind zu begeistern ist. Aber vor allem: sich Zeit nehmen für das abendliche Ritual. Den Eltern muss einleuchten, dass die Mundgesundheit ihrer Kinder auf zwei Beinen steht: auf der fundierten Betreuung durch uns als Behandler in der Praxis UND den eigenen Einsatz bei der häuslichen Mundpflege - jeden Tag, jeden Abend.

Natürlich gibt es auch bei uns leider völlig unkooperative Kinder. Da bleibt nur die Behandlung in Sedierung oder Intubationsnarkose. Wir haben aber durch die oben beschriebenen Maßnahmen die Anzahl dieser Fälle signifikant reduzieren können. Zu guter Letzt: Wenn es Ihnen gelingt, die kleinen Patienten zu begeistern, dann macht auch Ihnen die Behandlung Spaß.

Dr. Ruth Struck,
Bergisch Gladbach

Ruth Struck

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