Interview mit Dr. Susanne Brenneis und Jasmin von Gadow

Ganz vorne im Einsatz

In den Gesundheitsämtern arbeiten Zahnärzte an vorderster Front im Kampf gegen Corona. Wir haben mit einer Zahnärztin im Corona-Hotspot Düsseldorf gesprochen, die unermüdlich Abstriche vornimmt, und mit einer Kollegin in Schwerin, die Quarantäne-Patienten betreut.

Frau Dr. Brenneis, Sie sind Zahnärztin im Düsseldorfer Gesundheitsamt und arbeiten derzeit in der Corona-Bekämpfung an vorderster Front mit. Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?

Dr. Susanne Brenneis:

Dienstbeginn ist meistens um 6.30 Uhr, manchmal auch früher. Unser Team fährt mit Kollegen von der Feuerwehr oder dem Rettungsdienst in Altenheime, Obdachloseneinrichtungen und Flüchtlingsunterkünfte und ich nehme Corona-Abstriche. Die Einrichtungen sind informiert, dass wir kommen, und jeder ist bemüht, dass alles – sowohl für Bewohner als auch für Mitarbeiter – schnell und kontaktarm abläuft.

Sie machen das seit Mai freiwillig – wie viele Abstriche haben Sie bisher genommen?

Es waren rund 10.000 Abstriche.

Düsseldorf gehört jetzt zu den Corona-Hotspots Deutschlands – hat das Ihre Arbeit verändert?

Ja, die Sommermonate waren zwischendurch etwas ruhiger, da konnte man sich auch um die administrative Arbeit kümmern. Nach unseren Einsätzen gibt es oft eine Lagebesprechung, zudem fällt täglich viel Verwaltungsarbeit an.

Wie schützen Sie sich vor einer Infektion?

Ich trage eine Schutzausrüstung mit Komplettanzug, FFP3-Maske, Kapuze, Schutzbrille, Gummistiefel und gegebenenfalls Schürze. Mittlerweile bin ich in zwei Minuten angezogen, anfangs hat es ein bisschen länger gedauert. Das Auskleiden braucht übrigens mehr Zeit als das Ankleiden.

Wie war das Arbeiten in den heißen Sommermonaten?

Da war es zwingend erforderlich, nach drei Stunden den Anzug auszuziehen und eine Trinkpause zu machen. Jetzt im Herbst ist es einfacher.

Wie würden Sie Ihre jetzige Arbeit beschreiben?

Es ist wirklich anstrengend und da spreche ich nicht nur für mich, sondern für viele, die helfen. Viele geben ihr Letztes und geraten an ihre Grenzen. Mir geht es derzeit zum Glück noch sehr gut.

Wie denken Sie über Menschen, die sich über Corona-Ratschläge hinwegsetzen und zum Beispiel zu hunderten Partys in Parks feiern?

Es freut mich natürlich nicht und es fällt mir schwer, das zu sehen, aber ich möchte mir lieber keine großen Gedanken darüber machen. Ich habe bei rund 10.000 Abstrichen von zu vielen Menschen gehört, die positiv getestet wurden und anschließend zum Teil sehr schwer erkrankten oder gar verstarben. Ich versuche, neutral zu bleiben.

Braucht es viel Energie, um Menschen davon zu überzeugen, dass ein Corona-Abstrich gemacht werden muss?

Die Bandbreite der Menschen, zu denen wir kommen, ist sehr groß. Sie reicht von Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen bis zu dementen Bewohnern in Altenheimen. Auch viele Kinder verstehen nicht, was mit ihnen passiert. Wir haben zum Glück Flyer in vielen Sprachen, die wir dann einsetzen können.

Gibt es Menschen, die den Test ablehnen?

Ja, einige wenige. Sie haben Angst, dass sie möglicherweise aus ihrem gewohnten Umfeld geholt werden. In solchen Situationen versuchen wir, so gut es geht, aufzuklären. Wir hatten einen Fall eines Vaters in einer Obdachlosenunterkunft, der sich und seine Familie partout nicht untersuchen lassen wollte und sehr unfreundlich zu unserem begleitenden Feuerwehrmann war. Wir haben alles ruhig erklärt und am Ende hat er die Abstriche zugelassen – und sich entschuldigt.

Haben Sie in Ihrer derzeitigen Tätigkeit Ihre Stadt neu kennengelernt?

Ja, es hat meinen Horizont erweitert. Ich war von der Vielzahl der Einrichtungen überrascht. Altenheime waren für mich nichts Neues, weil ich früher in der Pflege gearbeitet habe, aber ich wusste nicht, dass es in Düsseldorf so viele Flüchtlings- und Obdachloseneinrichtungen gibt.

Erlebt man auch Fröhliches?

Schön ist, dass viele Menschen dankbar sind, dass wir zu ihnen kommen. Mein niedlichstes Erlebnis war ein Baby, das mir ein feuchtes Bäuerchen „schenkte“. Auch wenn Kinder zum Abschied winken, freuen wir uns.

Vermissen Sie Ihre Arbeit als Zahnärztin?

Am meisten vermisse ich die zahnärztlichen Untersuchungen der Kinder und den Austausch mit Kollegen. Aber ich arbeite auch gern in der Corona-Bekämpfung. Ich habe mich freiwillig gemeldet, weil ich angesichts der Lage einfach unterstützen wollte. Wir hoffen alle, dass es im nächsten Jahr einen Impfstoff geben wird.

Frau von Gadow, Sie sind Zahnärztin, arbeiten im Schweriner Gesundheitsamt und betreuen aktuell die Quarantäneüberwachung der Stadt. Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?

Jasmin von Gadow:

Wir haben im Augenblick zum Glück keine hohen Infektionszahlen, dennoch helfen alle Mitarbeiter in unserem Gesundheitsamt bei der Pandemiebewältigung mit. Ich halte den Kontakt zu rund 30 Schwerinern, die sich derzeit in Quarantäne befinden. Bis vor Kurzem haben wir sie täglich angerufen, neuerdings haben wir ein Software-Programm und kommunizieren mit vielen auch via täglicher Online-Befragung. Viele Menschen, die in Quarantäne sind, arbeiten online von zu Hause aus. Für sie ist die Beantwortung der Fragen eine schnelle Angelegenheit. Wenn sie uns online Fragen oder Veränderungen melden, rufen wir an.

Was machen Menschen, die nicht online antworten möchten oder können?

Die rufen wir selbstverständlich persönlich an.

Was bewegt Menschen, die in Quarantäne sind?

Bei einigen, die länger zu Hause sind, taucht die Frage auf, wer für sie einkaufen geht. Wir müssen als Gesundheitsamt sicherstellen, dass sie mit allem versorgt werden, was notwendig ist. Bis jetzt haben alle, die ich betreut habe, jemanden im Freundes- oder Bekanntenkreis gefunden, der ihnen geholfen hat.

Was haben Sie in den Wochen, in denen Sie Quarantäne-Patienten betreuen, gelernt?

Vor allem, dass Menschen sehr unterschiedlich sind. Die meisten sind verständnisvoll und können nachvollziehen, warum sie sich in Quarantäne begeben müssen. Aber es gibt auch einige wenige, die viele Maßnahmen nicht einsehen und dies diskutieren möchten. Es gibt Menschen, die die zwei Wochen eher als Erholungspause ansehen – wer ein Haus und einen Garten hat, empfindet eine Quarantäne vielleicht als nicht so schlimm. Wir betreuen aber auch Patienten, die in einer kleinen Wohnung leben und dann das Gefühl haben, eingesperrt zu sein. Manche leiden psychisch sehr darunter.

Wie können Sie diesen Menschen helfen?

Wir rufen täglich an, manchmal sogar zweimal, und versuchen, sie seelisch aufzubauen. Wenn man zum Beispiel gemeinsam ausrechnet, wie viele Tage schon geschafft sind, kann das sehr helfen. Unsere Philosophie lautet: Wer einen Anruf braucht, bekommt ihn auch.

Bedanken sich die Menschen für Ihre Arbeit?

Ja, durchaus. Wir hatten sogar Patienten, die dem Gesundheitsamt aus Dankbarkeit Geld spenden wollten. Das haben wir natürlich abgelehnt.

Verstehen Sie Menschen, die in großen Gruppen feiern?

Nein, das kann ich nicht nachvollziehen. Zumal meine Familie von Corona betroffen war: Mein Vater lag zu Beginn der Pandemie wochenlang im Krankenhaus und wurde auf einer Intensivstation künstlich beatmet. Die Bilder aus dem Klinikum habe ich immer noch im Kopf. Ich kann unsere Quarantäne-Patienten gut verstehen, weil ich weiß, wie schwer die Umstände sein können, die Corona mit sich bringt.

Viele unserer Patienten versuchen auch mit schwereren Symptomen, zu Hause durchzuhalten, weil sie Angst vor dem Krankenhaus haben. Sie liegen dann mit Fieber und Husten zu Hause, essen manchmal tagelang nichts. Ich leide mit ihnen, weil ich genau weiß, was sie durchmachen.

Wie gehen Sie dann vor?

Für die Entscheidung, ob jemand ins Krankenhaus muss, sind wir als Gesundheitsamt nicht zuständig – das muss der Hausarzt übernehmen.

Welchen Teil ihrer Arbeit als Zahnärztin im Gesundheitsamt vermissen Sie am meisten?

Ganz klar: Das Untersuchen der Kinder in Schulen und Kitas. Wir machen uns Sorgen um Kinder in den Risikoeinrichtungen. In 42 von 43 Kitas in Schwerin haben bis vor Ausbruch der Pandemie alle Kinder ab zwei Jahren täglich ihre Zähne geputzt. Fast alle Kitas haben mittlerweile damit aufgehört. Wir haben viele Kinder, bei denen das Zähneputzen zu Hause keinen großen Stellenwert hat. Bei denen ist das Kita-Zähneputzen oft das einzige Zähneputzen am Tag. Wir müssen befürchten, dass sie derzeit überhaupt keine Zahnpflege betreiben. Da hätten wir gern mehr Zeit, die Mitarbeiter zu schulen, ihnen zu zeigen, dass das Zähneputzen auch in Pandemiezeiten sicher durchgeführt werden kann.

Wie hat sich Ihr Tagesablauf verändert?

Vormittags haben wir vor der Pandemie Schulen und Kitas besucht und am Tag 50 bis 100 Kinder untersucht. Nachmittags war dann Zeit für Büroarbeit. Zurzeit ist der Tagesablauf schlecht planbar. Montags werden die Aufgaben im Gesundheitsamt auf die verschiedenen Teams verteilt. Wir rufen erst ab zehn Uhr bei Menschen in Quarantäne an. Vorher habe ich noch Zeit, mich um zahnärztliche Aufgaben wie Gutachten zu kümmern, und ich sehe die online ausgefüllten Kontakt-Tagebücher durch. Außerdem fallen organisatorische Aufgaben an.

Ab zehn Uhr telefoniere ich mit den Menschen in Quarantäne, die das Kontakt-Tagebuch nicht ausfüllen können oder wollen, mit denen die Symptome oder Fragen angegeben haben, mache Termine für Abstriche aus und gebe die negativen Testergebnisse durch. Positiv Getestete werden von der Hygiene benachrichtigt, die dann auch die Kontaktnachverfolgung macht. Viele Fragen kann ich nicht sofort beantworten, da muss ich dann bei der Hygiene nachfragen und zurückrufen. Wenn noch Zeit ist, helfe ich der Hygiene dabei, neue Kontaktpersonen in unsere Tagebuch-Anwendung aufzunehmen.

Die Fragen stellte Silvia Meixner.

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