Ärzte-Siegel im „Focus“ sind irreführend
Die Wettbewerbszentrale hatte geklagt, dass der Verlag Hubert Burda Media gegen eine Lizenzgebühr an Ärztinnen und Ärzte Siegel verleiht, die sie als „Top Mediziner“ beziehungsweise „Focus Empfehlung“ auszeichnen. Einmal im Jahr erscheint das Magazin „Focus Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. Für 2.000 Euro erhalten die Ärzte dort ein Siegel unter der Rubrik „Focus Empfehlung“, das sie werbend benutzen können.
Laut Wettbewerbszentrale werde der unzutreffende Eindruck erweckt, die behauptete Spitzenstellung beruhe auf objektiven und nachprüfbaren Kriterien. Der Siegelvergabe lägen aber subjektive Kriterien wie die Bewertung durch Patienten, die Bewertung durch Kollegen und eine Selbstauskunft zugrunde.
Das Gericht gab nun Mitte Februar der Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale statt: Der Verlag verstoße durch die Vergabe der Siegel gegen das „lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot“. Mit den Siegeln werde der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden.
Ein Prüfzeichen muss objektiven Kriterien zugrunde liegen
Die gegen Lizenzgebühr vergebenen Siegel hätten dabei die Aufmachung eines Prüfzeichens und würden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet. Der Hinweis auf ein Prüfzeichen habe aber für die Entscheidung von Verbrauchern eine erhebliche Bedeutung. Diese erwarteten zu Recht, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Einhaltung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde.
Tatsächlich sei es aber so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse. Zudem beruhten manche Kriterien auf ausschließlich subjektiven Elementen, wie Kollegenempfehlung oder Patientenzufriedenheit.
Das Gericht widersprach auch der Verteidigung, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei von der Pressefreiheit umfasst. Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergebe sich daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.
„Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt“. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigten Ausführungen des Verlages, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen „Wildwuchs“ gewesen sei. „Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert“, so das Gericht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nach Ansicht des Burda-Verlags betrifft es außerdem nur den Anbieter der Siegel und enthält keine Pflichten für einzelne Ärzte. Das heißt, die Ärzte können die Siegel unverändert nutzen und damit auf ihre Leistung aufmerksam machen, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Wertigkeit und Aussagekraft der Siegel seien ungebrochen hoch. Weiter lässt der Verlag mitteilen, man halte das Urteil für falsch und werden dagegen Berufung einlegen.
„Die Ärzte-Empfehlungslisten sind für Patienten eine der wenigen objektiven Informationsquellen“, so die Sprecherin weiter. „Sie tragen zusammen mit den in Praxen und auf Websites platzierten Empfehlungssiegeln zur Orientierung bei.“ Die Focus-Listen würden auf Basis einer qualitativ hochwertigen Methodik von einem Expertenteam im Gesundheitssektor erstellt. „Ganz im Sinne von nutzwertigem, verbraucherfreundlichem Journalismus werden für die Listen eine Vielzahl relevanter Kriterien herangezogen und die Ergebnisse verständlich aufbereitet.“
Landgericht München I
Az.: 4 HKO 14545/21
Urteil vom 13. Februar 2023