Studie zu Astronauten im Weltall

Im Orbit verändert sich das orale Mikrobiom

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Als Astronaut ins Weltall zu fliegen – für die allermeisten ein unerfüllbarer Traum. Bekanntlich arbeitet Elon Musk mit SpaceX ja daran, das zu ändern. Wir erinnern uns an die ersten Schritte in den Weltraumtourismus vor knapp drei Jahren mit der Crew-Dragon-Raumkapsel „Resilience“. Eine Studie zeigt nun, dass zumindest das Haut-Mikrobiom und das orale Mikrobiom gar nicht so widerstandsfähig sind.

Für die Studie wurden zu acht Zeitpunkten (drei vor, zwei während und drei nach dem Weltraumaufenthalt) über sechs Monate hinweg mehrere Proben von den Besatzungsmitgliedern genommen. Es wurden Abstriche von der Umwelt (der Raumfahrtkapsel) sowie Abstriche der Besatzung an acht Stellen der Haut, oral und nasal durchgeführt. Darüber hinaus wurden Stuhlproben sowie mononukleäre Zellen des peripheren Blutes (PBMCs) entnommen.

Alle Proben zeigten vorübergehende Mikrobiom-Veränderungen, auffallend dabei: Die Verschiebungen im oralen Mikrobiom waren längerfristig. So nahmen zum Beispiel Plaque-assoziierte Bakterien (wie Fusobakterien) zu – korrelierend mit der Genexpression von Immunzellen.

Die Veränderungen des oralen Mikrobioms waren am stärksten ausgeprägt

Im Ergebnis konnte man an allen Körperstellen vorüber­gehende Veränderungen beobachten, dabei waren die des oralen Mikrobioms im Vergleich zur denen der Haut deutlich ausgeprägter. „Das orale Mikrobiom zeigte eine Umstrukturierung sowohl der relativen Abundanz als auch der bakteriellen Genexpression; 161 bakterielle und virale Taxonomien nahmen vorübergehend zu, 173 nahmen vorübergehend ab, 62 nahmen persistent zu und 12 nahmen persistent ab“ [Tierney et al., 2024].

Elon Musk und Mundgesundheit

Für die Studie wurden Proben beim Orbitalflug „Inspiration4“ genommen, den das US-amerikanischen Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmens SpaceX am 16. September 2021 gestartet hatte. Die vierköpfige Crew umkreiste drei Tage lang die Erde. Ob die Untersuchung zur Veränderung des oralen Mikrobioms im Weltall für die Wissenschaft von großem Wert ist, wird sich zeigen – bei der Mission Inspiration4 ging es eigentlich um etwas ganz anderes: um Werbung.

Kommandant der Kapsel war der amerikanische Milliardär Jared Isaacman – der wie SpaceX-Chef Elon Musk mit der Gründung eines Bezahlsystems reich wurde und dafür coole Reklame machen wollte. Die übrigen drei Sitze vergab er kostenlos, an eine Arztassistentin des St.-Jude-Krankenhauses im Bundesstaat Tennessee, einen Luftfahrtingenieur und eine Geowissenschaftlerin. Ein einträgliches Geschäft, zumindest für SpaceX. Das Unternehmen plante nach offiziellen Angaben allein für 2024 rund 144 Raketenstarts.

So zeigten die Proben, dass verschiedene Fusobacteria, unter anderem Fusobacterium hwasookii, Fusobacterium nucleatum und Leptotrichia hofstadii beim beziehungsweise nach dem Weltraumflug zunahmen – ebenso synergistisch aggregierende Spezies wie Streptococcus gordonii A., mehrere Campylobacter und Actinomyces oris. Streptococcus oralis spp. und Lachnoanaerobaculum gingivalis dagegen gingen dauerhaft, Veillonella spp vorübergehend zurück. Einzig bei Alloscardovia omnicolens konnte ein konstanter Anstieg beobachtet werden.

Die Forschenden stellten allerdings fest, dass eine Zunahme der Genexpression nicht zwangsläufig eine ähnliche Zunahme der DNA-Häufigkeit bedeutete. Dies wurde im oralen Mikrobiom besonders deutlich, denn hier gab es „fast keine Überschneidungen zwischen den Organismen […], die sich in Bezug auf die relative Häufigkeit veränderten, und denen, die sich in Bezug auf die Genexpression veränderten“.

Gleichzeitig fanden die Forschenden heraus, dass „die Gen­expression von Pathobionten mit der Genexpression von Immunzellen verbunden“ war. So wies „Streptococcus pneomoniae A […] die größte Anzahl von Genen auf, die mit ihm assoziiert waren; 30/32 Gene wurden in natürlichen Killerzellen gefunden. Streptoccocus gordonii A, der nach dem Flug anhaltend vermehrt auftrat, war mit vielen verschiedenen Immunzellsubtypen assoziiert (N = 32 Gene), darunter CD4-T-Zellen, CD14-Monozyten, CD16-Monozyten und dendritische Zellen.“

Ursache könnten stressbedingte Änderungen des Immunsystems sein

Während die Autoren vermuten, dass die (ähnlichen) Veränderungen des Haut-Mikrobioms auf das Leben auf engem Raum zurückzuführen sein könnten, halten sie diese Erklärung beim oralen Mikrobiom für weniger wahrscheinlich. Vielmehr könnten eine andere Ernährung oder Veränderungen des Immunsystems der Grund für die veränderte Genexpression des oralen Mikrobioms sein. So sei das Immunsystem während des Weltraumflugs unterdrückt – wenngleich die dahinter liegenden Mechanismen nicht abschließend verstanden seien. Dies könne aber, erklären die Forschenden, zu Entzündungen oder zur Reaktivierung latenter Infektionen führen. Hinzu kämen die Strahlung und die Stressfaktoren der Mikrogravitation. Alles zusammengenommen führe wahrscheinlich zu diesen Veränderungen mikrobieller Gemeinschaften.

Die Studie:
Tierney BT, Kim J, Overbey EG, et al. Longitudinal multi-omics analysis of host microbiome architecture and immune responses during short-term spaceflight. Nat Microbiol. 2024 Jul;9(7):1661-1675. doi: 10.1038/s41564-024-01635-8. Epub 2024 Jun 11. PMID: 38862604; PMCID: PMC11222149.

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