DGB-Ausbildungsreport 2024

Das macht Azubis (un-)zufrieden!

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat für seinen neuen Ausbildungsreport 10.000 Azubis zu ihrer Situation befragt. Fazit: Wer erreichen will, dass der Nachwuchs motiviert in die Praxis kommt, sollte nach Tarif zahlen, nicht unbotmäßig viele Überstunden anordnen und auf ausbildungsfremde Tätigkeiten weitestgehend verzichten.

Laut Report sind die meisten Auszubildenden mit ihrer Lehre und mit ihrem Betrieb zufrieden. Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Branchen. Entscheidende Indikatoren sind dem DGB zufolge: die Bezahlung nach Tarif, die Zahl der geleisteten Überstunden und die ausbildungsfremden Tätigkeiten, die viele Azubis übernehmen müssen.

Mehr als ein Drittel der befragten Ausbildenden gab demnach an, regelmäßig Überstunden machen zu müssen –  ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Ein weiterer Negativrekord: Mittlerweile übernehmen über 15 Prozent der Auszubildenden „immer“ oder „häufig“ Tätigkeiten, die nicht zum Fach gehören. Für die Azubis heißt das, dass ihnen Zeit zum Lernen und Üben der eigentlichen Ausbildungsinhalte fehlt und sie womöglich am Ende die Prüfung nicht schaffen.

Das steckt im Ausbildungsreport:

  • Laut den Umfrageergebnissen macht mit 34,5 Prozent mehr als ein Drittel Überstunden, von denen fast jeder zehnte keine Vergütung oder Freizeitausgleich sieht.

  • 15,3 Prozent müssen „immer“ oder „häufig“ ausbildungsfremde Tätigkeiten erledigen, die nicht Bestandteil der Ausbildung sind und nicht dem Lernerfolg dienen. Das ist ein neuer Höchststand und übrigens ein klarer Verstoß gegen das Berufsbildungsgesetz, erinnert der DGB.

  • Mit 34,7 Prozent hat mehr als ein Drittel der Azubis keinen betrieblichen Ausbildungsplan, obwohl dieser gesetzlich vorgeschrieben ist. Somit wissen diese jungen Menschen nicht, wie ihre Ausbildung ablaufen soll und was die Lerninhalte sind.

  • Ebenfalls weiß jeder dritte Auszubildende (34,5 Prozent) im letzten Ausbildungsjahr noch nicht, ob er vom Ausbildungsbetrieb übernommen wird. Immerhin gab es in diesem Bereich eine nennenswerte Verbesserung im Vergleich zum Negativrekord von 2022 mit 45,3 Prozent, schreibt der DGB. Die Chancen auf eine Übernahme hängen dabei stark vom jeweiligen Ausbildungsberuf ab.

  • Gerade einmal 55,4 Prozent bewerten die fachliche Qualität desBerufsschulunterrichts als „sehr gut“ oder „gut“.

  • 17,3 Prozent würden die Ausbildung in ihrem Ausbildungsbetrieb nicht weiterempfehlen. Dabei fällt auf, dass der Enthusiasmus vieler Azubis im Laufe der Ausbildung abnimmt: Während im ersten Ausbildungsjahr mit 65,9 Prozent noch zwei Drittel ihre Ausbildung weiterempfehlen, würden das im dritten Jahr mit 47,3 Prozent weniger als die Hälfte.

  • 10,9 Prozent gaben an, dass ihre Ausbilder „selten“ oder „nie“ am Ausbildungsplatz verfügbar seien. Zudem gaben 13,8 Prozent an, Arbeitsvorgänge „selten“ oder „nie“ zufriedenstellend erklärt zu bekommen. Dabei sind Auszubildende erheblich zufriedener mit ihrer Ausbildung, wenn sie gut angeleitet werden.

  • Mit 54,1 Prozent gab mehr als die Hälfte der Azubis an, dass sie sich „immer“ oder „häufig“ motiviert sehen. Der Grad der Motivation hängt beispielsweise davon ab, wie regelmäßig Feedback gegeben und auf individuelle Lernbedürfnisse eingegangen wird.

  • Weniger als die Hälfte der Auszubildenden (45,1 Prozent) gaben an, wöchentlich oder monatlich eine persönliche Rückmeldung von ihren Ausbildern zu bekommen. Bei der Mehrheit ist das „seltener“ (42,1 Prozent) oder „nie“ (12,8 Prozent) der Fall. Allerdings: Erhalten die Auszubildenden mindestens einmal im Monat ein persönliches Feedback, bewerten sie die fachliche Qualität der Ausbildung insgesamt deutlich häufiger mit „sehr gut“ beziehungsweise „gut“.

  • 76,9 Prozent sehen sich durch ihre Ausbilder „immer“ oder „häufig“ korrekt behandelt. 67 Prozent geben an, dass diese „immer“ oder „häufig“ auf ihre individuellen Lernbedürfnisse eingehen. Azubis, die sich korrekt behandelt fühlen und auf deren individuelle Lernbedürfnisse eingegangen wird, sind dabei um ein Vielfaches zufriedener mit ihrer Ausbildung, zeigen die Umfrageergebnisse des DGB.

Es läuft nicht in allen Betrieben rund

Die Ausbildung zur ZFA liegt bei der fachlichen Qualität der Ausbildung und dem Aufkommen von Überstunden im Mittelfeld: 22 Prozent der ZFA-Azubis gaben an, dass sie für ihre Überstunden keinen Ausgleich erhalten. Ihre subjektive Gesamtbeurteilung, fällt dagegen mieser aus: Mehrheitlich schlecht bewertet wurden die korrekte Behandlung durch die Ausbilder, die Zufriedenheit mit der Ausbildung insgesamt, eine gefühlte Über- oder Unterforderung, Probleme, sich in der Freizeit zu erholen, oder der Wunsch, nach der Ausbildung weiter im erlernten Beruf tätig zu sein. ZFA-Azubis fühlten sich im Vergleich mit den anderen Lehrberufen am häufigsten überfordert (21,4 Prozent), fast die Hälfte (49,6 Prozent) kann sich nach der Arbeit schlecht erholen. Was die Zufriedenheit angeht, liegt die ZFA im Ranking auf dem letzten Platz (Grafik).

Werden die Auszubildenden korrekt behandelt, bekommen sie Arbeitsvorgänge gut erklärt und wird auf ihre individuellen Lernbedürfnisse eingegangen, sind sie überdurchschnittlich zufrieden. Und das ist ja auch bei der Mehrheit der Auszubildenden der Fall. Aber: Weniger als die Hälfte der Auszubildenden (45,1 Prozent) erhält wenigstens einmal im Monat eine persönliche Rückmeldung zum Stand ihrer Entwicklung. Außerdem gab nur etwas mehr als die Hälfte (54,1 Prozent) an, sich durch ihre Ausbilder motiviert zu fühlen. Der Grad der Motivation ist dabei stark abhängig davon, wie regelmäßig Feedback gegeben und auf individuelle Lernbedürfnisse eingegangen wird.

„Wir behandeln unsere Azubis direkt wie alle anderen Mitarbeiter“

Wichtig finde ich, dem Azubi von Anfang an etwas zuzutrauen, ihm einen Ansprechpartner an die Seite zu stellen und mitlaufen zu lassen für Einblicke in alle Bereiche der Praxis. Bei uns gibt es eine flache Hierarchie. Die Azubis sind somit direkt Mitarbeiter wie andere auch und bekommen das Du angeboten sowie möglichst fixe Arbeitszeiten.

Wir schauen uns den jungen Menschen genau an: Wo liegen die Stärken und wo die Schwächen? Wenn sie oder er Organisationstalent am Empfang zeigt oder gut in der Abrechnung ist, warum sollten wir sie dann zu lange im Steri putzen lassen oder im Behandlungszimmer, wenn ihr/ihm das weniger liegt? Hier sehe ich sonst die Gefahr, dass der Azubi frustriert kündigt.

Eine Mitarbeiterin bei uns hat einen Ausbildungsschein erworben und ist die Hauptansprechpartnerin. Sie kontrolliert auch die Berichtshefte. Was in den Berufsschulen läuft beziehungsweise was nicht gut läuft, darauf haben wir als Ausbildungspraxis leider keinen Einfluss. Wir versuchen aber, so gut es geht aufzufangen, wenn etwas auf der Strecke bleibt. Das kann natürlich nicht jeder leisten.

Wenn man den Azubi nicht vergraulen will, sollte er nicht immer die „Drecksarbeit“ machen müssen, sondern von Beginn an auch etwas Verantwortung bekommen, um daran zu wachsen. Dazu gehört für uns auch, dass er mal mit an den Stuhl darf, wenn der Chef oder die Chefin behandelt, damit hier den Berührungsängsten entgegengewirkt wird.

Vertan ist die Chance auch dann, wenn sich die Führung nicht um die Übernahme kümmert. Ich würde dazu raten, spätestens kurz vor der Abschlussprüfung ins Gespräch zu gehen und eine Übernahme anzubieten, wenn man zufrieden ist. Das gibt dem jungen Menschen eine Perspektive und vielleicht einen Motivationsschub, sich besonders anzustrengen in der Prüfung.

Für die Akquise bieten wir Praktika an – auch, wenn uns ein Patient oder eine Patientin berichtet, dass jemand Interesse hat.

Es gibt übrigens ein afrikanisches Sprichwort, dass ich ganz treffend finde. Es lautet: Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Ich würde sagen, Du brauchst ein ganzes Team, um einen Azubi auszubilden und zu erziehen.

„Wir fordern viel, fördern aber auch, wo immer wir können“

Eins sollte klar sein: Die drei Ausbildungsjahre sind mitunter fordernd, auch mal anstrengend und in jedem Fall intensiv. Man verdient relativ wenig und muss viel machen. Aber wir versuchen direkt von Anfang an zu vermitteln, dass sich diese Investition lohnt.

Wir starten zum Beispiel mit einem ordentlichen Briefing in die ersten Wochen bei uns. Da lernen die Azubis, wie sie den Patienten gegenüber auftreten und was sie in der Berufsschule erwartet. Diese interne „Intensivwoche“ ist als Vorbereitung nützlich und bricht bei vielen das Eis, weil dabei Unsicherheiten geklärt werden können. Die Zeit dient aber auch einem gegenseitigen Abchecken: Passt der junge Mensch zu uns und der Praxisstruktur und wir zu ihm und seinen Vorstellungen? Manche sind für eine große Struktur gemacht, manche mögen es lieber in einer kleinen Praxis, weil es dort etwas ruhiger zugehen kann.

Wir legen großen Wert darauf, dass der Nachwuchs versteht, was er oder sie während der Lehrzeit machen soll und warum. Die Aufgaben erklären wir daher so konkret wie möglich und teilen immer welche zu. Sie sind bei uns also niemals ohne Aufgabe. Und auch die schwierigen sollen bestenfalls ein bisschen Spaß bringen. 

Wir üben viel und stellen Prüfungssituationen am Phantomkopf nach.

Außerdem lasse ich mir regelmäßig einen Report aus der Berufsschule vorlegen. Gibt es Schwachstellen, bieten wir Nachhilfe an und sogar interne Fortbildungen. Wir sitzen auch zusammen und sprechen über Unklarheiten. Bei sehr guten Noten oder auch gelungenen Aufgaben in der Praxis gibt es selbstverständlich auch Lob und Belohnung, wie etwa mal einen halben Tag frei. Toller Einsatz wird honoriert.

Die Stabilität der Ergebnisse über die Jahre deute darauf hin, dass die bereits in der Vergangenheit identifizierten strukturellen Schwächen und ungünstigen Rahmenbedingungen in der Ausbildung weiterhin bestehen, stellen die Autoren fest.. Einen großen Einfluss auf die Ausbildungszufriedenheit habe das Ausbildungspersonal: Wenn regelmäßiges Feedback fehlt und der Betrieb nicht auf die individuellen Lernbedürfnisse eingeht, bewerten das die jungen Menschen besonders schlecht.

Die Bundesinstitut für Berufsbildung führte die repräsentative Befragung von September 2023 bis April 2024 durch. Insgesamt 10.289 Auszubildende aus den 25 am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen beteiligten sich.

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