Interview mit Dr. Anne Heinz

„Menschen zu berühren – das ist es, was mich antreibt“

Dr. Anne Heinz ist Kinderzahnärztin und hat sich vor drei Jahren mit der Märchenpraxis Dentiland einen Traum erfüllt. Doch sie hat noch einen anderen Traum – denn sie ist auch Musikerin: Zusammen mit ihrem Mann Martin hat sie Songs geschrieben und eine Teilnahme bei „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) geplant. Kurz vor dem Casting verstirbt er nach einem zweijährigen Kampf gegen Krebs. Warum Heinz trotzdem teilgenommen hat und was Musik für sie bedeutet, erzählt sie im Interview.

Frau Dr. Heinz, Sie haben vor einigen Jahren eine eigene Praxis eröffnet. Wie verbinden Sie Ihre Leidenschaft für die Musik mit Ihrem Beruf als Kinderzahnärztin und Praxiseigentümerin?

Ich habe das große Glück, dass mein Praxis-Team zu meiner zweiten Familie geworden ist. Meine Praxispartnerin Frida stemmt den Großteil der Arbeit und ist eine riesige Unterstützung. Das hat mir den Rücken freigehalten, mich in der letzten Zeit wieder mehr meiner großen Leidenschaft – der Musik – zu widmen.

Sie haben einen schweren persönlichen Verlust erlitten, als Ihr Mann an Krebs gestorben ist. Wie hat dieser Verlust Ihr Leben und Ihre Perspektive verändert?

Mir ist dadurch bewusster geworden, wie endlich das Leben ist. In einer Zeit, in der wir alle umgeben sind von utopischen Schönheitsidealen habe ich begriffen, was für ein Privileg es ist, zu altern. Der Schmerz um den Verlust meines Mannes ist immer noch sehr präsent. Ich habe aber die Hoffnung, dass mich die Trauer im Nachhinein stärker und resilienter macht. Ich habe mir schon vor Martins Tod professionelle Hilfe geholt – das war auch im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung.

Hat Ihnen die Arbeit in Ihrer Praxis und/oder die Musik geholfen, mit dieser schwierigen Zeit umzugehen?

Die Musik hat mich durch diese schwierige Zeit getragen. Ich habe mithilfe der Musik meine Ängste verarbeitet, über die ich zu diesem Zeitpunkt nicht sprechen konnte. Mein Mann hat bis zuletzt die Hoffnung gehabt, dass er den Krebs besiegen könnte. Als mir klar wurde, dass er es nicht schaffen wird, habe ich es ihm nicht gesagt, sondern bis zuletzt seine Hoffnung mitgetragen. Er sollte nicht den Mut verlieren. Für mich aber war es unglaublich schwer, Hoffnung zu geben – und gleichzeitig zu wissen, dass es keine mehr gibt. In der Musik konnte ich meine Trauer, Hilflosigkeit und Verzweiflung kanalisieren.

Anfangs hat mich die Arbeit in der Praxis noch abgelenkt, aber als klar wurde, dass es Martin immer schlechter geht und er nur noch wenige Tage oder Wochen zu leben hat, konnte ich mich nicht mehr auf meine Arbeit fokussieren. Ich wollte möglichst viel Zeit mit ihm verbringen, an seiner Seite sein und habe viele Nächte im Krankenhaus verbracht. Das wäre ohne mein Team, meine Praxispartnerin Frida und vor allem ohne meine Freundin Rebecca Otto [die Präsidentin von Dentista] nicht möglich gewesen. Sie hat in Ihrer eigenen Praxis alles stehen und liegen lassen, um mich mit meiner Praxis in der schwersten Zeit zu unterstützen. Ohne sie wäre ich in große Not geraten, denn meine Partnerin konnte selbstverständlich nicht alle meine Behandlungszeiten abfangen.

Sie haben ein Lied über Ihren Mann geschrieben. Können Sie uns erzählen, was dieses Lied für Sie bedeutet?

Nach seinem Tod habe ich mich zunächst eingegraben. Musik war immer unsere gemeinsame Leidenschaft, das hat uns verbunden. Deshalb habe ich angefangen, meinen Schmerz zu verarbeiten, indem ich einen Song darüber geschrieben habe. Darin geht es aber nicht nur um Verlust, sondern vor allem um Hoffnung und Weitermachen. Wer Martin kennengelernt hat, der weiß, was für ein Optimist und Kämpfer er war. Ich möchte mit meinem Song ausdrücken, was er mir jetzt sagen würde: Es ist okay, um ihn zu weinen, aber vergrab' dich nicht in der Dunkelheit, sondern komm wieder hervor, lache wieder und verliere nicht die Freude und die Lust am Leben. Damit habe ich nicht nur meinen Schmerz verarbeitet, sondern auch eine Erinnerung an ihn geschaffen. Dieses Lied ist nicht nur ein Lied ÜBER Martin, es ist ein Lied FÜR ihn.

Sie und Ihr Mann wollten gemeinsam bei DSDS auftreten. Was hat Sie motiviert, trotz des Verlusts teilzunehmen?

Ich mache zwar seit 25 Jahren Musik, aber ein Auftritt bei DSDS war nicht mein Traum, sondern der meines Mannes. Martin hat sich gewünscht, mit mir zusammen teilzunehmen und uns beide angemeldet. Ich hätte den Auftritt am liebsten gecancelt, aber er hat mir in seinen letzten Tagen das Versprechen abgenommen, dass ich auch ohne ihn zum Casting gehe. Ich habe das tatsächlich nur für ihn gemacht und durfte dann auch last minute meinen eigenen Song singen.

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Dr. Anne Heinz zusammen mit ihrem Mann Martin

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie seinen Traum nach seinem Tod allein weitergeführt haben?

Ich habe mich furchtbar und absolut nicht bereit dafür gefühlt, in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich war emotional nicht stabil, hatte während meines Auftritts die ganze Zeit einen Kloß im Hals und habe mit den Tränen gerungen. Ich habe Martins Kette getragen – so hatte ich immerhin das Gefühl, dass ein Teil von ihm bei mir ist.

Ihr Auftritt bei DSDS hat die Jury überzeugt. Wie geht es nun weiter?

Ich bin jetzt im Recall. Als ich vor der Jury stand, hatte ich das Gefühl, vor lauter Tränen bei Weitem nicht so gesungen zu haben, wie ich es unter anderen Umständen geschafft hätte. Deshalb bin ich umso überraschter und glücklicher über das positive Feedback. Es war immer ein großer Lebenstraum von mir, auf der Bühne zu stehen und Menschen zu berühren. Das treibt mich auch weiterhin an und ich fühle mich bestärkt durch den Zuspruch der Community und durch Social Media. Es gibt so viele Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Deshalb möchte ich mit meinem Song auch vermitteln, dass niemand mit Trauer allein ist, auch wenn es sich manchmal so anfühlt.

Und es gibt einen weiteren Grund, warum ich unbedingt weiter machen möchte: Martin hat während seiner Krankheit ein ganzes Album geschrieben und sich gewünscht, dass es veröffentlicht wird. Ich werde alles dafür tun, ihm auch diesen Wunsch zu erfüllen.

Das Gespräch führte Dr. Nikola Lippe.

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