Bessere Simulation ermöglicht bessere Ausbildung

Multifarbene Übungszähne mit klinischen Befunden aus dem 3-D-Drucker

Andreas Keßler
,
Maximilian Dosch
Im Studium und in postgradualen Weiterbildungen findet ein Großteil der praktischen Übungen an einfarbigen Kunststoffzähnen statt. Klinische Befunde können dabei nur stark eingeschränkt wiedergegeben werden und der Schritt zwischen simulierter Übung und echter Behandlung am Patienten ist häufig sehr groß. Die Lücke zwischen Übung und Praxis könnten innovative Übungszähne schließen.

Da im Studium nur die Basics der zahnmedizinischen Präparation praktisch am Patienten umgesetzt werden können, ist es entscheidend, anspruchsvollere Präparationsformen wie für Table Tops oder Veneers postgradual zu üben. Eine Alternative zu den Kunststoffzähnen sind extrahierte Zähne, die ebenfalls kariöse Defekte oder Restaurationen aufweisen können. Nachteile sind – neben dem Geruch –die fehlende Standardisierung, eine mangelnde Vergleichbarkeit in Prüfungssituationen und zunehmende Engpässe in der Verfügbarkeit [Kumar et al., 2005; Sandhu et al., 2012].

Einige Unternehmen haben inzwischen mehrfarbige Übungszähne entwickelt, die im Spritzgussverfahren hergestellt werden. Aufgrund des Herstellungsverfahrens dürfen keine Unterschnitte vorliegen, damit die Zähne aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden können. Dadurch bedingt lassen sich klinische Situationen nur begrenzt reproduzieren.

Moderne Behandlungskonzepte haben den Anspruch, zahnhartsubstanzschonend, risikoarm, defektorientiert sowie zeit- und kosteneffizient zu sein. Die Auswahl der Behandlung basiert heutzutage auf mehreren Faktoren, wodurch klare metrische Präparationsrichtlinien nicht mehr existieren. Metrische Angaben sollen deshalb nur noch als grobe Richtschnur dienen und immer in den klinischen Kontext eingeordnet werden. Diese neue Denkweise ist mit standardisierten „gesunden“ Zähnen nicht zu vermitteln.

Bisher waren die Übungszähne nicht realistisch genug

Durch die Einführung innovativer Herstellungsverfahren – basierend auf digitalen Technologien – ist es möglich, Übungszähne im 3-D-Druckverfahren herzustellen. Üblicherweise wurden solche Modelle zumeist im SLA- oder DLP-Druckverfahren aus einfarbigem Kunststoff produziert [Kroger et al., 2017; Marty et al., 2019; Reymus et al., 2019; Reymus et al., 2021]. Abgebildet wurden etwa endodontische, restaurative und chirurgische Behandlungssituationen. Studien konnten einen positiven Lerneffekt solcher Modelle belegen [Dobros et al., 2022; Hohne und Schmitter, 2019; Kroger et al., 2017; Marty et al., 2019; Panpisut et al., 2022; Reymus et al., 2021].

Teilweise wurden die Übungszähne sogar aufwendig aus verschiedenen Teilen gedruckt, bemalt, mit anderen Materialien gefüllt und im letzten Schritt zusammengefügt [Hohne und Schmitter, 2019; Hohne et al., 2019; Panpisut et al., 2022; Sonkaya und Kurklu, 2023]. Neben diesem zusätzlichen Aufwand dürfen die verschiedenen Kompartimente keine Unterschnitte aufweisen, und es kam zu Klebe- beziehungsweise Verbundproblemen [Sonkaya und Kurklu, 2023].

Technische Fortschritte wie die stetige Verbesserung des CAD-Designs und der dreidimensionalen Drucktechnologie bieten heute die Möglichkeit, deutlich realitätsnähere Übungszähne zu entwickeln. Wir haben in mehrjähriger Arbeit vielfältige Kombinationen verschiedener Materialien getestet und im Ergebnis neue, besser an die klinische Praxis angepasste Übungszähne hergestellt. In dem verwendeten Druckverfahren werden die verschiedenen Materialien gleichzeitig gedruckt, was neben der Mehrfarbigkeit auch die Simulation unterschiedlicher Materialeigenschaften erlaubt. Die 3-D-gedruckten Zähne sind in ihrem Aussehen und in ihren Behandlungsschritten mit echten Zähnen vergleichbar.

Möglich ist auch die Simulation eines kariös befallenen Dentins

Klinisch ist von entscheidender Bedeutung, ob sich eine Präparation und Kavität innerhalb des Schmelzes oder im Dentin befindet. Eine realistische farbliche Abstufung zwischen Schmelz und Dentin ermöglicht ein verbessertes Training von mehrschichtigen Kompositaufbauten wie auch von Präparationsformen wie für Veneers oder Klebebrücken (Abbildungen 1 und 2). Ein besonderes Merkmal der neu entwickelten Zähne ist die Simulation eines kariös befallenen Dentins.

Neben Form, Größe und Lokalisation der Karies innerhalb des Zahnes kann auch eine pseudointakte Schmelzschicht oder die Beziehung zu einer Restauration im Sinne einer Sekundärkaries umgesetzt werden (Abbildung 3). Das kariös befallene Dentin besteht hierbei aus einem weichen, leicht feuchten, bräunlichen Material, das sich mit dem Rosenbohrer spanend entfernen lässt (Abbildungen 4 und 5).

Aufgrund der speziell angepassten Härte der verschiedenen Druckmaterialien können moderne Konzepte wie die selektive Kariesexkavation durch Polymerbohrer umgesetzt werden. Angrenzend an die zu entfernende Karies kann eine Schicht verfärbtes Dentin gedruckt werden, das durch seine höhere Härte etwaige Polymerbohrer abnutzt und den fließenden Übergang zwischen verschiedenen Dentinzonen simuliert.

Ausgezeichnet auf dem Deutschen Zahnärztetag

Unsere Autoren Dr. Maximilian Dosch und PD Dr. Andreas Keßler M.Sc. am 13. September auf dem Deutschen Zahnärztetag in Düsseldorf: Für die Entwicklung von Übungszähnen aus dem 3-D-Drucker erhielten sie den „Preis für innovatives Lehrformat“ der Kurt-Kaltenbach-Stiftung.

Ebenfalls simuliert werden kann eine rötliche Pulpa, die aufgrund der anatomischen Nähe ein charakteristisches Bild im Dentin bei tiefen Kavitäten erzeugt (Abbildung 6). Die Pulpa selbst besteht aus einem weichen Material und ermöglicht eine partielle Entfernung für die Übung von Pulpotomien.

Mit der speziellen Drucktechnologie ist es auch möglich, Restaurationsmaterial in seiner Optik und teilweise in seinen klinischen Eigenschaften zu simulieren. Eine simulierte Amalgamfüllung kann geschlitzt und anschließend partiell entfernt werden (Abbildung 7), während eine simulierte Kompositfüllung fest an der umliegenden simulierten Zahnhartsubstanz haftet und herausgeschliffen werden muss.

Ein realistischeres Training moderner Therapiekonzepte

Simulierter Glasionomerzement hebt sich durch seine Farbe deutlich von der umliegenden Zahnhartsubstanz ab (Abbildung 8). Eine simulierte Kunststoffkrone kann mit dem Kronenspreizer aufgedehnt und im Sinne einer EKR in toto entfernt werden (Abbildung 9). Guttapercha haftet lediglich leicht klebrig an der umliegenden Zahnhartsubstanz und ist wie sein Original mit Revisionsinstrumenten oder Wurzelstiftbohrern zu entfernen (Abbildung 10). Linien am Kavitätenboden ermöglichen dem Behandler nach Entfernung der Zahnhartsubstanz oder Füllung das Aufsuchen der Kanaleingänge bei der primären sowie bei der sekundären endodontischen Behandlung (Abbildungen 11 und 12).

Die Verwendung von mehrfarbig 3-D-gedruckten Zähnen mit unterschiedlichen Härtegradienten ermöglicht die Simulation von Zahnanomalien und Pathologien zusätzlich zur Erfassung der wesentlichen anatomischen Merkmale. Ein realistischeres Training moderner Behandlungskonzepte soll den Behandler besser auf die tägliche Arbeit am Patienten vorbereiten. Die Ergebnisse einer ersten durchgeführten Studie bestätigen das Potenzial der neuen Übungszähne, die von den Studierenden deutlich besser als Standardmodellzähne und extrahierte Zähne bewertet wurden. Die neuen Übungszähne sind vielfältig im Studium und in der postgradualen Ausbildung einsetzbar und können damit zu besseren Trainingsergebnissen und später einer höheren klinischen Behandlungsqualität beitragen.

Literaturliste

  • Dobros K, Hajto-Bryk J, Zarzecka J. 2022. The 3d printed teeth models intended for hands-on practice in conservative dentistry. Folia Med Cracov. 62(1):29-41.

  • Hohne C, Schmitter M. 2019. 3d printed teeth for the preclinical education of dental students. J Dent Educ. 83(9):1100-1106.

  • Hohne C, Schwarzbauer R, Schmitter M. 2019. 3d printed teeth with enamel and dentin layer for educating dental students in crown preparation. J Dent Educ. 83(12):1457-1463.

  • Kroger E, Dekiff M, Dirksen D. 2017. 3d printed simulation models based on real patient situations for hands-on practice. Eur J Dent Educ. 21(4):e119-e125.

  • Kumar M, Sequeira PS, Peter S, Bhat GK. 2005. Sterilisation of extracted human teeth for educational use. Indian J Med Microbiol. 23(4):256-258.

  • Marty M, Broutin A, Vergnes JN, Vaysse F. 2019. Comparison of student's perceptions between 3d printed models versus series models in paediatric dentistry hands-on session. Eur J Dent Educ. 23(1):68-72.

  • Panpisut P, Doungkom P, Padunglappisit C, Romalee W, Suksudaj N. 2022. Assessment of 3d-printed tooth containing simulated deep caries lesions for practicing selective caries removal: A pilot study. Int J Environ Res Public Health. 20(1).

  • Reymus M, Fotiadou C, Kessler A, Heck K, Hickel R, Diegritz C. 2019. 3d printed replicas for endodontic education. Int Endod J. 52(1):123-130.

  • Reymus M, Liebermann A, Diegritz C, Kessler A. 2021. Development and evaluation of an interdisciplinary teaching model via 3d printing. Clin Exp Dent Res. 7(1):3-10.

  • Sandhu SV, Tiwari R, Bhullar RK, Bansal H, Bhandari R, Kakkar T, Bhusri R. 2012. Sterilization of extracted human teeth: A comparative analysis. J Oral Biol Craniofac Res. 2(3):170-175.

  • Sonkaya E, Kurklu ZGB. 2023. Comparisons of student comprehension of 3d-printed, standard model, and extracted teeth in hands-on sessions. Eur J Dent Educ.

PD Dr. Andreas Keßler

Klinik für Zahnärztliche Prothetik,
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetter Str. 55 , 79106 Freiburg
und
Poliklinik für Zahnerhaltung und
Parodontologie, LMU München
Goethestr. 70, 80336 München
andreas.kessler@uniklinik-freiburg.de

Dr. Maximilian Dosch

Poliklinik für Zahnerhaltung und
Parodontologie, LMU München
Goethestr. 70, 80336 München

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