Hauptversammlung des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ)

„Ich will mehr zuhören und verstehen!“

Digitalisierung, Datenschutz und die elektronischen Patientenakte waren Kernthemen auf der Hauptversammlung des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) vom 10. bis zum 12. Oktober in Kassel. Die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider setzte auf den Dialog mit der Zahnärzteschaft.

Mehr zuhören, mehr verstehen und mehr erläutern – das ist das erklärte Ziel von Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenscheider, der neuen Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, die seit Kurzem im Amt ist. Sie setze auf den Dialog mit der Zahnärzteschaft, sagte sie auf der Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Versammlung. Der Austausch in Theorie und Praxis zum Thema Datenschutz sei bisher zu kurz gekommen, doch sie wolle „der erheblichen Informationspflicht“ ihres Amtes künftig besser nachkommen: mehr nachfragen, erklären und auch mitnehmen. „Gebe es technische Lösungen, die Datenschutz von vornherein mitdenken, wären wir nicht an diesem Punkt des Akzeptanzdefizits“, so die Datenschutzbeauftragte. Und: „Nicht alles, was Ihnen Probleme macht, ist auf den Datenschutz zurückzuführen, aber wir haben große Probleme, die wir lösen müssen.“

Unter der Moderation von Dr. Christian Öttl, Bundesvorsitzender des FVDZ, diskutierten Standespolitiker und Gremienvertreter gemeinsam mit der Industrie das Thema Digitalisierung unter den Perspektiven Sicherheit, Software und Praxisalltag. Im Fokus: die elektronische Patientenakte (die „ePA für alle“). Mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf sagte der Vorsitzende des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Martin Hendges: „Die jetzigen Fristen zur Einführung der ePA im Frühjahr 2025 sind rein politisch motiviert. Der Bundesgesundheitsminister steht unter hohem Zeitdruck. Es macht wenig Sinn, die ePA verpflichtend einzuführen, bevor die Ergebnisse der Evaluation in den Testregionen vorliegen. Ungeachtet dessen müssen wir das Thema proaktiv angehen, um aus der zahnärztlichen Versorgung heraus festzulegen, was für die Patientenversorgung und die Zahnarztpraxen Sinn macht. Mit dem MIO-Bonusheft liegt die erste Anwendung in einem strukturierten Format bereits vor. Weitere Anwendungsszenarien sind in Planung, etwa der ,eImplantatpass‘.“ Zudem verwies Hendges auf das EBZ-Verfahren, mit dem man gezeigt habe, wie sinnhafte Digitalisierung im Gesundheitswesen aussehen kann. Eine „ePA für alle“ durch Sanktionen und Abrechnungsverbote mit Gewalt in die Versorgung zu drücken, sei hingegen der vollkommen falsche Weg.

Markus Heckner, Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes Deutscher Dental-Software Unternehmen e.V. (VDDS), erklärte, er halte das System der ePA für noch nicht ausgereift, weil es noch keine konkreten Kriterien für die PVS-Systeme gebe. Die gematik müsse beweisen, dass die ePA sicher sei. Interoperabilität und Transparenz müssten gesteigert werden.

„Es war immer davon die Rede, dass die Patienten von der ePA profitieren. Aber der Fokus richtet sich immer mehr auf das Datensammeln“, ergänzte Dr. Kai-Peter Zimmermann, Digitalvorstand des FVDZ. „Da hat das ganze System massiv Schlagseite bekommen. Datensammeln ist in manchen Punkten nachvollziehbar, aber für uns nicht mehr tragbar.“

Dr. Wassiliki Ionna Daskalaki, Vorstandsmitglied des FVDZ-Landesverbands Westfalen-Lippe, betreibt eine hochdigitalisierte Praxis in Dortmund. Sie erinnerte bei der Diskussion an die Kernbotschaft: „Wir wollen durch die Digitalisierung die Menschlichkeit auf keinen Fall ersetzen.“ Aber jene könne helfen, Abläufe zu vereinfachen, manches auch schneller machen und sei hilfreich bei Personalengpässen.

„Die Gesundheitsdaten für lau an die Industrie verscherbelt“

„Mit der elektronischen Patientenakte werden die hochsensiblen Gesundheitsdaten für lau an die Industrie verscherbelt“, kritisierte Öttl in seiner Eröffnungsrede. Der FVDZ habe die Verantwortung, den Finger in die Wunde zu legen und Missstände anzuprangern, sagte er und zog eine kritische Bilanz zur Telematikinfrastruktur aus Sicht der Zahnärzte. „Wir müssen ständig unter Strafandrohung schlecht angedachte und schlecht gemachte Lösungen in der Praxis auf unsere Kosten zu Ende entwickeln. Dafür haben wir keine finanziellen Ressourcen, da ja die Budgets uns einschränken und die Punktwert­entwicklung staatlich gebremst wurde.“ Oft könnten die zahnärztlichen Mitarbeiterinnen bei der Patientenbehandlung nicht mehr unterstützen, sondern müssten sich mit nicht funktionierenden Digitalisierungsprodukten aus dem Hause Lauterbach herumärgern, fuhr Öttl fort. Die Nutznießer seien in den seltensten Fällen die Praxen oder gar die Patienten, sondern die Industrie. Sein Appell: „Herr Professor Lauterbach, sorgen Sie dafür, dass die Praxen ihre Kernaufgabe – die Patientenbehandlung – erfüllen können und bringen Sie funktionierende Lösungen, die den Patienten und den Praxen nutzen, und vor allem: Bezahlen Sie diese auch.“

Zehn Punkte zur Reformierung des Gesundheitswesens

Die Hauptversammlung des FVDZ hat eine Resolution zur Reformierung des Gesundheitswesens verabschiedet. Gefordert wird, die freiberuflich inhabergeführten Praxen als Rückgrat der ambulanten zahnmedizinischen Versorgung zu fördern und die Budgetierung in allen Bereichen der Zahnmedizin abzuschaffen. Gesetze, die die Gesundheitsversorgung betreffen, sollen nur nach dem Prinzip „one in – two out“ erlassen und damit die Bürokratielast in den Praxen nachhaltig abgebaut werden. Ferner sprechen sich die Delegierten für eine freie Arztwahl und eine freie, direkte Arzt-Patienten-Beziehung aus. Gesundheitsdaten sollen besonders geschützt werden. Die Kostenerstattung soll vereinfacht und die Honorierung den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Praxen angepasst werden. Außerdem fordern die Delegierten, versorgungsfremde Investoren im Gesundheitswesen einzudämmen und den Kurswechsel weg von der Staatsmedizin einzuleiten.

Die rund 130 Delegierten fällten Beschlüsse zu aktuellen Themen der Gesundheitspolitik. Kontrovers wurde das Thema der ePA für alle aufgegriffen. Es gab Stimmen, die die ePA grundsätzlich ablehnten, andere zeigten sich zwar vom Nutzen in der Zahnarztpraxis nicht besonders überzeugt, hielten die ePA aber in anderen medizinischen Bereichen für sinnvoll. Auch ein allzeit einsehbarer Medikamentenplan könne für Zahnärztinnen und Zahnärzte vorteilhaft sein, hieß es. Doch die ePA an sich „ist nun einmal beschlossen“, sodass grundsätzliche Einwände gegenstandslos blieben. In einem Beschluss empfahlen die Delegierten der Zahnärzteschaft, die ePA grundsätzlich nur mit strukturierten Daten zu befüllen. Außerdem forderten sie den Bundesvorstand des FVDZ sowie den Vorstand der KZBV und das Präsidium der BZÄK auf, sich gemeinsam für eine Verschiebung der Einführung der „ePA für alle“ beim Bundesministerium für Gesundheit einzusetzen, bis die Voraussetzungen einer einfachen Befüllung und eine abschließende und erfolgreich getestete Interoperabilität und Strukturierung der eingestellten Datenformate vorliegen.

In seinem Grußwort sprach der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Prof. Dr. Christoph Benz, weitere aktuelle Themen der Standespolitik an. Eine GOZ-Novelle sei aus Sicht der BZÄK „längst überfällig“. Vom zurzeit heiß diskutierten Entwurf der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) müsse diese aber unabhängig sein, betonte er. Der KZBV-Vorsitzende Martin Hendges verwies in seinem Grußwort darauf, dass der GKV-Anspruch auf Zahnfüllungen auch ab dem 1. Januar 2025 ohne zusätzliche Kosten – sogenannte Mehrkosten – bestehen bleibt, obwohl ab diesem Zeitpunkt Amalgam für die zahnärztliche Behandlung in der Europäischen Union in der Regel nicht mehr verwendet werden dürfe.

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