Whitepaper zur Recyclingquote

60 Prozent aller Medizinprodukte im Krankenhaus sind Einweg!

mg
Gesellschaft
Krankenhäuser sind mit 4,8 Millionen Tonnen Abfall jährlich der fünftgrößte Abfallproduzent in Deutschland. Wie mehr dieser Rohstoffe künftig recycelt werden könnten, skizziert jetzt ein Whitepaper.

In einem internen Projekt zum Thema „Nachhaltige Medizintechnik“ hat das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik die Abfallentsorgung in deutschen Krankenhäusern bewertet. Auf Basis der aktuellen Studienlage zum Thema führten die Forschenden eine Umfrage in 24 sächsischen Krankenhäusern durch und entwickelten gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden ein White Paper mit klaren Handlungsempfehlungen für Hersteller von Medizinprodukten, Krankenhausbetreiber und Entsorgungsunternehmen, wie die Recyclingquote bei Medizinprodukten kurz-, mittel- und langfristig erhöht werden könnte.

Der Hintergrund: Der Gesundheitssektor ist in Deutschland für 5,2 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, wobei 66 Prozent davon allein durch den Einkauf von Waren und Dienstleistungen der Branche entstehen, heißt es in dem Dokument. Bereits 2017 ermittelte das Statistische Bundesamt ein Abfallaufkommen in Kliniken von rund 4,8 Millionen Tonnen, das mit der Corona-Pandemie noch einmal drastisch gestiegen ist. „Ein Faktor, der zu den hohen Emissionen im Einkauf und dem vermehrten Abfallaufkommen beiträgt, ist der Einsatz von Einwegprodukten. Diese wurden in den 1970er-Jahren erstmals bewusst eingesetzt und sind mittlerweile ein unverzichtbarer Standard in medizinischen Einrichtungen“, schrieben die Forschenden.

Das Problem: Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Entsorgung von medizinischen Abfällen – in Kombination mit dem Arbeitsschutz – müssen diese Abfälle in reißfesten, feuchtigkeitsbeständigen und dichten Behältnissen gesammelt und dürfen nicht umgefüllt oder sortiert werden. Darum werden sie unsortiert thermisch verwertet, also verbrannt – „was den Forderungen nach einer zirkulären Wirtschaft und einem nachhaltigen Ressourcenmanagement widerspricht, wie es für den Gesundheitssektor bis 2030 und darüber hinaus vermehrt gefordert wird“.

Die Wissenschaftler schreiben weiter, dass vor allem chirurgische Instrumente und Materialien, Infusions- und Injektionsgeräte sowie diagnostische und Labormaterialien zu dem riesigen Müllberg beitragen. Das mit Abstand am häufigsten verwendete Rohmaterial hierfür sind Kunststoffharze. Deren Recyclingchancen haben sich mit dem Auslaufen der sogenannten LAGA-Abfallgruppen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall im Jahr 2002 nicht vergrößert, obwohl der Müll statt in den fünf Kategorien A bis E nun in 25 Kategorien unterschieden wird, in die haushaltsübliche Abfälle, Krankenhausabfall, Infektiöser Abfall, Sonderabfall und Ethischer Abfall sortiert werden sollten.

Die Umfrage: Laut einer Befragung von 24 Kliniken Sachsens verwendet zwar die Mehrzahl das Abfallsystem mit 25 Kategorien – in geschätzt 5 bis 25 Prozent aller Fälle landen Abfälle aber trotzdem in den Mülleimern der falschen Kategorie ("Fehlwürfe") und zwar in der Regel in einer Kategorie mit höherklassiger Kontaminationsstufe. Als Ursachen nennen die Befragten eine unzureichende Einweisung des Personals, dessen Unsicherheit und den stetig steigenden Zeitdruck. Dieser Fakt sowie Verunreinigungen und Verpackungen, die aus verschiedenen, nicht gemeinsam recyclebaren Kunststoffen bestehen, erschweren jedoch die Wiederverwendung.

Darum sind aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Hersteller, Krankenhäuser und Entsorgungsunternehmen gleichermaßen in der Pflicht, ihr Verhalten so zu ändern, dass die Recyclingquote erhöht werden kann.

Hierzu geben sie folgende Tipps:

  • Hersteller sollten beim Design ihrer Produkte künftig Überlegungen zum Recyclingprozess mit einschließen. Erst ein solches „Design for Recycling“ ermögliche es, Stoffkreisläufe zu schließen und eine hochwertige Wiederverwertung von Kunststoffen sicherzustellen. Ideal wäre es, wenn nur solche Kunststoffe innerhalb eines Produkts verwendet werden, deren chemische Eigenschaften einen gemeinsamen Recyclingprozess erlauben und die in der Wiederverwendung gemeinsam (etwa als Gemisch) verarbeitet werden können. Genauso wichtig sei eine klar erkennbare, unternehmensübergreifende Kennzeichnung über Symbole oder ein Farbsystem, um eine sortenreine Sammlung verschiedener Kunststoffe zu ermöglichen.

  • Kliniken wiederum könnten Fehlwürfe durch ein klinikübergreifendes Entsorgungssystem mit einer einheitlichen Farbcodierung weitestgehend vermeiden, wie es etwa auch die Weltgesundheitsorganisation seit 2017 fordert. Dieses System sollte zudem bereits Gegenstand der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal sein und bei jedem Onboarding zwingend vermittelt werden.

  • Recycling- und Entsorgungsunternehmen sollten die bestehenden Trenn- und Sortierkonzepte so weiterzuentwickeln, dass weniger Mischabfall zurückbleibt. Zudem sollen sie untersuchen, wie heute nicht kompatible Polymere über die Zugabe von Haftvermittlern oder Verträglichmachern zu einem Folgeprodukt mit zufriedenstellenden Werkstoffeigenschaften verarbeitetet werden können. Wenn dann die Eignung dieses Werkstoffs für Medizinprodukte nachgewiesen werden kann, könnte der Misch-Rohstoff ebenfalls wiederverwendet werden.

Eine weitere Idee der Wissenschaftler, wie die Recyclingquote stark erhöht werden könnte: Indem der kontaminierte, aber nicht infektiöse Abfall, der den Löwenanteil in deutschen Kliniken ausmacht, noch vor Ort dekontaminiert würde. Anschließend „können die Materialien im gleichen Rahmen wie Siedlungsabfälle weiterverarbeitet oder aufbereitet werden“, schreiben sie. Ihre Zukunftsvision: Die Dekontaminations- und Sortieranlagen könnten dann auf dem Klinikgelände stehen und die händische Sortierung des Mülls ersetzen. Weiterer Vorteil: Die Kliniken könnten die sortierten und damit wiederverwertbaren Rohstoffe anschließend selbst verkaufen.

Krankenhäuser sind mit 4,8 Millionen Tonnen Abfall jährlich der fünftgrößte Abfallproduzent in Deutschland. Wie mehr dieser Rohstoffe künftig recycelt werden könnten, skizziert jetzt ein Whitepaper.

In einem internen Projekt zum Thema „Nachhaltige Medizintechnik“ hat das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik die Abfallentsorgung in deutschen Krankenhäusern bewertet. Auf Basis der aktuellen Studienlage zum Thema führten die Forschenden eine Umfrage in 24 sächsischen Krankenhäusern durch und entwickelten gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden ein White Paper mit klaren Handlungsempfehlungen für Hersteller von Medizinprodukten, Krankenhausbetreiber und Entsorgungsunternehmen, wie die Recyclingquote bei Medizinprodukten kurz-, mittel- und langfristig erhöht werden könnte.

Der Hintergrund: Der Gesundheitssektor ist in Deutschland für 5,2 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, wobei 66 Prozent davon allein durch den Einkauf von Waren und Dienstleistungen der Branche entstehen, heißt es in dem Dokument. Bereits 2017 ermittelte das Statistische Bundesamt ein Abfallaufkommen in Kliniken von rund 4,8 Millionen Tonnen, das mit der Corona-Pandemie noch einmal drastisch gestiegen ist. „Ein Faktor, der zu den hohen Emissionen im Einkauf und dem vermehrten Abfallaufkommen beiträgt, ist der Einsatz von Einwegprodukten. Diese wurden in den 1970er-Jahren erstmals bewusst eingesetzt und sind mittlerweile ein unverzichtbarer Standard in medizinischen Einrichtungen“, schrieben die Forschenden.

Das Problem: Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben für die Entsorgung von medizinischen Abfällen – in Kombination mit dem Arbeitsschutz – müssen diese Abfälle in reißfesten, feuchtigkeitsbeständigen und dichten Behältnissen gesammelt und dürfen nicht umgefüllt oder sortiert werden. Darum werden sie unsortiert thermisch verwertet, also verbrannt – „was den Forderungen nach einer zirkulären Wirtschaft und einem nachhaltigen Ressourcenmanagement widerspricht, wie es für den Gesundheitssektor bis 2030 und darüber hinaus vermehrt gefordert wird“.

Die Wissenschaftler schreiben weiter, dass vor allem chirurgische Instrumente und Materialien, Infusions- und Injektionsgeräte sowie diagnostische und Labormaterialien zu dem riesigen Müllberg beitragen. Das mit Abstand am häufigsten verwendete Rohmaterial hierfür sind Kunststoffharze. Deren Recyclingchancen haben sich mit dem Auslaufen der sogenannten LAGA-Abfallgruppen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall im Jahr 2002 nicht vergrößert, obwohl der Müll statt in den fünf Kategorien A bis E nun in 25 Kategorien unterschieden wird, in die haushaltsübliche Abfälle, Krankenhausabfall, Infektiöser Abfall, Sonderabfall und Ethischer Abfall sortiert werden sollten.

Die Umfrage: Laut einer Befragung von 24 Kliniken Sachsens verwendet zwar die Mehrzahl das Abfallsystem mit 25 Kategorien – in geschätzt 5 bis 25 Prozent aller Fälle landen Abfälle aber trotzdem in den Mülleimern der falschen Kategorie ("Fehlwürfe") und zwar in der Regel in einer Kategorie mit höherklassiger Kontaminationsstufe. Als Ursachen nennen die Befragten eine unzureichende Einweisung des Personals, dessen Unsicherheit und den stetig steigenden Zeitdruck. Dieser Fakt sowie Verunreinigungen und Verpackungen, die aus verschiedenen, nicht gemeinsam recyclebaren Kunststoffen bestehen, erschweren jedoch die Wiederverwendung.

Darum sind aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Hersteller, Krankenhäuser und Entsorgungsunternehmen gleichermaßen in der Pflicht, ihr Verhalten so zu ändern, dass die Recyclingquote erhöht werden kann.

Hierzu geben sie folgende Tipps:

  • Hersteller sollten beim Design ihrer Produkte künftig Überlegungen zum Recyclingprozess mit einschließen. Erst ein solches „Design for Recycling“ ermögliche es, Stoffkreisläufe zu schließen und eine hochwertige Wiederverwertung von Kunststoffen sicherzustellen. Ideal wäre es, wenn nur solche Kunststoffe innerhalb eines Produkts verwendet werden, deren chemische Eigenschaften einen gemeinsamen Recyclingprozess erlauben und die in der Wiederverwendung gemeinsam (etwa als Gemisch) verarbeitet werden können. Genauso wichtig sei eine klar erkennbare, unternehmensübergreifende Kennzeichnung über Symbole oder ein Farbsystem, um eine sortenreine Sammlung verschiedener Kunststoffe zu ermöglichen.

  • Kliniken wiederum könnten Fehlwürfe durch ein klinikübergreifendes Entsorgungssystem mit einer einheitlichen Farbcodierung weitestgehend vermeiden, wie es etwa auch die Weltgesundheitsorganisation seit 2017 fordert. Dieses System sollte zudem bereits Gegenstand der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal sein und bei jedem Onboarding zwingend vermittelt werden.

  • Recycling- und Entsorgungsunternehmen sollten die bestehenden Trenn- und Sortierkonzepte so weiterzuentwickeln, dass weniger Mischabfall zurückbleibt. Zudem sollen sie untersuchen, wie heute nicht kompatible Polymere über die Zugabe von Haftvermittlern oder Verträglichmachern zu einem Folgeprodukt mit zufriedenstellenden Werkstoffeigenschaften verarbeitetet werden können. Wenn dann die Eignung dieses Werkstoffs für Medizinprodukte nachgewiesen werden kann, könnte der Misch-Rohstoff ebenfalls wiederverwendet werden.

Eine weitere Idee der Wissenschaftler, wie die Recyclingquote stark erhöht werden könnte: Indem der kontaminierte, aber nicht infektiöse Abfall, der den Löwenanteil in deutschen Kliniken ausmacht, noch vor Ort dekontaminiert würde. Anschließend „können die Materialien im gleichen Rahmen wie Siedlungsabfälle weiterverarbeitet oder aufbereitet werden“, schreiben sie. Ihre Zukunftsvision: Die Dekontaminations- und Sortieranlagen könnten dann auf dem Klinikgelände stehen und die händische Sortierung des Mülls ersetzen. Weiterer Vorteil: Die Kliniken könnten die sortierten und damit wiederverwertbaren Rohstoffe anschließend selbst verkaufen.

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