Fluoridiertes Trinkwasser ist heute weniger effektiv gegen Karies als früher
Die Ergebnisse eines aktualisierten Cochrane-Reviews zeigen, dass der Nutzen von Fluorid im Trinkwasser für die Zahngesundheit heute möglicherweise geringer ist als vor der weiten Verbreitung von Fluoridzahnpasta. Kommunale Trinkwasserfluoridierung wird aktuell in etwa 25 Ländern durchgeführt und häufig noch als ein wichtiges Tool zur Kariesreduktion und zum Ausgleich von Ungleichheiten der Mundgesundheit betrachtet. Die Meinungen zur Wirksamkeit der Maßnahme sind aber seit Längerem gespalten. Forschende der Universitäten Manchester, Dundee und Aberdeen stellen nun fest, dass der Nutzen seit den 1970er Jahren, als fluoridhaltige Zahnpasta in größerem Umfang verfügbar wurde, abgenommen hat.
Für das Review wurden insgesamt 157 Studien ausgewertet, in denen Gemeinden, deren Wasserversorgung mit Fluorid angereichert wurde, mit Gemeinden verglichen wurden, in denen es keine Trinkwasserfluoridierung gab. Es wurden Studien einbezogen, die ab 1975 veröffentlicht wurden. Die aktuellen Studien wurden in Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt. Die Auswirkungen der kommunalen Fluoridierung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind weniger klar, da es dort keine neueren Untersuchungen gibt. Alle einbezogenen Studien bewerteten den Kariesstatus sowohl innerhalb von drei Jahren nach Einführung und Abschaffung der Trinkwasserfluoridierung sowie am Ende der Nachbeobachtungszeit.
Geringere Effektstärken als vor 1975
„Zeitgenössische Studien deuten darauf hin, dass die Einführung von Trinkwasserfluoridierung zu einem etwas stärkeren Rückgang von dmft und zu einem etwas stärkeren Anstieg des Anteils kariesfreier Kinder führen kann, allerdings mit geringeren Effektstärken als in den Studien vor 1975“, fassen die Forschenden die Ergebnisse zusammen [Iheozor-Ejiofor et al., 2024]. Die Analyse der Studien, an denen insgesamt 2.908 Kinder im Vereinigten Königreich und in Australien teilnahmen, ergab, dass die Fluoridierung zu durchschnittlich 0,24 weniger kariösen Milchzähnen pro Kind führen könnte. Zum Vergleich: Eine Analyse von Studien mit 5.708 Kindern, die 1975 oder früher durchgeführt wurde, ergab, dass die Fluoridierung die Zahl der kariösen Milchzähne im Durchschnitt um 2,1 pro Kind verringerte.
Dieselben zeitgenössischen Studien, die nach 1975 durchgeführt wurden, untersuchten auch die Anzahl der Kinder, die keine kariösen Milch- oder bleibende Zähne hatten. Die Analyse ergab, dass die Trinkwasserfluoridierung die Zahl der Kinder ohne Karies um vier (Milchgebiss) beziehungsweise drei Prozentpunkte (bleibendes Gebiss) erhöhen kann, wobei auch hier Unsicherheiten bestehen. Die Untersuchung konnte nur Schlussfolgerungen zu den Auswirkungen auf die Zähne von Kindern ziehen – es gab keine Studien mit Erwachsenen, die die Kriterien erfüllten.
Die Ergebnisse der Überprüfung stimmen mit neueren Beobachtungsstudien überein, darunter die LOTUS-Studie, in der anonymisierte Zahngesundheitsdaten mit dem Fluoridierungsstatus von 6,4 Millionen Erwachsenen und Jugendlichen in England zwischen 2010 und 2020 verglichen wurden. Menschen in Gebieten mit fluoridierten Wasser benötigten etwas weniger invasive Zahnbehandlungen, ohne dass dies einen signifikanten Einfluss auf Ungleichheiten hatte.
Nutzen nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleich
Befürworter behaupten, dass einer der wichtigsten Vorteile der Trinkwasserfluoridierung darin besteht, dass sie die Ungleichheiten bei der Karies in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status verringern könnte. Der aktuelle Cochrane Review fand nicht genügend Beweise, um diese Behauptung zu stützen, obwohl dies nicht unbedingt bedeutet, dass die Trinkwasserfluoridierung nicht wirksam ist. Vielmehr sei es wichtig, bei der Interpretation der Ergebnisse den weiteren Kontext zu berücksichtigen und zu sehen, wie sich die Gesellschaft und die Gesundheit im Laufe der Zeit verändert haben. Denn die meisten Studien zur Trinkwasserfluoridierung stammen aus einer Zeit, bevor fluoridierte Zahnpasta weitgehend überall verfügbar war und sind größtenteils mehr als 50 Jahre alt. Deshalb sollten die Ergebnisse in den Kontext der heutigen Zeit gesetzt werden. Trinkwasserfluoridierung ist nur eine Option, Ungleichheiten in der Mundgesundheit auszugleichen und nicht unbedingt die geeignetste für alle Bevölkerungsgruppen.
„Angesichts der Tatsache, dass der Nutzen im Laufe der Zeit abgenommen hat, muss vor der Einführung eines neuen Fluoridierungsprogramms sorgfältig über Kosten, Akzeptanz, Durchführbarkeit und laufende Überwachung nachgedacht werden“, ordnet Mitautorin Dr. Lucy O'Malley (Manchester) die Studienergebnisse ein.
Iheozor-Ejiofor Z, Walsh T, Lewis SR, Riley P, Boyers D, Clarkson JE, Worthington HV, Glenny A-M, O'Malley L. Water fluoridation for the prevention of dental caries. Cochrane Database of Systematic Reviews 2024, Issue 10. Art. No.: CD010856. DOI: 10.1002/14651858.CD010856.pub3. Accessed 04 October 2024.