„Ohne Quote wird es nicht gehen!“
In der KZBV-Vertreterversammlung beschlossen die Delegierten Ende Oktober 2020, „den Frauenanteil in den Gremien der vertragszahnärztlichen Selbstverwaltung [zu] erhöhen“. Was ist seitdem passiert?
Dr. Ute Maier: Insgesamt eher zu wenig! Es gab in manchen KZVen zwar Aktivitäten, junge Kolleginnen durch gesonderte Veranstaltungen anzusprechen und für die Standespolitik zu begeistern. Insbesondere in Bezug auf die vorgeschlagenen Satzungsänderungen oder Änderungen der Wahlordnung sind jedoch meines Wissens weder die Bundesebene noch die KZVen in den Ländern aktiv geworden. Weshalb auch?
Das Ziel, eine Quotenregelung für die Vorstände und Vertreterversammlungen für die KV- und KZV-Landschaft im Rahmen des Zweiten Führungspositionen-Gesetzes zu verhindern, war erreicht worden.
Woran liegt es denn, dass in der Standespolitik immer noch so wenig Frauen in Führungspositionen zu finden sind? Was muss aus Ihrer Sicht geschehen, um das zu ändern?
Gegenfrage: Ist es realistisch zu glauben, dass überwiegend männlich besetzte Gremien von sich aus auf Posten verzichten und durch entsprechende Regelungen die Voraussetzungen schaffen, dass diese mit Frauen besetzt werden? Meine Erfahrungen zeigen, dass diesbezüglich im zahnärztlichen Bereich bei den meisten kaum Ambitionen bestehen durch Zugeständnisse oder Verzicht, Frauen den Weg in die oberen Etagen zu ebnen.
Nachdem Dr. Romy Ermler zur Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer gewählt wurde, ist Stefanie Tiede nun neue Präsidentin der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern. Sind die Kammern in der „Frauenfrage“ weiter als die KZVen?
Es scheint so, als sei das Kammersystem tatsächlich bereits etwas weiter. Immerhin findet man dort – mit Ausnahme von Baden-Württemberg mit seinem rein männlichen Vorstand – in jedem Vorstand mindestens eine Frau. In Berlin ist sogar die Hälfte des Vorstands weiblich. Dennoch gibt es bei insgesamt deutlich über 100 Vorstandsmitgliedern nur zwei Frauen an der Spitze.
Und es liegt immer auch an einzelnen Personen. Beispiel BZÄK: Die beiden Teams, die im Vorfeld als mögliche Vorstände gehandelt wurden, waren beide ausschließlich Männerseilschaften entsprungen. Prof. Christoph Benz hat diese Denke durchbrochen. Klasse fand ich zudem, wie viele Frauen sich zur Wahl stellten.
Einen entsprechenden Schub wünsche ich mir auch für die KZV-Landschaft. Wobei dort sicherlich der Kampf um die Posten stärker ist, da insgesamt deutlich weniger Vorstandsposten zur Verfügung stehen (höchstens drei, zum Teil nur zwei). Und auch die Anzahl der Mitglieder in den Vertreterversammlungen ist deutlich geringer.
Muss vielleicht doch die Quote her? In der CDU/CSU bejahen viele Frauen aktuell diese Frage.
Die Diskussionen im Zusammenhang mit der AG Frauenförderung, die vielen – ehrlich gesagt oft bescheuerten – Kommentare und die Erfahrungen, die ich in diesem Zusammenhang machen durfte beziehungsweise musste, haben meine Meinung zur Quote grundlegend geändert.
Inzwischen bin ich der Auffassung, dass es leider ohne Quote kurzfristig nicht gehen wird. Und dass erst dadurch in den oberen Ebenen wirklich etwas passiert, zeigen die aktuellen Zahlen in den Vorständen der 160 deutschen Börsenunternehmen.
In den Bundestag ziehen jetzt viele neue Abgeordnete ein. Insgesamt wird unsere Vertretung bunter, jünger und weiblicher. Stehen die Zahnärzte angesichts dieser Entwicklung nicht langsam unter „Zugzwang“? Schließlich trat im August zudem das Zweite Führungspositionen-Gesetz in Kraft, von dem die Körperschaften zwar ausgenommen sind, das aber sicherlich zusätzlich den Druck erhöht.
Zu wünschen wäre, dass sich die aus meiner Sicht eher konservative Zahnärztelandschaft an den gegenüber Frauen und jungen Menschen aufgeschlossenen Parteien ein Beispiel nehmen würde. Dazu müsste aber zuerst einmal die Bereitschaft bestehen, zum Beispiel die Wahllisten im kommenden Jahr für die anstehenden KZV-Wahlen paritätisch zu besetzen. Gleichzeitig müsste auch die Bereitschaft bestehen, aktiv Frauen integrieren zu wollen. Zwar gibt es einzelne Versuche, an vielen Stellen nehme ich allerdings bereits jetzt wahr, dass Männerseilschaften aktiv sind und Frauen, die bereit wären, sich zu engagieren, ausgebremst werden.
Insofern sehe ich derzeit an keiner Stelle, dass akuter Handlungsdruck besteht oder sich die entsprechenden Akteure diesem ausgesetzt fühlen würden. Da sich die neue Regierung zudem sicherlich nicht als Erstes um ein weiteres Führungspositionen-Gesetz kümmern wird, befürchte ich, dass die obersten Gremien – Vorstände und Vertreterversammlungen – dann für die nächsten sechs Jahre wieder überwiegend männlich besetzt sein werden.
Die Fragen stellte Claudia Kluckhuhn.