Die Entwicklung der festsitzenden Apparatur - Teil 3 – Bracketentwicklung
Die Verwendung von Ösen (Linderer 1848) und später von Röhrchen (Angle 1887), um Zähne zu bewegen, kann als Vorgänger des Brackets gesehen werden. Angle erkannte die Notwendigkeit der Entfernung und erneuten Einfügung der Bögen sowie die Erfordernis einer dreidimensionalen Kontrolle über die Zähne. Aus dieser Erkenntnis heraus konstruierte er das Schloss der Ribbon- Arch Apparatur und später das Edgewise Bracket mit einer Schlitzhöhe von .022 inch und einer Schlitztiefe von .028 inch. Diese Brackets wurden in der Mitte der vestibulären Fläche des jeweiligen Zahnes aufgebracht [Ricketts et al.1979]. Obwohl viele Konstrukteure (siehe unten) sich bemüht haben, diese grundlegende Methode zu verbessern, ist das Horizontalschloss, in das der Bogen mit Ligaturendraht einligiert wird, noch immer das wichtigste Gerät, um eine exakte Kontrolle und dreidimensionale Beeinflussung der Zähne zu haben. So führte die Entwicklung des .05 inch breiten Narrow-Bracket No. 447 über das .10 inch breite Wide-Bracket No. 452 (Abb. 1) von Angle zu einer Vielzahl verschiedenster Bracketdesigns mit unterschiedlicher Form, Größe, Slotdimension und Slotanzahl, Bracketbasiskontur und Verschlussmechaniken [Renfroe 1975].
Anfangs wurden Brackets durch Fräsen aus Stahlbarren hergestellt und auf die Netzbasen geschweißt. Ende der siebziger Jahre wurde das Gussverfahren eingeführt. Nach separatem Einschneiden der Slots wurden die Brackets wiederum auf perforierte Basen oder Netze geschweißt und später hartgelötet. In den neunziger Jahren wurden das vollständige Gießen der Attachments und das Spritz-Gussverfahren möglich. Der Produktionsprozess wurde weiterentwickelt. Durch den Einsatz von computergesteuerten Schneidewerkzeugen ist heutzutage die Einarbeitung exakter Werte zuverlässiger als bei den früher manuell gefertigten Brackets [Matasa 1997].
Nachdem Angle das Bracket No. 452 entwickelte, um eine bessere Kontrolle über die breiteren seitlichen Zähne zu bekommen, verwandte man zusätzlich Ösen und Krampen zur Beherrschung der Rotation (Abb. 2) [Renfroe 1975].
Eine Bemühung der späten vierziger Jahre galt der Lösung des Problems der Krampen. Den Krampen, den angelöteten Stäbchen, die Vorläufer der so genannten Rotationsbrackets waren, kann man die Positionierung zweier Single-Brackets, mesial und distal des Mittelpunktes der labialen oder bukkalen Fläche des Zahnes, als Entwicklung zum Twin-Bracket (Zwillingsbracket) ansehen. Das Twin-Bracket wurde 1950 von Swain vorgestellt und ist gekennzeichnet durch eine verlötete Verbindung zwischen zwei einzelnen Narrow-Brackets. Dieses Bracket sollte weitere Hilfsmittel zur Rotationskontrolle unnötig machen (Abb. 5) [Ricketts et al. 1979].
Um noch mehr Kontrolle über die Zähne zu erlangen, wurde das Triple-Bracket entwickelt, mit drei Single-Brackets auf einer sieben bis acht Millimeter breiten Basis (Abb. 6). Der Nachteil dieses Brackets lag in seiner Dimension. Der Abstand zwischen den Brackets war durch deren große Flächensumme zu klein und der Bogendraht somit nicht sehr flexibel. Die Brackets selber kontaktierten bei Rotationen die benachbarten Zähne, so dass sich diese Entwicklung nicht durchsetzen konnte [Renfoe 1975].
Andere Entwicklungen waren Singlebrackets, welche durch Rotationsarme oder -federn ihre Schwäche der Rotationskontrolle eliminieren sollten. Während Steiner eine doppelarmige, weiche Feder konstruierte (Abb. 7), brachte Lewis harte Flügel auf beiden Seiten des Brackets an, um durch Druck der Flügel gegen den Bogendraht die Zähne zu rotieren (Abb. 8). Lewis führte seine Überlegung weiter und brachte eine zum Zahn offene Aufwerfung am Ende seiner Flügel an, um den Bogendraht kontrollierter einligieren zu können (Abb. 9). Eine seiner weiteren Überlegungen galt dem Anti-tip Bracket. Es bewirkte durch seine Fräsungen in den Aufwerfungen durch das Einligieren des Bogendrahts mittels Zug eine Derotation des Zahnes (Abb. 10) [Renfroe 1975].
1932 nahm Broussard die Idee Angles des vertikalen Slots aus dem Jahre 1915 wieder auf. Er plazierte das vertikale Slot in die Bracketbasis, um mit speziellen Federn einen Lückenschluss zu erreichen und Zähne aufzurichten (Abb. 11 und 12) [Rethmann 1970].
Eine Variation dieser Brackets war die horizontale Anbringung eines Slots in die Bracketbasis, um wiederum mit speziellen Federn kontrollierte Zahnbewegungen durchführen zu können (Abb. 13). Es folgten Brackets mit extra gekrümmter Basis für Eckzähne und Prämolaren, die den Bändern besser ansaßen als die planen Bracketbasen anderer Brackets (Abb. 14) [Renfroe 1975]. Johnson entwickelte das Zwei-Phasen- Bracket für seine zuvor schon erwähnte Zwillingsbogen-Apparatur (Abb. 11 und 12 in Teil 2, zm 13/2002). Sein Ziel war es, mit leichten Kräften arbeiten zu können und den Vorteil zweier Drähte, zum Beispiel bei Außenständen oder Infraokklusionen, zu nutzen. Die zwei Phasen (Bracketslots) liegen übereinander und dienen der Einligierung zweier Runddrähte [Renfroe 1960, Geoffrion 1977].
Eine andere Entwicklung zur Benutzung zweier Drähte bestand in der Dimensionsänderung des Bracketslots. Der Unterschied zwischen Qwik-Wing Brackets und Edgewise- Brackets liegt in der Tiefe des Bracketslots. Es hat die Dimension .0185 mal .030 inch. Hierdurch kann ein runder und zusätzlich ein Vierkantbogen aufgenommen werden. Dies bietet die Möglichkeit, leichte elastische Rundbögen für die Einordnung außerhalb der Zahnreihe stehender Zähne zu benutzen. Zusätzlich kann durch Vierkantbögen der Torque der Zähne kontrolliert werden (Abb. 15) [Renfroe 1975].
Das Tip-Edge System, die außerordentliche Kombination zweier prinzipiell verschiedener Systeme, nutzt ebenfalls die Vorteile eines Rundbogens und eines Vierkantbogens (Abb. 16 ). Der Lückenschluss und die Zahnbewegungsphase werden von der Light-wire-, beziehungsweise Beggtechnik übernommen. Zur endgültigen Positionierung der Zähne bedient man sich der vorprogrammierten Edgewise Technik mit In/Out Kompensation Tip, Torque und Rotation [Kesling 1998; Proffit et al. 1993].
Die jüngste Generation der vorprogrammierten Brackets, Speed-Brackets (Abb. 17) und ihrer Abkömmlinge nutzt die Vorteile der hoch elastischen Bogendrähte und reduziert durch einen besonderen Bracketverschlussmechanismus den Reibungswiderstand zwischen Bracketslot und Bogen. Dies soll zu weniger Verankerungbedarf führen und die Behandlungszeit verkürzen (Abb. 18) [Berger 1990, Voudouris 1997].
Im Laufe der Zeit ging die Entwicklung vom Bebändern der Zähne zum adhäsiven Befestigen der Brackets auf den Zähnen über. Nachdem Buonocuore 1956 die Säureätztechnik entwickelt hatte, und unter anderem von Newman, Collito und Mitchell direkte Klebeverfahren vorgestellt wurden, lötete man die Brackets auf perforierte Basen oder direkt auf Netzbasen und klebte diese mit Komposit auf den vorkonditionierten Schmelz. Die maximale Verbundstärke zwischen Netz und Zahn wird durch die gleichmäßige Verteilung des Adhäsivs an allen Unterschnitten erreicht. Ende der siebziger Jahre kam man zu der Erkenntnis, dass bei perforierten Basen das Zähneputzen zur Zerstörung des Adhäsivs führt. Von da an wurden die Brackets auf Folien befestigt, die mit einem Netz laminiert waren [Matasa 1997].
Die Klebetechnik bringt viele Vorteile, hat aber auch Nachteile.
An wesentlichen Vorteilen der direkten Klebetechnik wären zu nennen:
1. Kein zusätzlicher Zahnbogenverlust durch interproximale Bandstärke
2. Keine Restlücken nach der Behandlung durch interproximale Bandstärke
3. Das Stripping ist während der Behandlung möglich
4. Eine geringere Irritation der Gingiva, verbunden mit erleichterter Parodontalhygiene
5. Die Kontrolle von Füllungen ist besser möglich
6. Das Aufbringen der Brackets ist auch bei Abweichungen der Zahnform und bei teilweise durchgebrochenen oder freigelegten Zähnen möglich
7. Eine verbesserte Ästhetik
8. Eine geringere Lagerhaltung
Dem stehen als Nachteile gegenüber:
1. Die lingualen Attachments müssen bei der direkten Klebetechnik im zweiten Arbeitsgang aufgeklebt werden.
2. Ein abgelöstes Bracket gibt sofort den gesamten Zahn frei, und Rezidive treten schneller ein. Der Patient bemerkt jedoch ein loses Bracket eher als ein gelöstes oder durch Kaukräfte nach gingival gewandertes Band.
3. Die Belastbarkeit von Klebebrackets hängt von der Beschaffenheit der Zahnoberfläche ab. Brackets, speziell im Seitenzahngebiet, sind weniger belastbar als Bänder [Posselt et al. 1980; Smaha et al. 1972].
Dr. Boris SonnenbergOlgastraße 3970182 Stuttgart
Prof. Dr. Dr. Gernot GözPoliklinik für KieferorthopädieOsianderstraße 2 - 872076 Tübingen