Stellungnahme der DGZMK

Endodontie im Milchgebiss

Stellungnahme der DGZMK in Abstimmung mit der Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde und Primärprophylaxe (GKP) in der DGZMK und der DGZ

Indikation und Kontraindikation

Milchzähne, insbesondere die Molaren, sollten bis zu ihrem physiologischen Ausfall erhalten werden, um Kaufunktion, Phonetik, Ästhetik und eine normale Gebissentwicklung zu sichern. Bei fortgeschrittener Karies ist deshalb häufig eine endodontische Therapie erforderlich.

Physiologische und pathologische Resorptionen der Milchzahnwurzeln beeinflussen die Indikation zur Wurzelkanalbehandlung beziehungsweise zur Extraktion. Unter Berücksichtigung der abnehmenden Reparationsleistung der Milchzahnpulpa sowie fortschreitender Wurzelresorption wird die Grenze für Zahn erhaltende Behandlungsverfahren erreicht, wenn ein Drittel der Wurzellänge resorbiert ist. Aufwändige endodontische Maßnahmen sind nur angezeigt, wenn die Prognose des Zahnerhaltes zumindest bis zum frühest möglichen Extraktionstermin (zirka zwei Jahre vor physiologischem Ausfall) günstig ist und die Morphologie der Zahnkrone wiederhergestellt werden kann. Nach Möglichkeit sollte auch im Milchgebiss jede endodontische Behandlung unter adäquater Trockenlegung und sterilen Kautelen erfolgen.

Caries-profunda-Behandlung

Die so genannte indirekte Überkappung [5] ist das Therapieverfahren der Wahl bei der klinisch symptomlosen Caries profunda zur Vitalerhaltung der Pulpa. Voraussetzung ist die vollständige Entfernung des erweichten infizierten Dentins. Verfärbtes, aber hartes Dentin am Kavitätenboden kann belassen werden und wird überkappt [3]. Klinische Studien zur Eignung von Dentinadhäsiven im Milchgebiss stehen noch aus [4].

Zur Abdeckung des Kavitätenbodens eignen sich kalziumhydroxidhaltige Präparate. Die Behandlung wird in der Regel als einzeitiges Vorgehen durchgeführt. Die klinisch-röntgenologische Erfolgsrate wird mit 80 Prozent angegeben. Übereinstimmend wird anerkannt, dass die Milchzahnpulpa über eine biologische Leistungsfähigkeit zur Ausheilung entzündlicher Veränderungen verfügt, sofern eine bakterielle Kontamination vermieden wird [2, 3].

Direkte Überkappung

Die Indikation zur direkten Überkappung ist im Milchgebiss auf die punktförmige Freilegung der klinisch gesunden Pulpa im kariesfreien Dentin begrenzt. Nach sorgfältiger Blutstillung wird die Eröffnungsstelle mit Kalziumhydroxid überkappt [1].

Pulpotomie

Die Pulpotomie ist bei einer Freilegung der Pulpa im kariösen Dentin am klinisch symptomlosen Zahn sowie bei großflächiger Exposition der Pulpa indiziert.

Unter Lokalanästhesie erfolgt die Entfernung des koronalen Anteils der Pulpa mit nachfolgender Blutstillung, um die Ausbildung eines Blutkoagulums an der Amputationsstelle zu vermeiden. Letzteres würde die Entwicklung einer Entzündungsreaktion begünstigen, die Ausbildung einer Hartgewebsbrücke verhindern und interne Resorptionsprozesse bis hin zu einer Pulpanekrose fördern. Nach der Applikation von Kalziumhydroxid auf die Restpulpa wird der Zahn gefüllt oder mit einer konfektionierten Milchzahnkrone rekonstruiert.

Die Anwendung von aldehyd- oder formokresolhaltigen Präparaten zur Pulpotomie wird wegen mutagener und kanzerogener Eigenschaften zunehmend in Frage gestellt [2, 4]. Daher kann aus heutiger Sicht die Anwendung aldehydhaltiger beziehungsweise formokresolhaltiger Präparate für die Pulpotomie am Milchzahn, abgesehen von Ausnahmefällen, nicht mehr empfohlen werden [6, 7]. Die Mortalamputation ist heute kontraindiziert.

Eisensulfat, Elektrochirurgie und Lasertherapie werden wegen ihrer hämostatischen Wirkung bei der Vitalamputation verwendet. Sie verhindern die Bildung eines Blutkoagulums, das in vielen Fällen den Misserfolg der Pulpotomie begründet. In der Regel werden kalziumhydroxid- oder zinkoxideugenolhaltige Präparate zur Abdeckung der Restpulpa verwendet. Die Datenbasis zum Erfolg dieser Methoden ist bislang noch unzureichend.

Wurzelkanalbehandlung

Die Wurzelkanalbehandlung kann bei radikulärer Entzündung (Pulpektomie) oder Nekrose der Pulpa indiziert sein. Eine Kontraindikation des Behandlungsverfahrens besteht, wenn die Resorption der natürlichen Wurzellänge mehr als ein Drittel beträgt. Die Extraktion ist bei internen und externen Resorptionen sowie bei periapikalen oder furkalen Entzündungsprozessen in Betracht zu ziehen. Die technischen Schwierigkeiten einer optimalen Aufbereitung, Desinfektion und Füllung der grazilen, stark gekrümmten Wurzelkanäle und insbesondere die mangelnde Kooperation vieler Kinder schränken die Indikation dieses Verfahrens ein. Wurzelkanalfüllmaterialien müssen resorbierbar sein (wie Kalziumhydroxid-, Zinkoxid-Eugenolpräparate) [1].

Temporäre Maßnahmen

Die alleinige Trepanation von Milchzähnen sowie ihr Belassen beziehungsweise Herunterschleifen auf Gingivaniveau sind lediglich kurzzeitige Kompromisslösungen. Das Belassen unbehandelter kariöser und avitaler Milchzähne birgt die Gefahr von Exazerbationen und rezidivierenden Abszedierungen und damit die Entstehung von Strukturanomalien an den permanenten Zähnen (Turnerzähne). Da die Platzhalterfunktion dieser Milchzähne in der Regel nicht mehr gegeben ist, sollten sie zu Gunsten hygienefähiger Lückenhalter ersetzt werden.

A. Borutta, R. Heinrich-Weltzien, Erfurt, in Zusammenarbeit mit dem Vorstand der GKP und dem Beirat „Endodontie“ der DGZ

Quelle: dzz 57 (2002)

Diese und weitere Stellungnahmen finden Sie auf den Internetseiten der DGZMK in der gültigen, aktuellen Version.

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