Stellungnahme der Dt. Ges. für Zahnerhaltung (DGZ) und der Hochschullehrer für Zahnerhaltung

Direkte zahnfarbene Restaurationen im Frontzahnbereich

Diese Stellungnahme zum Einsatz von direkten zahnfarbenen Restaurationen im Frontzahnbereich beschreibt den aktuellen Stand der Wissenschaft. Sie gibt den bisherigen und künftig zu erwartenden Anwendungsbereich wieder und soll dazu beitragen, die adäquate Bewertung in Leistungskatalogen zu erleichtern.

Kompositkunststoffe (Komposite) werden bereits seit etwa vier Jahrzehnten im Frontzahnbereich verwendet und dabei zur Versorgung von Kavitäten der Klassen III, IV und V eingesetzt. Seit etwa fünf bis zehn Jahren finden sie in der täglichen Praxis zusätzlich auch zur Korrektur von Zahnverfärbungen, -lückenbildungen, -fehlstellungen und -fehlbildungen im Sinne der direkten Technik (zum Beispiel direktes Veneer, direkte Formkorrektur) Anwendung.

Mit der Verbesserung der werkstoffkundlichen Eigenschaften von Kompositen und der Neuentwicklung von Adhäsivsystemen, die nicht nur am Schmelz, sondern auch am Dentin eine ausreichende Abdichtung und Haftung erlauben (Dentinadhäsive beziehungsweise Schmelz-/Dentinadhäsive), können seit Beginn der 90er Jahre auch Frontzahnrestaurationen, die aufgrund ihrer Größe und Lage komplexere Anforderungen hinsichtlich Farbe, Transparenz, Form und Funktion abverlangen, hergestellt werden. Die Weiterentwicklung von Kompositmaterialien verbesserte deren physikalischen Eigenschaften wesentlich und erlaubte aufgrund eines größeren Angebotes an Farben und Opazitäten die Herstellung optisch ansprechender und langlebiger Frontzahnrestaurationen. Das Ergebnis sind ästhetisch und funktionell hochwertige, mehrschichtig eingebrachte Restaurationen, die sowohl am Schmelz als auch am Dentin haften und somit mit früheren Kompositfüllungen nicht mehr vergleichbar sind. Der früher hohe Verlust an Zahnhartsubstanz aufgrund konventioneller makroretentiver Präparationen, insbesondere bei den Kavitätenklassen III, IV und V, konnte somit deutlich eingeschränkt werden. Ebenso kann auf den Einsatz parapulpärer Schrauben heute verzichtet werden. An die Stelle Substanz opfernder Präparationen sind schadensgerechte „Adhäsivpräparationen“ getreten, die einen äußerst differenzierten und zeitaufwändigen Einsatz diverser Präparationsinstrumente erforderlich machen.

Die hohen funktionellen und ästhetischen Ansprüche an direkte mehrschichtige schmelz-/dentinadhäsive Restaurationen im Frontzahnbereich bedingen somit eine andere, das heißt wesentlich aufwändigere Präparations- und Verarbeitungstechnik. Wurden früher bei konventionellen Kompositfüllungen nach entsprechender Präparation die Komposite in der Regel in wenigen Arbeitsgängen eingebracht und erhärtet, so ist es heute für die Versorgung notwendig, eine zeitaufwändigere Schichttechnik einzusetzen, um randdichte und ästhetisch befriedigende Restaurationen zu erzielen. Der Zeit-, Material- und Geräteaufwand ist hierbei erheblich gestiegen.

Die genannten Gesichtspunkte, insbesondere die Entwicklung der Schmelz-/Dentinadhäsive zur Praxisreife in den 90er Jahren und die erweiterten Indikationsmöglichkeiten mit direkten mehrschichtigen Restaurationen, konnten bei der Entwicklung des heute geltenden Leistungskataloges (GOZ 1987/88) nicht entsprechend berücksichtigt werden. In der Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 5.8.1996 wird zum Ausdruck gebracht, dass die Kompositfüllungstherapie wie auch Adhäsivtechnik (Schmelzbonding) bei Erlass der GOZ bekannt waren. Dies darf jedoch nicht mit den erst in den 90er Jahren zur Praxisreife entwickelten und heute empfohlenen Schmelz-/Dentinadhäsiven verwechselt beziehungsweise gleichgesetzt werden.

Schmelz-/Dentinadhäsive, mehrschichtige Restaurationen erfordern also einerseits einen höheren Gesamtaufwand, andererseits aber können indirekte Restaurationen in Form von Frontzahnkronen, Veneers und mehr dadurch vermieden werden, und sie sind bei korrekter Verarbeitung als parodontal günstig einzustufen.

Die Versorgung komplexerer Defekte im Front- und Seitenzahnbereich mit Kompositen wurde in früheren Stellungnahmen der wissenschaftlichen Fachgesellschaften (DGZMK/DGZ) bis Ende der 80er Jahre weitgehend abgelehnt, da diese bezüglich Randspaltbildung, Abrasion/Attrition und Frakturgefahr inakzeptabel waren. Stattdessen war in der Regel die Herstellung von laborgefertigten Werkstücken (meist Überkronungen) das Mittel der Wahl. Insbesondere die mangelnde Haftung und Abdichtung der Komposite am Dentin ließ eine Ausweitung der Indikation für die damaligen Komposite nicht zu.

Mit den heute bewährten Schmelz-/Dentinadhäsiven und verbesserten Kompositen (schmelz-/dentinadhäsive Restaurationen) kann aber ein Beitrag zu einer präventionsorientierten Zahnheilkunde geleistet und in vielen Fällen unnötiger Verlust gesunder Zahnhartsubstanz vermieden werden.

Hiermit wird verdeutlicht, dass die bisherige Leistungsbewertung zu undifferenziert ist und den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr adäquat Rechnung trägt. Ein Festhalten an der bisherigen Bewertung, insbesondere bei der Herstellung komplexerer Restaurationen im Frontzahnbereich wäre somit ein Signal in die falsche Richtung, da sie dazu verleiten würde, Überkronungen auch in solchen Situationen vorzunehmen, die heute durch direkte Restaurationen schadensgerechter gelöst werden können.

Prof. Dr. E. Hellwig (Präsident der DGZ)

Prof. Dr. D. Heidemann

(Präsident elect der DGZ)

Prof. Dr. R. Hickel (Past-Präsident der DGZ)

Prof. Dr. Dr. H. J. Staehle (Sprecher der

Hochschullehrer für Zahnerhaltung)

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