Ministerin streut Wählern Sand in die Augen
Die jüngsten Erklärungen von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zur künftigen Gesundheitspolitik der Bundesregierung bieten keine zukunftsorientierten Perspektiven. Sie stellen vielmehr den plumpen Versuch dar, den Wählern Sand in die Augen zu streuen und reihen sich nahtlos ein in die Folge gesundheitspolitischer Enttäuschungen der vergangenen Jahre.
Die Zwei-Klassen-Gesellschaft in der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung, die die Ministerin durch das Festhalten am bestehenden System verhindern will, besteht doch längst. Sie ist unter anderem in Ausgrenzungen von Kassenpatienten bei der Arzneimittelversorgung, Leistungsbegrenzungen in verschiedenen Bereichen und nicht zuletzt durch die Einschränkungen der Budgets sogar relativ fest fundamentiert.
Ein Mangel an Ideen
Aus der Zahnmedizin sei auf das Beispiel der Prothetik verwiesen: Jemand, der in der Lage ist, viel Geld auszugeben, erhält auch entsprechend mehr Geld aus der Krankenversicherung dazu. Was daran solidarisch sein soll, müsste die Ministerin doch einmal näher erläutern. Der aktuelle Griff in die partei- ideologische Trickkiste gipfelt in der Behauptung, die Befürworter einer Deregulierung zielten darauf, dem eigentlichen Solidaritätsprinzip den Garaus zu machen, um die Arbeitgeber zu entlasten. Wenn wir auf diesem Niveau diskutieren wollen, müsste unsere Antwort darauf wohl simpel lauten: Gesundheit statt Sozialismus.
Wer jetzt so tun will, als funktioniere das solidarische System in der bestehenden Form doch prächtig, und es gelte nur, kleinere Dellen kosmetisch zu behandeln, verschließt einfach die Augen vor der Realität und verlässt sich auf das bekannte Morgenstern-Prinzip, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf. Außerdem zeugt das von einem Mangel an Ideen. Immerhin ist die Ministerin noch Realistin genug, um festzustellen, dass das versorgungsmedizinische Leistungsniveau des von ihr gepriesenen Systems trotz extrem hoher Aufwendungen den internationalen Vergleichen in vielen Feldern hinterher hinkt.
Wirklich profitieren könnte der Patient wohl nur von einem seitens der Zahnärzteschaft angestrebten Wettbewerb der Leistungserbringer und der Krankenkassen. Die Ecken, Kanten und Lücken dessen, was wir zurzeit haben, wird übrigens auch der von Frau Schmidt immer häufiger beschworene „Runde Tisch“ nicht glätten können. Er eignet sich allerdings hervorragend als politische Endlos-Warteschleife.
Wenn die Ministerin eine künftige Aufteilung der Krankenversicherung in Grundund Wahlleistungen ausschließt, muss sie mehr dagegen setzen können als schwammige Absichtserklärungen wie „Qualität sichern – Wirtschaftlichkeit stärken“. BZÄK und KZBV fühlen sich in ihrer Auffassung von vielen Seiten bestätigt, die sich mit Gesundheits- und Sozialpolitik befassen. Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass das System in der bestehenden Form schon auf Grund der Alterspyramide innerhalb kurzer Zeit vollends zusammenbrechen wird.
Wenn Gesundheitsökonomen uns vorrechnen, dass schon eine geringfügige Umstellung des Solidarausgleichs in Richtung Grundversorgung die Beiträge rasch um etwa ein Drittel (also unter zehn Prozent) absenken könnte, ist das sicher kein Argument, das man einfach mit sozialistischem Gedankengut aushebeln könnte. Für in diesem Zusammenhang besonders erstaunlich erachte ich die Tatsache, dass beim vergleichbaren Rentensystem die notwendigen Strukturänderungen längst vollzogen sind.
Vielleicht fehlt uns in der Gesundheitspolitik ja einfach der Macht- und Lobby-Apparat der Großversicherer.
Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, BZÄK-Präsident