Abgeladene Schuldenlast
Die Kirch-Insolvenz zeigt es wieder einmal deutlich: Die involvierten Banken haben sich übernommen. Jetzt sollen sie einen Großteil ihrer viel zu schwach abgesicherten Milliardenkredite rigoros abschreiben. Solange der Bankenverzicht nicht amtlich ist, bleiben die Verwerter der Insolvenz-Leiche in der Deckung.
Kein Wunder, dass das deutsche Geldgewerbe – allen voran die Großbanken mit ihren Investmenttöchtern – das leidige Kreditrisiko ihrer gewerblichen Kundschaft liebend gerne auf private Kapitalanleger abwälzen will. Das geht wie folgt vonstatten: Die Banken legen zugunsten ihres Industriekunden, dem sie selber gar nicht mehr oder nur noch bedingt Geld leihen wollen, eine öffentliche, das heißt für jedermann zu zeichnende Anleihe auf.
Wenn die Bonität dieser Anleihekandidaten nicht die beste ist, müssen sie zum Ausgleich dafür entsprechend hohe Zinsen auf das geliehene Geld bezahlen. Und mit Festzinsen, die mindestens ein, zuweilen aber auch zwei oder gar drei Prozent über denen der bestens bonierten deutschen Staatsanleihen liegen, lassen sich die privaten Zeichner dieser Anleihen von den Anlageberatern der Banken leicht ködern. Die primäre Absicht der Anleihe-Emittenten, das Ausfallrisiko auf andere abzuwälzen, wird natürlich nicht verraten. Der Emittent von Industrieanleihen ist vor allem daran interessiert, ein risikoloses und zumeist gut dotiertes Provisionsgeschäft zu machen.
Akuter Skandal
Wie hoch das Ausfallrisiko in Wirklichkeit ist, zeigt der steile Anstieg der nicht mehr mit Zins und Tilgung bedienten Industrieanleihen. Während 1996 noch unter zehn Milliarden Dollar an Industrieanleihen abgeschrieben werden mussten, waren es im Jahr 2002 bereits an die 200 Milliarden USDollar, Tendenz weiterhin stark steigend. Gerade erst akut ist die Zahlungsunfähigkeit der britisch-amerikanischen Kabelgesellschaft NTL, die Publikumsanleihen im Wert von rund zwölf Milliarden Euro notleidend werden ließ. Bislang ein Höchstbetrag und ein Skandal ohnegleichen.
„Gehen Sie auf Nummer sicher mit festverzinslichen Wertpapieren“, so verbreitet Maxblue, das elektronische Börsenportal der Deutschen Bank, weiterhin Arglosigkeit im Hinblick auf hochverzinste Industrieanleihen. Doch wenn Unternehmen, die auf Anraten von Investmentbanken öffentliche Anleihen auflegt haben, zahlungsunfähig werden, sind die schönen, sicher geglaubten Festzinstitel ebenso verloren wie die Aktien solcher Gesellschaften.
Also: Wer sich, nicht zuletzt wegen der hohen Zinszusagen, in Unternehmensanleihen engagieren will, sollte sich die entsprechenden (juristisch relevanten) Prospekte aushändigen lassen und diese im Hinblick auf das „Rating“ des Anleihe-Kandidaten genau studieren. Im Beratungsgespräch sollten die Rating- und Risikoaussagen des Bankberaters schriftlich protokolliert und von ihm unterschrieben werden. Nur dann besteht im Pleitefall begründete Aussicht auf Schadensersatz wegen eventueller Falschberatung. Anleihen ohne Rating-Prädikat sind zu meiden.