Nebenwirkungsmeldungen im Jahr 2001
Nach dem so genannten Stufenplanverfahren sind die Arzneimittelkommissionen der Heilberufe – so auch die Zahnärzte der BZÄK und der KZBV – aufgerufen, Nebenwirkungsmeldungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weiterzuleiten, um so eine Risikominimierung beziehungsweise ein Höchstmaß an Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. Im Rahmen dieser Anforderungen bietet die Arzneimittelkommission der BZÄK und der KZBV seit langem allen Zahnärzten in Klinik und Praxis einen fachspezifischen Beratungsdienst an, welcher auch eine interne Sammlung und Auswertung der gemeldeten UAWs beinhaltet. Wie bereits in den Vorjahren geschehen, wird im Folgenden eine Zusammenstellung aller im Jahr 2001 an die AK-BZÄK/KZBV von zumeist niedergelassenen Zahnärzten gemeldeten Fälle zu beobachteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen gegeben.
Nebenwirkungsvergleich 1995 bis 2001
Im Jahr 2001 wurden 80 Fälle zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen von insgesamt 102 Präparaten gemeldet (teilweise wurden als mögliche Ursachen der beobachteten Nebenwirkung mehrere Arzneimittel angegeben). Nachdem seit 1998 ein leichtes aber kontinuierliches Absinken der Anzahl gemeldeter UAWs auf 65 gemeldete Fälle im Jahr 2000 zu verzeichnen war, stieg im Jahr 2001 die Anzahl der gemeldeten Nebenwirkungen wieder leicht an (Abbildung 1).
Der Anteil der Meldungen zu unerwünschten Wirkungen von Antibiotika entspricht mit mehr als einem Drittel (37 Prozent) dem des Vorjahres. Der Anteil der Meldungen zu Lokalanästhetika ist mit 28 Prozent gegenüber 33 Prozent im Vorjahr leicht gesunken. Das gleiche gilt für Analgetika (fünf Prozent gegenüber 13 Prozent im Vorjahr). Der Anteil der Meldungen in der Gruppe Sonstige beträgt 30 Prozent und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt (Abbildung 2). In dieser inhomogenen Gruppe sind Antihypertensiva, Mundspüllösungen und Präparate zum Dentinschutz enthalten (Tabelle 1). In der Gruppe der Lokalanästhetika war 2001 der Anteil von Articain (92 Prozent) wie auch schon in den Vorjahren hoch, was sicher auf die breite Anwendung des Präparates zurückzuführen ist (Tabelle 1). In der Gruppe der Antibiotika ist die Anzahl der gemeldeten Nebenwirkungen für die Gruppe der Penicilline auf 30 Prozent gegenüber 40 Prozent im Vorjahr leicht abgesunken. Die Anzahl der Meldungen für Clindamycin hingegen verzeichnet einen auffälligen Anstieg:
•
2001: 71 Prozent
(17 von 24 Meldungen zu Antibiotika)
•
2000: 40 Prozent
(sieben von 18 Meldungen zu Antibiotika)
•
1999: 33 Prozent
(zehn von 30 Meldungen zu Antibiotika)
•
1998: 15 Prozent
(drei von 20 Meldungen zu Antibiotika)
•
1997: 33 Prozent
(acht von 24 Meldungen zu Antibiotika)
Diese Fälle von unerwünschten Wirkungen zu Clindamycin umfassten Symptome des Gastrointestinaltraktes sowie der Haut und Schleimhaut. Dieser Anstieg ist höchst- wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass Clindamycin auf Grund seines breiteren Spektrums im anaeroben Bereich auch von Zahnärzten häufiger verordnet wird. Bei den Analgetika sank der Anteil der gemeldeten Fälle 2001 gegenüber 2000 auf etwa die Hälfte (Abbildung 2). Insgesamt lagen nur Meldungen zu sechs Präparaten vor (Tabelle 1).
Organbezogenheit der Nebenwirkungen
Im Jahr 2001 erfolgten knapp mehr als die Hälfte (53 Prozent) aller Meldungen zu Nebenwirkungen, welche die Haut und Schleimhaut betrafen und sich in Form von Schleimhautläsionen im Bereich des Mundes beziehungsweise in Form generalisierter Hautausschläge äußerten. Diese unerwünschten Wirkungen wurden bei allen Stoffgruppen, zu denen Meldungen vorlagen beobachtet und waren leicht bis mittelgradig ausgeprägt sowie vorübergehend (Tabelle 1, Abbildung 3). Gravierende Ereignisse vonseiten der Haut und Schleimhäute, zum Beispiel Erythrodermie oder Lyell-Syndrom, wurden nicht registriert. Allergisch bedingte Hautreaktionen sind insbesondere bei der Applikation von Antibiotika (hier die Gruppe der Penicilline und Clindamycin) zu beachten. Das Herz-Kreislaufsystem betreffende Nebenwirkungen wurden nur in 15 Fällen (13 Prozent) beschrieben, wobei meist leichter Schwindel gemeldet wurde. Anaphylaktische Reaktionen mit protrahiertem Verlauf wurden nicht gesehen. Gastrointestinale Störungen wurden in elf Prozent der Fälle gemeldet (Tabelle 1, Abbildung 3).
Diese waren zumeist leicht bis mittelgradig ausgeprägt. In zwei Fällen trat unter der Therapie mit Clindamycin eine pseudomembranöse Colitis auf. Über ZNS-Störungen wurde in acht Fällen (neun Prozent) berichtet. Darunter war der Fall eines siebenjährigen Kindes, das auf Lokalanästhesie mit Articain mit einem Krampfanfall reagierte. In einem Fall wurden nach Articaininjektion bei einem Patienten reversible Sehstörungen beschrieben. Diese äußerst seltene Nebenwirkung ist von den spanischen Zahnärzten Penarrocha-Diago und Sanchis- Bielsa kürzlich in einer Publikation beschrieben worden [1]. Als zu Grunde liegender pathogenetischer Mechanismus wird eine Diffusion des Lokalanästhetikums in Richtung Orbitaregion angenommen, wodurch Nervenfasern des III., IV. und V. Hirnnerven in Mitleidenschaft gezogen werden können. Dieser Mechanismus kann zu einer vorübergehenden Parese okulomotorischer Muskeln führen. Die klinischen Symptome entwickelten sich jeweils unmittelbar nach Injektion des Anästhetikums und persistierten im Durchschnitt für 50 Minuten.
Resümee
Im Jahr 2001 wurden der BZÄK/KZBV insgesamt 80 Meldungen zu Arzneimitteln mitgeteilt. 37 Prozent der angezeigten Präparate waren Antibiotika, 28 Prozent Lokalanästhetika, fünf Prozent Analgetika und 30 Prozent sonstige Arzneistoffe. Die gemeldeten Nebenwirkungen waren meist leicht bis mittelgradig ausgeprägt.
Christoph Schindler Wilhelm Kirch Institut für Klinische Pharmakologie, Medizinische Fakultät der TU Dresden, Fiedlerstr. 27, 01307 Dresden
Literatur:
1) Penarrocha-Diago M, Sanchis-Bielsa JM: Ophthalmologic complications after intraoral anesthesia with articaine. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol 2000; 90 (1): 21-4
Substanz
n
Haut/Schleimhaut
Magen-Darm
Herz-Kreislauf
ZNS
Zähne
Sonstige
Analgetika
Piroxicam
1
Blasenbildung Mundschleimhaut
Paracetamol
1
Schwindel, Schweißausbruch
Paracetamol/ Codein
2
Exanthem
Schwindel
Ibuprofen
1
Erythem, Pruritus
ASS
1
Exanthem
Antibiotika
Penicillin
1
Milchzahn-verfärbung
Propicillin
1
Übelkeit, Darmkrämpfe
Phenoxymethyl-penicillin
2
Verfärbung, Entmineralis.
Amoxicillin
7
Urtikaria, Quaddeln, Exanthem
Pilzinfektion Darm, blutiger Stuhl, Diarrhoe
Entminerali-sierung
Erythromycin
1
Zahnverfärbung
Roxithromycin
1
Pruritus, trockene Schleimhaut
Clindamycin
17
Exanthem, Pruritus, Erythem, Urtikaria
pseudomembranöseColitis, Übelkeit, Diarrhoe, Flatulenz
Kreislauf-dysregulation
Schwindel, Kopfschmerz Sprachstörungen, Schluckbeschwer-den, Konzentra-tionsstörungen
Doxycyclin
1
Exanthem
Metronidazol
2
Exanthem
Müdigkeit
Amphotericin B
1
Reizhusten, Bronchospasmus
Cefaclor
1
Entmineralis.
Lokalanästhetika
Articain/ Epinephrin
24
Exanthem, Pruritus, Lippenödem, Schmerzen im Einstichbereich, lokale Schwellung
Darmkoliken
Tachykardie, Schwindel, Hypertonie, Kreislauf-dysregulation,
Muskelzittern, Kopfschmerz, Müdigkeit Sehstörungen
Fieberschub, Würgereiz
Articain
2
Exanthem
Schüttelfrost
Mepivacain
1
Xylocain
1
Tachykardie, Übelkeit
sonstige
Bromelain, Trypsin
1
Erythem, Pruritus
Talinolol
1
Exanthem, Pruritus
Nifedipin
1
Exanthem, Pruritus
Isosorbidmononitrat
1
Exanthem, Pruritus
Magnesium
1
Pruritus, Erythem
Amlodipin
2
Gingivahyperplasie
Lisinopril
2
Gingivahyperplasie
Metoprolol
1
Gingivahyperlasie
Moxonidin
1
Gingivahyperlasie
Furosemid
1
Gingivahyperplasie
Nitrendipin
1
Gingivahyperplasie
Midazolam
1
Absencen, Krämpfe
Ketamin
1
Muskelkrämpfe,
Chlorhexidin-digluconat
4
Oberlippenschwellung, Brennen
Übelkeit
Tachykardie
Schüttelfrost
Salicylsäure
1
Gingivaulcerationen
Calciumhydroxid
1
Bläschenbildung
Natriumfluorid
1
Geschmacksirritation
Erbrechen
Fluor
1
Exanthem
Clonidin
1
Mundtrockenheit
Erosionen
Felodipin
1
Gingivahyperplasie
Diltiazem
1
Gingivahyperplasie
Verapamil
1
Gingivahyperplasie
Bisoprolol
1
Gingivahyperplasie
Doxazosin
1
Gingivahyperplasie
Glibenclamid
1
Gingivahyperplasie
Digoxin
1
Gingivahyperplasie