Experten setzten Vollkeramik auf den Prüfstand
Unter dem Thema „Farbdiagnose für Keramik“ stellte Privatdozent Dr. Stefan Paul DDS, Zürich, erste klinische Erfahrungen mit dem Spektralphotometer vor – ein computergestützt arbeitendes Farbbestimmungssystem zur Erkennung der natürlichen Zahnfarbe am Patienten und zur Reproduktion im Labor.
Das Spektralphotometer misst die Intensität der für das menschliche Auge erkennbaren Wellenlängen. Anders wie das Gehirn, das nur Farbreize erkennen kann, nennt das Spektralphotometer die Farbdaten als exakte Koordinaten. Die von der Zahnoberfläche erstellte Farbkarte als Videobild wird von Photodioden mit den Koordinaten der Farbschlüssel vieler Keramiken verglichen und nennt die entsprechende Keramikfarbe; es differenziert Farben und Transparenz für Schmelz, Dentin, Hals und Schultern. Diese Daten sowie die Farbverteilungskarte können per ISDN-Leitung dem Labor zugestellt werden, das damit eine umfassende Farbinformation hat. Farbmessungen von Behandlern mit dem Spektralphotometer hingegen wiesen nur Fehler von 0,8 Delta-Einheiten auf, gegenüber 5,33 Einheiten von Zahnärzten ohne Messgerät.
Form und Farbe bestimmen die Harmonie
ZTM Cornel Weber, Owingen, nahm thematisch den Ball mit der „Farbbestimmung im Labor“ auf. Idealerweise wird die konventionelle Farbbestimmung am Patienten vom Zahntechniker durchgeführt, damit nicht nur Farbe, Helligkeit und Transparenz der Nachbarzähne erfasst werden, sondern auch die Zahnform. Bei der Farberfassung wird die Zahnfarbe in ihre Bestandteile zerlegt; dazu eignen sich eigens angefertigte Farbschlüssel für Schmelz, Dentin, Inzisalbereich, Schultern, Halsbereich. Die konventionelle Farbbestimmung ist besonders geeignet, wenn Praxis und Labor eng zusammenarbeiten beziehungsweise geografisch nahe beieinander liegen. Um große Entfernungen zu überwinden, bietet sich heute die digitale Farbabnahme an.
Als Verfasser des DGZMK-Statements zu vollkeramischen Kronen und Brücken wies Prof. Dr. Lothar Pröbster, Tübingen-Wiesbaden, in seinem Symposiumsreferat „Vollkeramische Restaurationssysteme – Indikation und Kontraindikation“ darauf hin, dass trotz großer Fortschritte in der Werkstoffentwicklung vollkeramische Versorgungen in der Alltagspraxis noch keine Standardtherapielösung sind. Eine genaue Einschätzung der Indikation, Kenntnisse zur optimalen Präparation und Verarbeitungsweise sowie über die Eigenschaften der Keramiksysteme sind erforderlich, um klinisch hohe Überlebensraten zu erzielen.
Die klinische Haltbarkeit wird bestimmt von den physikalischen Eigenschaften der Keramik und von der Geometrie der Restauration. Für vollkeramische, konventionell befestigte Kronen gelten die Richtlinien: Präparationswinkel sechs bis zehn Grad, zirkuläre Stufe von 0,8 bis ein Millimeter Breite, Mindestschichtstärke 0,8 bis ein Millimeter, inziso-okklusale Schichtdicke 1,5 bis zwei Millimeter, gerundete innere Linien- und Kantenwinkel. Insbesondere die neuen computerunterstützten Verfahren stellen hohe Anforderungen an die Präparationstechnik, damit der Scanner die Präparationsgrenze identifizieren kann. Einfache Präparationsformen (Hohlkehle) erscheinen zukünftig bei Keramiken mit hoher Bruchzähigkeit (Yttrium-stabilisiertes Zirkonoxid) möglich, wobei klinische Langzeiterfahrungen mit diesem Werkstoff noch fehlen.
Für vollkeramische Restaurationen wurden von der DGZMK wissenschaftlich die folgenden Indikationen anerkannt: adhäsive keramische Einlagefüllungen, adhäsive Teilkronen im Front- und Seitenzahngebiet sowie Veneers. Diese Anerkennung erleichtert die Abrechnung mit Krankenkasse und Patient.
Risikoarm und gute Langzeit-Ergebnisse
Dr. Daniel Edelhoff, Universität Aachen, stellte seine langjährigen Erfahrungen mit Kronen und Brücken aus leuzitverstärkter Glaskeramik (Empress 1) und Lithiumdisilikat- Glaskeramik (Empress 2) zur Diskussion. „Gehen Sie keine Experimente ein und verlassen Sie nicht die Herstellerempfehlung zur Indikation“, resümierte der Prothetikspezialist der DGZPW. 250 untersuchte Kronen aus Empress 1 zeigten auf Grund sorgfältiger Vorbereitung nach vier Jahren Beobachtungszeit nur geringe Frakturraten. Konventionelle Befestigung (mit Phosphatzement) und adhäsive Fügetechnik zeigten keine Unterschiede hinsichtlich der Überlebensrate. Adhäsiv befestigte Kronen neigten jedoch vermehrt zu Verfärbungen am marginalen Kronenrand und zu Reizungen der umgebenden Gingiva. Das Dentinadhäsivkomposit scheint sensibler auf ungünstige Bedingungen, wie Feuchtigkeit, zu reagieren als das Befestigen mit konventionellen Zementen.
In einer zweiten Studie wurden 155 Kronen und 49 Brücken aus der festigkeitsgesteigerten Lithiumdisilikat-Keramik (Empress 2) nach durchschnittlich 26 Monaten untersucht. Sechs Brücken aus der Gruppe der experimentellen Restaurationen mussten auf Grund von frakturierten Brückenankern sowie von unterdimensionierten und deshalb frakturierten Konnektoren erneuert werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass dreigliedrige Lithiumdisilikat- Brücken nur im Front- und Prämolarenbereich Verwendung finden sollten. Die Verbinder müssen eine Gerüstmindestfläche von zwölf mm2 in der Front und 16 mm2 im Prämolarenbereich aufweisen, um den Kaukräften zu widerstehen.
„Soll für den Lückenschluss im Frontzahnbereich ein Implantat gesetzt werden oder Zahnsubstanz an Pfeilerzähnen für eine Brücke geopfert werden?“ Mit dieser Frage machte Prof. Dr. Peter Pospiech, Universität Homburg/Saar, die Zuhörer beim Thema „Implantologie oder Klebebrücke“ mit einer neuen Lösung zur Versorgung einer Frontzahnlücke vertraut. Ob Implantat oder keramische Klebebrücke – beide Lösungen bieten gegenüber der metallgestützten Brücke den Vorteil, dass kein Zahn extensiv Substanz verzehrend beschliffen werden muss. Beim Implantat bleibt zudem die Einzelzahnbeweglichkeit voll erhalten.
Grundsätzlich sind beide Therapiewege – Implantat oder Klebebrücke – Substanz erhaltend und somit begehbar, betonte Prof. Pospiech. Gegenüber der metallgestützten Brücke erfordert die Adhäsivklebebrücke die wesentlich geringere invasive Maßnahme. Das Durchschimmern metallischer Klebeflügel, wie es bei Metallklebebrücken vorkommt, wird mit Keramik vermieden. Über die Haltbarkeit von adhäsiv befestigten Keramikbrücken im Frontzahnbereich liegen mehrjährige klinische Erfahrungen mit guten Zukunftsprognosen vor.
CAD/CAM: für die Prothetik
Prof. Dr. Albert Mehl, Universität München, referierte über „Moderne CAD/CAM-Technologie in der Zahnheilkunde“. Die marktüblichen Systeme arbeiten mit unterschiedlichen Fertigungskonzepten und Werkstofftechnologien, wobei sich die vollkeramischen Materialien als „primi inter pares“ herausschälen. CAD/CAM ermöglicht heute den lichtoptischen Abdruck im Mund mittels intraoraler Kamera (Cerec), die Laserabtastung der Präparation mit Scanner vom Modell (wie Cerec inLab, DCS, Cercon, Etkon, KaVo und andere), die taktile Abtastung des Kronenstumpfes und den Datenversand via ISDN-Telefonleitung ins Herstellerwerk (Procera), die Eingabe von mehreren Modellen als Datensätze (Scans) in das digitale Fräs-Modul. Für die multiple Werkstoffbearbeitung stehen computergesteuerte Fräs-Systeme bereit, die Edelmetall, Titan, Vollkeramik und Kunststoffe verarbeiten. Dass zahntechnische Messvorgänge inzwischen Eingang in die Computerisierung gefunden haben, beweist der „virtuelle Artikulator“, der Bissverhältnisse simuliert (wie Digident). Die Kauflächengestaltung ist noch nicht automatisiert, obwohl schon Zahn-Bibliotheken mit Tausenden von Naturzähnen bestehen. Die Kaufläche ist also noch die Domäne des Zahntechnikers.
CAD/CAM-Systeme liefern hauptsächlich Gerüste für Kronen und Brücken, die anschließend aufbrennkeramisch verblendet werden. Mit dieser Technik hat sich besonders die Vollkeramik ihren Weg gebahnt, weil erst durch das computergestützte Ausschleifen der Gerüste aus industriell vorgefertigten Rohlingen (Blanks) die Werkstoffeigenschaften voll genutzt werden können. Verarbeitet werden Glaskeramik, Oxidkeramiken als Gerüstwerkstoff in unterschiedlichen Festigkeiten zur laborgestützten Lanthan-Infiltration, Zirkonoxid als Grünling zur Ofensinterung im Labor, vorgesintertes Zirkonoxid hoher Endfestigkeit und schwindungsfreie Reaktionssinterkeramik, wie Zirkonsilikat. Voraussetzung für eine präzise, CAD/CAMgefertigte Restauration ist, dass der Zahnarzt für die Messsensoren „gut lesbare“ Präparationen anfertigt, das heißt eine gut erkennbare und glatte Präparationsgrenze anlegt und für die Keramik ausreichende Wandstärken vorsieht. Für das Labor bietet die CAD/CAM-Technik Arbeitszeitvorteile und eine Vereinfachung der Arbeitsorganisation, weil gegenüber der konventionellen Technik Arbeitsabläufe abgekürzt werden.
Aus der Praxis für die Praxis
Mit dem Referat „Ceramic Success Analysis – der aktuelle Stand des Qualitätssicherungsprogramms“ stellte Dr. Bernd Reiss, Ettlingen, die Behandlungsergebnisse von niedergelassenen Zahnärzten vor, die seit Jahren ihre vollkeramischen Restaurationen regelmäßig nachuntersuchen und die Befunde der AG Keramik zur Auswertung überlassen. 2 682 Einsetzbefunde und Nachuntersuchungen bis zu fünf Jahren weisen das klinische Langzeitverhalten vollkeramischer Füllungen, Teilkronen und Kronen aus. Die klinischen Ergebnisse der teilnehmenden Praxen sind ausgezeichnet. Komplikationen und Misserfolge sind nur sehr selten aufgetreten. Dennoch konnte eine Häufung von Problemen bei einzelnen Ausgangsbefunden und speziellen klinischen Vorgehensweisen festgestellt werden. Die nun angelaufene dritte Phase befasst sich mit der Remotivation der teilnehmenden Praxen sowie mit den organisatorischen Voraussetzungen, um die gewonnenen Ergebnisse direkt in die tägliche Arbeit der teilnehmenden Praxen umzusetzen.
Manfred Kern, AG Keramik,Postfach 10 01 17, 76255 EttlingenMail:kern.ag-keramik@t-online.de