Fortschritte an der Hochschule – Fortschritte für die Praxis
Regenerative Techniken zur Therapie von Rezessionen
Rezessionsdeckungen sind prinzipiell, so Dr. Farhad Boltchi, Texas/USA, mit gestielten Lappen, freien Lappen (ohne und mit Epithel) und mit zusätzlichen biologischen Vermittlern, wie Emdogain®, möglich. Die erfolgreichste Methode zur Rezessionsdeckung ist dabei das Bindegewebstransplantat mit 91 Prozent Deckungserfolg. Mit resorbierbaren Membranen wurde in einer Studie in 71 Prozent der Fälle eine vollständige Wurzeldeckung mit dem zusätzlichen Resultat einer Zunahme der keratinisierten Gingiva erreicht. Der Einsatz von Emdogain® mit koronalem Verschiebelappen zeigt ebenfalls sehr gute Ergebnisse.
Prof. Dr. Dr. Sören Jepsen, Bonn, berichtete über die evidenzbasierte Parodontologie. Hiernach konnte kein wesentlicher Unterschied zwischen koronalem Verschiebelappen alleine und in der Kombination mit Emdogain ® gefunden werden. Offene, noch weiter zu untersuchende Fragen sind prognostischen Faktoren zur Langzeitstabilität von Rezessionsdeckungen und die Therapiemöglichkeiten bei multiplen Rezessionen.
GTR versus biologisch aktive Faktoren
PD Dr. Michael Christgau, Regensburg, zeigte, dass unabhängig vom verwendeten Membranmaterial mit der gesteuerten Geweberegeneration eine gute Stabilität des gewonnenen Attachments erreicht wird. Bezüglich der Langzeitstabilität konnte hingegen kein wesentlicher Unterschied zwischen Emdogain® und der Membrantherapie nachgewiesen werden. Der Einfluss von PRP (platelet rich plasma) wurde in der knöchernen Regeneration mit der GBR (guided bone regeneration) gezeigt, diese Ergebnisse liegen, ebenso wie mit Wachstumsfaktoren, bei der parodontalen Regeneration noch nicht vor. Erst wenn die zellulären und molekularen Mechanismen geklärt werden, so PD Dr. Christgau, würden neuere und bessere Therapieverfahren zur Entwicklung gelangen.
Wachstumsfaktoren und osteoinduktive Proteine
PD Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Kiel, postulierte, dass die Zukunft der Knochenregeneration in der Verwendung von rekombinanten BMP’s (bone morphogenetic proteins) liegt, da hier kein Infektionsrisiko bei der Anwendung besteht. Hier sei zum Beispiel das rekombinante Protein „rh OP 1“ zu nennen, welches im Tierversuch eine deutlich osteoinduktive Wirkung in Kombination mit BIO-OSS® zeigt. Für diese Proteine liegen bisher aber noch keine klinischen Zulassungen vor, und sie sind damit für die Praxis noch nicht einsetzbar. Bei PRP mit demselben Trägermaterial hingegen ergibt sich eine fragliche Effizienz und Vorhersagbarkeit.
Praxistauglichkeit vollkeramischer Brücken
Die kritische Zone vollkeramischer Brücken, so Prof. Dr. Peter Pospiech, München, liegt in der Kontaktfläche am Übergang vom Brückenglied zum Kronenzahn. Lösungsansätze bestehen in veränderten Gerüstdesigns mit bogenförmigen Brückenspannen, die die entstehenden Kaukräfte auf die Pfeilerzähne weiterleiten. Mit Zirkonoxid als Gerüstmaterial wird eine im Vergleich mit anderen vollkeramischen Materialien sehr hohe Biege- und Rissfestigkeit erreicht. Diese entstehen durch die Polymorphie von ZrO2 und der Zugabe von Yttriumoxid, durch Phasenänderung wird hierdurch ein Riss unter Belastung am Fortschreiten gehindert. Der Ersatz einer Prämolarenbreite mit diesem Material zeigt sehr viel versprechende Ergebnisse, mehrgliedrige Brücken befinden sich noch in der experimentellen Phase.
In das wissenschaftliche Programm wurde auch der Vortrag des Miller-Preisträgers 2002 aufgenommen: PD Dr. Dr. Stefan Schultze-Mosgau, Erlangen, sprach dabei über die Vaskularisation und endogene Zytokin-Expression bei der Weichgewebeheilung freier vaskulärer Transplantate. Durch lokale Gabe von Anti-TGFß1 (transforming growth factor) konnte er im Tierexperiment eine deutliche Fibrosereduktion erreichen, hierdurch wird eine frühzeitigere Transplantation von Geweben in vorbestrahlte Gewebe möglich.
Keimbestimmung und Antibiose bei Parodontitis
In dem APW-Praxisseminar von Prof. Dr. Dr. Sören Jepsen, Bonn, und Prof. Dr. Jörg Meyle, Giessen, erklärten die Vortragenden, dass die Verwendung eines Antibiotikums erst sekundär nach der mechanischen und antiseptischen Therapie notwendig wird. Die Entscheidung zu dieser weitergehenden Therapie besteht, wenn klinische Entzündungszeichen an mehreren Zähnen trotz guter Compliance der Patienten weiterhin vorliegen. Eine weitere Indikation besteht bei der aggressiven Parodontitis, hier wurde nach vorheriger Keimbestimmung der systemische Einsatz mit einer Kombination von Amoxicillin und Metronidazol empfohlen. Weiterhin wurden Vor- und Nachteile lokaler Antibiotikaapplikationen und verschiedene Produkte verglichen.
Therapieverfahren für die parodontale Regeneration
PD Dr. Michael Christgau, Regensburg, gab in diesem APW-Praxisseminar einen umfassenden Überblick über die heute in der Parodontologie verwendeten Membranen und Knochenersatzmaterialien. Dabei haben sich resorbierbare Membranen in der chirurgischen Therapie durchgesetzt. Anhand einer Diaserie zeigte er an einem klinischen Fall mit einem dreiwandigen, parodontalen Knochendefekt Schritt für Schritt das therapeutische Vorgehen von der Schnittführung über die Vorbereitung und den Einsatz einer Membran bis zum Wundverschluss, sowie die begleitenden Maßnahmen.
Zahlreiche weitere Praxisseminare an beiden Kongresstagen hatten Themen aus allen Bereichen der modernen Zahnheilkunde anzubieten und erfreuten sich eines regen Interesses.
Parallel zum breit gefächerten Tagungsprogramm mit vielen interessanten Vorträgen fanden wegen der starken Nachfrage in deutlich ausgeweitetem Umfang wieder die APW-Praxisseminare statt.
Dr. Thomas Verbeck
Poliklinik für Chirurgische ZMK-Heilkunde
Universitätsklinikum Bonn
Welschnonnenstraße 17, 53111 Bonn